Ein feldzug in die Dunkelheit – Die Festung der Duvar

Von Var Andrasch war ich nach Takilien gekommen. Die zweite Legion der Duvar wurde benötigt zum Schutz einer Festung, die unsere dritte aufgebaut hatte. Durch den langen Tunnel marschierten wir und Vorfreude durchflutete mich. Was würden wir dort erleben? Welchen Wesen würden wir begegnen? Drachen? Und wie würde die Dunkle Gottheit durch uns wirken?

Schritt für Schritt folgte ich meinem Medur vor mir. Wir marschierten im Gleichschritt auf das neue Land zu… Ich warf einen Blick nach hinten. Wie ein endloser Wurm zog sich die Legion durch den Tunnel. Da ich im ersten Militum ganz vorne schritt, konnte ich auf einen Blick die ganze ordentliche, dunkle Macht sehen, die von uns ausging. Unsere Hellebarden blitzten in dem selten aufkommenden Licht.

Direkt an uns angeschlossen schritt das zweite Militum. Düstere Blicke funkelten nach vorn, während die schweren Rüstungen schepperten und Schilde immer wieder an Schwerter schlugen.

Nach diesem Koloss an stählernem Kern schritt das dritte Militum – die Leichten. Plänkler und Bogenschützen … und er, auf den ich meinen Blick geworfen hatte, direkt vor der Artis Arcana. Wer weiß, vielleicht würden wir irgendwann gegeneinander antreten und unsere Kräfte messen. Und wenn Môrdaun es so will, würden wir gleichwertig sein. Meine sechs Geschwister würden lachen und zotige Witze reißen und dann würde ich sie übertrumpfen und meiner Kaste Ehre machen. Kinder für die Duvar!

Hinter ihm, für mich schon fast nicht mehr erkennbar ob der vielen Krieger schritten die restlichen Magier und Priester.

 Tage später erreichten wir Takilien, das Neue Land. Die dunkle Festung ragte vor uns in den Himmel und einige Wachsoldaten begrüßten uns. Unser Centoron schickte uns mitsamt unseren Hauptmännern in das riesige Gebäude aus Stein, wo wir uns die nächsten Wochen und vielleicht auch Monate aufhalten würden. Dieses Land würde unser werden und wir würden es der Dunkelheit und der Ordnung zuführen und damit vom Chaos befreien.

Der steinerne Koloss schluckte die ganze Legion mit Leichtigkeit und wir richteten uns dort ein. Wache schieben, Patrouille gehen, der übliche Tagesablauf fing uns sofort ein und ordnete unser Leben. Zwischendurch versuchte ich hin und wieder Kontakt zu meinem Armbrustschützen aufzunehmen und wir tauschten mehrfach Blicke. So stattlich sah er aus, wenn er in der langen Marschformation ordentlich das dritte Militum abschloss und vor der hohen…  einherschritt.

Jeden Tag exerzierten wir. Ordnung muss sein. Trotz der großen Anzahl an Kriegern bilden wir eine perfekte Einheit. Unser Telgoron schritt neben uns und rief Befehle. Der Medur vor mir reagierte sofort und ich folgte. Welch ein erhebendes Gefühl diesen Gleichschritt in den Ohren zu haben. Der Dur dritte Reihe rechts, genau hinter mir trat mir jedoch immer wieder in die Hacken. Immer, wenn ich mich ärgerlich umschaute grinste er und entschuldigte sich. Ich weiß, dass er mir den Platz hinter dem Medur neidet. Er schmeichelt dem Telgoron und hofft auf eine Beförderung.

Vor einigen Tagen trafen wir bei der Exerzier-Übung plötzlich auf fremde Menschen. Es waren keine Sayaner aus Takilien. Diese hier waren Krieger, chaotisch und bunt. Das Blut pochte mir in meinen Ohren als ich sah, wie sie sich voll  gerüstet und schwer bewaffnet vor unserer Festung aufstellten. Sie riefen uns Dinge zu, doch ich hörte nur meinen eigenen Herzschlag, unsere regelmäßigen Schritte und die durchdringenden Befehle des Telgoron. Wir öffneten unsere Formation und bildeten eine perfekte Schlachtreihe: An den Flanken das erste Militum mit den Stangenwaffen. Zur Mitte hin wurden unsere Krieger immer schwerer gerüstet und bewaffnet, im Kern stand das stählerne Bollwerk. Hinter uns in zweiter Reihe verteilen sich die Plänkler und Bogenschützen. Und mit ihnen unsere Magier und Priester des dunklen Gottes. Gemeinsam bildeten wir eine undurchdringliche Einheit. Eherne Wende – stählerne Schilde – wir sind standhaft!

Ich habe noch nicht viel in meinem Leben gegen Feinde kämpfen müssen und hielt meine Hellebarde etwas verkrampft, mit Blick auf die bunte Schildmauer vor mir. Neben mir der Medur war völlig aufgeregt ob seines Blutdurstes, doch ich war unsicher, was ich mit meiner Waffe gegen die hohen Turmschilde meiner Gegenüber ausrichten sollte. Noch während ich überlegte und der hohe Centoron den Vorwärtsbefehl rief, flog eine salve Pfeile über unsere Köpfe in die Schlachtreihe und mähte die Ersten nieder. Wir sind standhaft! Geordnet und von der Môrdaun geleitet!

Schwer wog die Waffe in meinen Händen und ich schwang sie mit aller Kraft. Viele verletzte ich und ich lachte ihrem chaotischen Vorgehen ins Gesicht. Doch auch sie machten manchen Glückstreffer. Schmerzhaft machte mich ein Hammer nieder. Ich spürte, wie Knochen brachen und sämtliche Luft meine Lungen verließ. Ich floh aus der Schlachtreihe. Selbst, wenn mich der Telgoron als feige bezeichnen würde… ich wollte leben! Und atmen… und leben! Hinter mir griff mich einer unserer Magier auf. Er packte mich und sah meine schwere Verletzung. „Deinen Schmerz spür ich in dir. Deinen Schmerz, den nehm ich dir. Neue Kraft dich nun durchdringt. Erfülle deine Pflicht!“ Ich spürte die Kraft Môrdauns mich durchdringen, die Schmerzen waren bekämpft, die Knochen neu geordnet und wieder und wieder stürzte ich mich in die Schlacht.

In den nächsten Tagen war der höchste Befehl, die Festung zu halten. Diese Fremden waren gekommen, um uns zu bekämpfen und das Chaos in diesem Land weiter regieren zu lassen. Immer wieder gingen wir in Kleingruppen auf Patroullie. In der Nacht folgte ein Teil des ersten Militums  mit einigen anderen unserem Telgoron in den Wald. Wir fanden eine Steinkonsole mit magischen Zeichen und ein verlassenes Lager zwischen den Bäumen. Dann wurden wir dort angegriffen und von mehreren Kriegern eingekesselt. Im Kampf wurden wir schließlich versprengt und wir flohen unordentlich ins Dunkel. Ich fand mich mit meinem Armbrustschützen allein im Wald wieder. Mein Herz schlug mir bis zum Hals ihm so nahe zu sein und doch mussten wir Acht geben, dass wir nicht den Feinden in die Hände fielen. Wir schlichen uns durchs Dickicht, als wir eine dunkle Gestalt fanden. Es war seine Mephas und wir schlossen uns ihr an. Lauter Kampfeslärm ertönte aus dem Lager der Fremden und wir schlichen weiter. Unsere Krieger hatten das Lager angegriffen und wurden nun großflächig zurückgeschlagen. Wir zogen uns hinter die Linien zurück in die Festung, als zum Rückzug gerufen wurde und wir uns wieder ordentlich sammeln konnten.

Am nächsten Tag durfte ich mit ihm wieder auf Patroullie. Wir sammelten mehrere Fernkämpfer und ein anderer aus meinem Militum und ich begleiteten sie zum Direktschutz. Wir wollten einige der fremden Späher ausschalten und schauen, ob wir etwas über sie erfahren konnten. Oben auf dem Hügel hatten wir eine wunderbare Aussichtsposition und für den besten Armbrustschützen des dritten Militums war es ein leichtes, sie immer und immer in ihre Eingeweide zu stechen. Bolzen für Bolzen verschoss er und verfehlte nur selten sein Ziel. Bewunderung durchflutete mich. Wenn ich einst die Erlaubnis habe gegen ihn zu kämpfen, um zu sehen, ob wir füreinander bestimmt sind, werde ich vorher viel üben müssen. Die Fremden sammelten sich schließlich, griffen sie uns an. Ein Ritter mit einem langen Schwert schlug auf mich ein. Ich versuchte mich mit meinem Schild zu schützen doch er warf mich schließlich zu Boden und durchstieß mich mit seinem blanken Eisen. Kälte durchfuhr mich, ich starrte ihn an und dann war alles schwarz… Bis ich meine Augen wieder öffnete. Das Amulett baumelte an meinem Hals und ich schluckte schwer. Das fühlte sich niemals gut an. Ich sah, dass ich in der Festung war und um mich herum viele willenlose Körper wankten… ich ging zur Tür hinaus und suchte mein Militum.

Immer wieder kam es zu Kämpfen, ob klein oder groß. Bei einem Angriff beschwor unsere Magierin einen Golem, der durch die Schlachtreihen wogte und nach und nach die Angreifer durch die Luft warf. Schnell fräste er uns Lücken in die Feinde, ich lachte und wir schlugen sie immer weiter und weiter, bis sie sich schließlich zurückziehen mussten. Welch ein Hochgefühl sie fliehen zu sehen! Einige ihrer großen Krieger ließen sie dabei hinter unseren Reihen zurück und wir brachten sie zur Befragung in die Festung. Ich sah die Kerkermeister blutüberströmt aus den Zellen kommen. Ob sie nun auch lobotomiert worden sind? Ah, neue Fleischsklaven für unsere Wiederkehr. Ich griff erneut an mein Amulett und dankte Môrdaun für unsere Überlegenheit.

Als ich schließlich den Armbrustschützen in die Kapelle gehen sah, wo der große Priester eine dunkle Andacht hielt, folgte ich ihm. Der kleine Raum war schon voll mit anderen von uns. Vorn saßen die höheren Ränge. Wir reihten uns weiter hinten ein und lauschten der erbauenden Predigt über Ordnung und Dunkelheit. Im Stillen dankte ich der dunklen Gottheit erneut dafür, dass ich ein Duvar war. Für das Wissen und die Macht, die Ordnung und die Stärke. Draußen erklangen Geräusche der Falle, die irgendjemand ausgelöst haben mochte, doch wir hörten keinen Alarm, also beteten wir weiter. Ein Glück, dass es nicht die Fremden waren. In der Kapelle waren wir wie immer völlig unbewaffnet. Nicht auszudenken, wenn sie uns dort drin überrascht hätten. Sie hätten uns leicht gänzlich niedergemacht.

Am Ende des Tages erklangen wilde Befehle durch die Festung. „Raus! Raus! Raus!“ Wir sammelten uns vor den Mauern und bildeten eine perfekte Marschreihe. Aufgereiht wie makellose Perlen, bewegungslos und ordentlich. Der Centoron schritt an uns vorbei. Er wirkte besorgt. Dann sah ich es auch. Über den Berg erschien eine kleine Reisegruppe. Ein paar Wächter, Träger eines Throns und auf diesem Thron eine schmächtige und doch so starke Gestalt. Als sie näher kamen, brüllte der hohe Centoron Befehle, seine Stimme überschlug sich fast und in einer kraftvollen Bewegung ging die ganze zweite Legion auf die Knie. Es war eine der Erus. Und sie war gekommen, um zu sehen, wie die Duvar Takilien einnahmen. Sie war enttäuscht und erbost. Ich habe den Centoron noch niemals so gesehen. Diese kleine schmale Gestalt stand vor diesem großen und eindrucksvollen Krieger. Und doch war sie so viel mächtiger als er. Er versprach ihr die Vernichtung der Feinde und einen großen Sieg für die Duvar und Môrdaun. Halb zufrieden verließ sie schließlich wieder das Feld und wir standen auf.

Also sammelten wir unsere Kräfte. Wir besserten die Schäden an unseren Rüstungen aus, pflegten unsere Waffen, schliefen und bereiteten uns vor. Konzentriert nutzten wir jede Ressource, die wir finden konnten. Sobald es dämmerte, riefen uns die Telgoron zusammen. Ausgeruht und voller Kraft formierten wir uns in der bekannten Marschaufstellung. Aufregung durchstrahlte meinen Körper. Wie Zahnräder in einem Getriebe bewegten wir uns vorher, reihten uns zu einem ewig langen Wurm. Einreihig, einer hinter dem anderen schritten wir aus und liefen über das Land. Ich, die ich wieder ganz vorn war, sah das Lächeln in dem Gesicht meines Telgoron, der neben mir schritt. Ich warf den Blick nach hinten. Glänzende Waffen, konzentrierte Blicke, stählerne Muskeln. Ein langer Körper mit zig Gliedern, die alle im Einklang miteinander ordentlich den Weg beschritten. Direkt hinter mir schritt der Dur, der sich die Beförderung gewünscht hatte und mir immer in die Hacken schritt. Doch auch er hielt sich nun an die Ordnung, konzentriert und kampfeslustig ging er mit mir und uns allen im Gleichschritt weiter und weiter.

Im Wald wurden wir ganz leise. Kein Zweig knackte. Kein Laut war zu hören. Als hielte dieser lange Wurm Môrdauns den Atem an und sammelte seine Kraft für den finalen Schlag. Ich sah, dass wir direkt vor dem Lager der Fremden aus dem Wald herauskamen. Wir formierten uns schnell und marschierten auf ihre Flagge zu. Die Überraschung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Ihre Späher hatten uns nicht bemerkt, hatten die ganze Zeit in die falsche Richtung geblickt. Unsere Magier traten geschlossen vor, führten gekonnt und zügig ein Ritual durch, das sie zuvor stundenlang vorbereitet hatten und beschworen damit zwei Dämonen aus der Finsternis. Dämonen sind nicht steuerbar, doch sind sie wie unsere Gottheit gegen das Licht und setzten sich deshalb für uns ein, jagten die Fremden von diesem Grund und Boden. Neben dem Golem mähten nun durch die chaotische und schnell aufgerüstete Schlachtreihe der Fremden. Uns blieb kaum etwas zu tun. Die Gesichter derer, die es noch wagten sich immer wieder gegen uns zu stellen wurden weniger erbittert als vielmehr ängstlich. Panisch erhoben sie immer wieder ihre Schilde und behielten eher die Wesen aus der Dunkelheit im Blick, als uns. Ich schlug meine Gleve wieder und wieder gegen sie, bis sie schließlich zum Rückzug riefen. Sie schlugen sich durchs Gebüsch, einige der Übermütigsten wollten uns seitwärts noch einmal angreifen, doch unsere Flanke war sicher. Wir hatten das Lager der Fremden eingenommen. Das Land war unser. Sie mussten fliehen und wir hatten ihn. Den finalen und vollständigen Sieg.

Eherne Wende! Stählerne Schilde! Wir sind standhaft!

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