Houppelande – Des Inspektors Rock

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Ein anständiger Herr benötigt natürlich undbedingt einen passenden Rock. Falls die Wahl auf eine Art Houppelande fallen sollte, findet sich hier die Anleitung. Der Schnitt folgt dem Konzept des Ratsinspektors (link) und hat daher keine tatsächliche historische Vorlage. 

 

Tracht_RatsinspektorWie sieht also die Vorlage aus?
Der Rock selbst ist in Farbe und Form so gestaltet, dass der Träger jederzeit als Inspektor
erkennbar ist. Selbstredend darf hier ein gewisser Schick nicht fehlen, ist man ja nicht  einfach
irgendwer.  Diesem Anspruch gerecht zu werden, sind hier auch ein Stoffe vonnöten, die von
Material und Fall auch dazu passen.

Stoffwahl
Ich habe mich für den Oberstoff für einen Schurwollmelton in (tollem) Blau und ca. 400g/m2
Gewicht entschieden. Der ist so richtig griffig, strapazierfähig und fällt richtig gut.
Die Einlage bildet eine Schicht aus “kräftiger” Bourettseide, so wird das Volumen des
ganzen Stückes einfach nochmal eine Nummer edler, weil schwerer und überhaupt.
Das innere Futter besteht aus einem leuchtend roten, fein gewebten Schurwollköper mit
ca. 280g/m2 Gewicht. Entgegen der üblichen Vorstellung von Schurwollstoffen ist dieser
weder kratzig noch von rustikaler Optik. Ganz im Gegenteil! Dieser Stoff ist sehr weich,
fließend und mit der feinen (Zwirn) Webstruktur (leider keine Ahnung wieviele Fäden pro cm)
auch recht robust und von leichtem Glanz. Kurz gesagt – geil :)

 

Der Schnitt
Wie oben bereits erwähnt, gibt es für dieses Kleidungsstück keine historische Vorlage was wohl daran liegt, dass ich meiner Fantasie hab freien Lauf gelassen. Grob kann man das Ergebnis meiner MS Paint Künste wohl als zu kurze Houppelande ohne die typischen Faltenlegung bezeichnen, der Korrektheit halber sag ich jedoch besser “Rock” dazu. Auf die üblichen reichhaltigen Stofffalten einer Houppelande habe ich verzichtet, damit der letzte Rest von Praktikabilität im Einsatz nicht verlustig geht. Schließlich ist ein Ratsinspektor stets auf Reisen und so muss der Rock halt auch ein wenig dazu passen.
Als Grundschitt habe ich nun den einer üblichen Houppelande genommen und die Länge auf Mitte Oberschenkel eingekürzt. Ein schnell zusammengestecktes Probeexemplar hat mir eine interessante Sache aufgezeigt – es macht einen riesen Unterschied, wo die Weite ab der Taille abwärts zugegeben wird. – Gibt man diese hauptsächlich seitlich zu, Stichwort Geren, wirft der Rock seitlich schicke Falten und macht untenrum etwas breiter. – Gibt man diese hauptsächlich in der hinteren Mitte zu, steht der Rock hinten etwas steifer und macht eine tolle seitliche Silhouette. Die zweite Variante hat mir mehr zugesagt.

Stoffschichten gelegter Stoff

Links nun der Rock geschnitten und gelegt, zum Schneiden macht es normalerweise Sinn die Stoffbrüche zu nutzen. Die geplanten Nähte haben das hier leider verindert und ich habe alle Teile einzeln geschnitten.
Rechts alle Schichten. Man erkennt hier noch die aufgetrennte Naht im Futter. Das hatte ich zuerst den Maßen entsprechend geschnitten und als Muster zusammengeheftet. Die Anprobe hat noch ein paar nötige kleinere Änderungen aufgezeigt. So ein Vorgehen empfehle ich dringend, denn so kann man vermeiden, alles genäht zu haben und dann festzustellen, dass es nicht passt. Hilft wirklich gegen Anfälle von Verzweiflung.

 

 

 

Das Zusammensetzen
Wie geht’s nun weiter? Richtig, ist der ganze Kram erstmal ausgeschnitten geht es an das Zusammensetzen. Hier gibt es eigentlich keine spezielle Reihenfolge zu beachten. Ob nun zuerst das Futter oder den Oberstoff ist meiner Ansicht nach ziemlich egal, fertig sein müssen die vor dem Zusammenfügen ja ohnehin. IMG_2662_L

Hier hatte ich mich für die Reihenfolge Horizontal-Vertikal-Horizontal entschieden. Also erst die beiden Teile für hinten-oben, dann die beiden Teile für hinten-unten, dann die beiden für  vorne-links und dann die beiden für vorne-rechts. Mit den entstandenen Vierteln ging’s dann weiter. Erst hinten-oben mit hinten-unten vernähen, dann vorne-links mit hinten und abschließend vorne-rechts mit hinten. Auf dem Bild zur Linken sind die beiden Teile für hinten oben. Wer sich über die Linienführung in der Mitte wundert, so sieht mein persönlicher Grundschnitt für Körpernahe Kleidung aus. Der Rock wird also bis zur Taille eng am oberen Rücken anliegen.
IMG_2665_LBevor!! man nun eifrig mit der Nadel loslegt, sollte man sich Gedanken machen, wie man eine ansehnliche und gerade naht hinbekommt. Als wirklich praktikabel hat sich für mich eine schnelle Heftung der Einzelteile erwiesen. Auf Deutsch -> Man näht die gerade zu nähenden Teile mit einem simplen Heftstich zusammen und entfernt diesen später wieder, wenn die richtige Naht gemacht wurde. Auf dem Bild zur Rechten siehst Du  den Heftstich in grün und die ersten Stiche der Konstruktionsnaht in rot. Apropos Naht: Weil ja nun die Farben des Ratsinspektors das schicke Blau-Rot +bischen Gelb des Trumwappens widerspiegeln bietet sich eine kontrastierende Naht als Zierde an. Hier hatte ich mich für eine Variante der Elisabethnaht entschieden. Zumindest lässt sie sich unter diesem Namen finden. Der richtige Name ist mir gerade nicht bekannt. Es handelt sich jedenfalls um eine interessante und überaus haltbare Möglichkeit Wollstoffe zu vernähen und gleichzeitig zu versäubern. Im Grunde genommen sind es zwei Durchgänge von überwendlichen Stichen von jeweils einer anderen Seite. Ich habe hier beide Durchgänge von derselben Seite aus gemacht und so ein schickes, an Fischgrat erinnerndes Muster erhalten.

 

IMG_2670_L IMG_2669_LAuf dem Bild rechts siehst Du zunächst beide Durchgänge der
Elisabethnaht, bei denen darauf zu achten ist in welche Richtung die überwendlichen Stiche gehen. Es macht einen Unterschied in der Ausrichtung des Fadens und beeinflusst so das Muster stark. Hat man sich erstmal reingefuchst ist das aber garnicht mal so schwierig.
Auf dem Bild “ganzrechts” siehst Du wie ich den provisorischen Heftstich wieder auftrenne und entferne. Von diesem ist dann nichts mehr über und die schöne Ziernaht bleibt als einizge bestehen und sichtbar.Wenn man dann ganz fleißig weitermacht, hat man dann auch brav alle Teile des Oberstoffs zusammengesetzt und kann ans Innenleben des Rockes gehen –

 

Das Futter und die Einlage
Beim Futter ist das ganze nun etwas einfacher, schließlich sind die Nähte ja später nicht zu sehen und so kann daber ein robuster Rückstich von der äußeren Seie mit anschliender überwendlicher Versäuberung der Naht zur Anwendung kommen. Die Reihenfolge beim Zusammensetzen der Innenlagen ist die gleiche wie die des Oberstoffes. Man legt also einfach die später sichtbaren Innenseiten des Futters aufeinander und die Einlage außen darauf bzw. darunter. Die Naht wird jetzt einfach wie üblich durchgezogen.

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Links siehst Du nun die schon fertige Naht im Rückstich und die anschließende Vesäuberung der Randes. Das sieht zwar nach einer Menge Arbeit aus, lohnt aber. So versäuberte Ränder fransen auch nach 10 jahren nicht aus und dasFutter bleibt stabil.

Rechts siehst Du das fertige Innenleben zusammengesetzt und versäubert. Es ist nun quasi ein eigener Rock für sich und tatsächlich könnte man den ganzen fertigen Rock später als Wenderock auftragen. Ist aber nicht geplant.

IMG_2717_LDas Futter nun in den Oberstoff einzusetzen ist eine recht einfache Übung. man hängt es einfach in den Rock aus dem Oberstoff ein, streicht das Ganze zusammenglatt und hängt es auf einem stabilen Bügel einen Tag lang weg. In der Zwischenzeit habe ich mich z.B. um die Ärmel gekümmert. Leider habe ich davon keine Bilder gemacht – mea culpa! Es sind typische Vertreter der Gattung Tütenärmel (^^) die ich allerdings bis kurz über der Armbeuge offen gelassen habe. Daher ist beim Schnitt zu beachten, dass die schließende Naht an der Vorderseite sitzt. Das Zusammensetzen der Ärmel erfolgt im selben Stil wie der Rest des Rockes. Ist das Futter nun schön ausgehangen und hat zusammen mit dem Oberstoff seine Form gefunden, kann man die beiden Teile miteinander verbinden. Hierzu habe ich die Nahtzugaben verwendet und das Futter einfach eingheftet. Auf dem Bild zur Rechten siehst Du wie ich genau zwischen die beiden Lagen des Oberstoffes steche, damit von außen nichts davon sichtbar wird.

 IMG_2727_LDie letzte Fleißaufgabe ist dann das Versäubern – Wie schon wieder versäubern? Jupp, und zwar Futter mit Oberstoff. Schließlich sollen ja auch die Ränder nichit offenliegen. Sähe ja auch doof aus und  wäre äußerst unpraktisch. Außerdem gibt ein schön versäubertes Futter nicht nur den letzten Schliff, sonder macht das fertige Stück erst richtig schick und edel.
Da das Futter schon an den Konstruktionsnähten befestiget ist und so a) nicht mehr verrutschen kann und sich b) mit dem Oberstoff zusammen bewegt, verzichtete ich bewusst auf eine doppelte Fixierung am Rand ohne einen Sackeffekt befürchten zu müssen. So bleibt der Oberstoff frei von- in diesem Fall- unerwünschten Nähten.
Hier gibt es auch wieder verschiedene Möglichkeiten, da ich aber eh sehr viel Überwendlich verwendet habe, wollte ich diesesn Stil weiterverfolgen. Also einfach die beiden Lagen so ineinander klappen, das der Oberstoff auf Fingerbreite in die Innenseite “ragt”. Dann wie gesagt mit überwendlichen Stichen in (hier) ca. 5mm Abstand die eingeschlagenen Ränder versäubern. Macht fertig dann einen wirklichen Schicken Auftritt bei näherem Hinsehen.

Nach vielen kurzweiligen Stunden mit gelegentlichen Fluchen aufgrund Fehlern und mit Nadeln malträtierten Fingern und ist der Rock dann auch irgendwann fertig und kann bewundert werden.

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