Tagebuch von Charlotte, Zofe von Mary Louise Alazar

Als Milady und Milord nach Silberberg aufbrachen, war ich unglaublich stolz, dass ich Milady als Ihre Zofe begleiten durfte. Es sollte eine große Adelshochzeit geben und als Zofe würde ich all diese Fremden sehen. Es machte mir aber auch ein bisschen Angst, schließlich waren wir völlig fremd dort. Und wenn wir auch gebildet und ausgebildet waren, fürchtete ich doch, dass ich einen Fehler machen würde, der Milady in Verlegenheit brachte. Schließlich wussten wir ja nicht, wie diese Barbaren, die sich ständig in Metall kleiden, sich benehmen würden.
Zum Glück reisten wir Bediensteten schon einen Tag früher an, um das Lager zu errichten. So wurden Earl und Lady Alazar vom dem Angriff der Söldner verschont, die ihren ausstehenden Sold einforderten. Nachdem mehrfache Angriffe den erwünschten Erfolg nicht brachten, entführten sie eine Frau aus dem Lager eines Jarls, oder wie diese Barbaren sich nennen. Danach kehrte eine äußerst angespannte Ruhe ein.
Doch es blieb ruhig bis zum Morgen und Milady Mary Louise und ihr Bruder Timothy of Alazar konnten sich in Ruhe einrichten. Die echten Namen der beiden würde ich niemals jemandem Verraten, ebensowenig wie meinen Namen. Einige unserer Wachen, die handverlesen waren und alle die fremde Sprache verstanden, zogen die Blicke auf sich, ebenso wie das überaus prunkvolle Lager.
Als Milady erfuhr, dass es wohl einen Tee der Edeldamen geben sollte, entschied Earl Timothy, dass dies der geeignet Zeitpunkt für einen großen Auftritt war. Wir versammelten uns, wir Diener in unseren feinen Kleidern und die besten Wachen um uns herum. Leider mussten wir auch die Schamanin mitnehmen, ein unflätiges Weibsbild, das noch alten und längst der Vergangenheit angehörenden Riten nachging. Doch das einfache Volk, zu dem auch die Wachen gehörten, verehrte sie.
Dennoch konnte ich nicht ertragen, wie frech und unflätig sie sich benahm, so dass ich sie laut und rigoros zur Ordnung rief. Schließlich war es meine Aufgabe, so etwas von Miladys und Milords feinen Sinnen fern zu halten. Das Weibsbild wurde so renitent, das ich schon fürchtete, Milady mit dem unschönen Anblick einer davon geprügelten Hexe zu belästigen. Doch irgendwann hörte sie mit ihren Pöbeleien auf.
So konnten wir uns weiter auf den Weg zu dem Tee der Damen machen, doch wir konnten die Räumlichkeiten nicht betreten, die Damen waren darin gefangen und es ging wohl ein Geist darin um, der verhinderte, dass Männer die Räume betraten.
Seufzend gestatteten wir der Schamanin, ihr Glück zu versuchen und wenn ich ehrlich bin, habe ich mir gewünscht, dass sie genauso wenig in die Räume hinein käme. Das wäre ein guter Beweis für das nicht Vorhandensein irgendwelcher Mächte gewesen. Doch sie konnte die Türen öffnen und verschwand im inneren. Kurze Zeit später hatte der Geist sich zurückgezogen, nachdem er Forderungen nach dem Auffinden seiner Gebeine gestellt hatte. Zwar versuchte die Schamanin diesen Erfolg für sich zu verbuchen, doch die anwesenden edlen Damen sagten etwas anderes aus.
Nun, nachdem die Lage sich etwas beruhigt hatte, ließen wir uns alle zum Tee nieder, Kissen für Milady gab es aber nicht, so dass schnell eine Wache geschickt wurde, nach Kissen für Milady, die ich natürlich, ebenso wie den Sitz selbst, erst einmal abstaubte. Der Tee, der überraschenderweise aus Alkohol bestand, passte perfekt zu unserem Geschenk einer grünen Spezialität aus unseren Landen, den alle Damen auch tapfer probierten. Vielleicht waren diese Damen doch nicht so blass und farblos wie ich gedacht hatte. Nur ihre Namen konnte ich mir beim besten willen nicht merken, besonders die der Bretonen hörten sich an wie Musik, waren aber unaussprechlich. Selbst Milady hatte Probleme damit.
Nach dem Tee und einigen Gesprächen über Männer musste ich zumindest meine Meinung über die Damen ändern, sie waren freundlich und ehrlich, behandelten Milady und manchmal sogar mich wie Gleichgestellte. Bei den Männern sah das wohl anders aus. So nahm Milady die Einladung der Bretonen gerne an, ihr Lager aufzusuchen.
Die Bretonen hatten sich ein schönes Fleckchen am See ausgesucht, wo sie der Herrin vom See huldigen und diese bewachen und ehren konnten. Das Lager war fast, aber nur fast, genauso prächtig wie das Lager der Alazars. Sehr stolz bin ich auf die Wachen, die obwohl aus einfachem Volk, sich vorbildlich benahmen und sich immer mal wieder todesmutig sogar in die Wege von hochgestellten Adeligen begaben, wenn sie Milady bewachten. Eigentlich sollte eine Tanzübung stattfinden, damit niemand sich beim Tanz auf der Hochzeit blamieren würde, doch leider kam es dazu nicht, so dass wir nach einiger Zeit wieder zurück in unser eigenes Lager wanderten.
Kaum hatten wir uns niedergelassen, als wir beobachteten wie einige Männer Stöcke in die Erde steckten, Als ich fragte, was sie denn dort machten, verstand ich sie zunächst falsch und dachte, sie wollten eine Hure feilbieten. So ein Affront direkt vor den Augen von Milady und Milord!
Doch es handelte sich um ein Buhurt, wo die Männer sich im freundschaftlichen Wettstreit messen konnten. Es war recht interessant anzusehen, das ganze Feldlager war gekommen, unter anderem ein halbnackter Kronprinz, den Milord fragte, ob er sich denn keine Diener leisten könne, die ihn vollständig ankleideten. Bei uns wäre so etwas nie geschehen, Milord würde sich niemals nur halb bekleidet vor Damen zeigen. Doch bald lenkte der Buhurt von diesem Affront ab. Direkt nach diesen Schaukämpfen wurde Reh für alle und feinster Fisch für die Herrschaften serviert. Doch auch da gab es wieder einen Affront, mussten doch die Damen der Bretonen mit einfachen Nordmännern am Tisch sitzen und natürlich gab es auch wieder keine Kissen. Erneut mussten Kissen besorgt werden, und das Speisen ging voran. Nur der arme Henry kam nicht zum Essen, weil er andauernd für Milord den Fisch filettieren musste. Ständig erscholl der Ruf „HEENRYYY“
Nach dem Mahl begleiteten Henry und ich Milady und Milord bei einem Spaziergang, der uns zu einer schönen Stelle am See führte wo wohl die Trauung von Herodin von Kustor und Theodora von Silberberg stattfand. Eine mir unverständliche Zeremonie wurde abgehalten, es wurde gesungen und zum Schluss war das Paar anscheinend vermählt. So machten wir uns auf in unser Lager, um das überaus wertvolle Geschenk an die Braut zu holen, das aus einem ganzen Ballen Wüstenseide bestand. Damit kann man Paläste kaufen!
Doch als wir in die Taverne zurückkehrten, waren nicht nur keine Kissen, sondern auch kein Brautpaar in Sicht. Die Bretonen luden uns an ihren Tisch ein, doch das Tischtuch war besudelt, wie der Pöbel krakeelte, wohl mit den Spuren der ersten Nacht.
So etwas ist in unseren Landen ein nahezu tödlicher Affront und Herr Timothy echauffierte sich völlig zu Recht. Das Geschenk lag achtlos in einer Ecke und Henry war verschwunden. Earl Timothy reichte es endgültig und er verließ mit Milady diese traurige Veranstaltung als der Tanz ohne Musik begann. Auf dem Weg hinaus kam es zu einem Tumult, bei dem Milady unsanft aus dem Weg gedrängelt wurde. Wutentbrannt verließen unsere Herrschaften die Kaschemme und begaben sich zu unserem Lager. Dort stellten wir fest, dass nicht nur Henry, sondern auch William und Ali verschwunden waren. Also machten wir uns mit frisch eingetroffenen, hünenhaften, Wachen auf den Weg, sie zu suchen. Unterwegs begegneten wir dem Herrn Herodin, der sich doch tatsächlich mit unseren Wachen schlagen wollte und etwas murmelte von „ich lasse mich doch nicht auf meinem eigenen Land bedrohen“ und „das er besseres zu tun habe als zu einer Hochzeitsfeier zu gehen.
Dieser Strohhalm brach dem Kamel den Rücken und Herr Timothy verkündete, dass wir abreisen würden, da wir der Beleidigungen und Affronts genug erfahren hätten. Henry wurde noch gesucht und trinkenderweise im Lager der Nordmänner gefunden. Ich habe Milord Timothy noch nie so aufgebracht gesehen, fast hätte er Henry an den Ohren aus dem schmutzigen Zelt gezogen.
Laut schimpfend machte Milord Timothy seinem Unmut Luft, während Henry anfangs noch überlegte, Widerworte zu geben, erkannte er aber alsbald den Ernst der Lage und gab sich demütig. So kehrten wir in unser Lager zurück, wo Herr Timothy sich Gedanken über Satisfaktion machte. Er schickte mich zu den Bretonen, Henry zu den Dureonen und Jacob zu Herodin von Kustor. Während ich bei stolz zurückkehrte mit guter Nachricht von den Bretonen, die ihren Leumund an die Seite des Earls stellten, kam Henry mit verhaltenen Nachrichten und Jacob gar nur mit schlechten Neuigkeiten. Denn Herodin von Kustor hatte Jacob nicht einmal empfangen!
Nun, edel wie Herr Timothy ist, versuchte er erneut Herodin das Verlangen nach Satisfaktion anzutragen, die er zur Mittagsstunde des nächsten Tages verlangen wollte.
Doch erneut wurde abgelehnt.
Wir verließen das Lager und kamen in einer nahe gelegenen Ortschaft unter, wo ich alles versuchte, die Lagerstatt für Milady so bequem wie möglich zu machen.
Als wir zurückkehrten, selbstverständlich mit einer ordentlichen Anzahl an Wachen, sprangen uns sogleich die Männer des Kronprinzen in den Weg und verweigerten uns den Durchlass. Sie gaben sich herablassend und ließen Milady und Milord mitten auf der Straße stehen. Eine nordische Frau bewies mehr Anstand als der gesamte Adel, indem sie die Soldaten anherrschte, wenigsten einen Stuhl für die Dame zu bringen, was auch sofort geschah.
Irritiert, doch noch gelassen nahm Earl Timothy diesen Affront hin, er wollte auch nicht das Leben seiner Schwester gefährden. Bald sollten wir erfahren, was zu diesem Verhalten geführt hatte. Einige Chahadra waren wohl in das Land eingefallen um die steten Beleidigungen am Earl zu rächen und auch dieses unflätige Schamanenweib hatte ihre Finger im Spiel und hatte die einfachen Wüstenkrieger aufgestachelt. Es dauerte eine Weile, bis der Earl den Lord Herodin davon überzeugen konnte, das unsere Mannen nichts damit zu tun hatten.
Tatsächlich entschuldigte Herodin sich auch für die Affronts des vergangenen Tages. Aufrichtig, wie es schien, doch weit gefehlt.
Man jagte die Schamanin, setzte sie fest und in etwas, was die Nordmänner Gottesurteil nennen, wurde sie hingerichtet.
Während Milady mit den Bretonischen Damen Kricket spielte, führten die Männer irgendwelche Verhandlungen, die darauf hinausliefen, dass der Earl den Hauptmann der Söldner ausliefern sollte, als Beweis für seine Unschuld. Sofort schickte Earl Timothy sein Mannen aus, und nur kurze Zeit später gelang ihnen, was den Wachen Herodins und des Kronprinzen nicht gelungen war.
Earl Timothy übergab den Söldner an die Bretonen, die ihn befragten. Milady war dieses ganze hin und her zu viel, sie legt sich erschöpft zur Ruhe. Wie gut, dass sie das getan hatte, so bekam sie nicht mit das Henry eine unserer Wache hinrichten musste, weil er ihn dabei ertappte, wie er zu der widerlichen Schamanin und ihrem dunklen Blutkult betete. Während wir noch über diese Ungeheuerlichkeit sprachen, erschien plötzlich eine Abordnung schwer gerüsteter Krieger vor unserem Lager und erklärten, der Söldnerhauptmann habe Earl Timothy beschuldigt, ihn bezahlt zu haben.

Was für eine Frechheit dem Wort eines bezahlten Mörders mehr zu glauben als einem Hochwohlgeborenen!
Natürlich ließ Earl Timothy sich dies nicht gefallen und befahl seinen Männern ihn zu schützen. Es kam zu einem Scharmützel, bei dem sogar ich beinahe verletzt worden wäre! Man stell sich nur vor, was geschehen wäre, wäre meine edle Dame nicht in ihrem Quartier gewesen. Ich mag gar nicht daran denken.
Earl Timothy’s Männer wurden überwältigt und er selbst abgeführt. Ratlos blieb ich mit einigen Dienern zurück. Einer der Bretonischen Adeligen kam noch einmal zurück, ich fragte ihn, was nun geschehen solle, vor allem mit Milady. Er versicherte mir, das Milady Mary Louise sicher wäre und unter dem persönlichen Schutz aller Bretonen stand, das gleiche würde auch für mich als ihre Zofe gelten. Sollte irgendjemand es wagen, sie zu beleidigen, sie anzufeinden oder gar sie anzugreifen, würden die Bretonen für ihre Sicherheit sorgen. Allerdings vergaß er nicht zu erwähnen, dass dies natürlich nur in diesem Landstrich gelten würde, da niemand außerhalb des Landes für Miladys Sicherheit garantieren kann. So sitzen wir also fest, während Earl Timothy im Gefängnis schmachten muss und Milady mit Herodin über Besuche verhandeln muss.
Welch eine Schande, währen wir doch nur nie in dieses vermaledeite Land gereist. Ich fürchte, was die Zukunft bringt.

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