Von Hexen, Dämonen und sauber-Männern – Anka in Agnatien – Tag 4

Am nächsten Morgen kletterte ich aus dem Zelt und mir bot sich ein bizarrer Anblick. Herr Ekarius hatte die umgeworfenen Möbel bereits wieder aufgestellt und war dabei, Scherben von einem zerbrochenen Krug zusammenzufegen. Auf der Bank lagen abgeworfene Klauen, auf meinem Tisch neben dem Zelt ein Horn und Zähne. Im ganzen Lager verteilt fanden wir Überreste von einem unbekannten Wesen. Klauen, Hörner, Zähne, aber auch Kleidung. War hier ein Dämon ins Lager eingebrochen, wollte in mein Zelt eindringen, hatte alles verwüstet und sich schließlich vorm Verlassen noch verändert? Wir waren erschrocken!

Beim Frühstück lachten mich die Männer noch aus, weil der Dämon in mein Zelt kommen wollte. Doch ich drehte schnell den Spieß um, das hatten sie sich wohl so gedacht. Wüste Beschimpfungen und laute Vorwürfe bekamen sie von mir zu hören. Ein Dämon! In unserem Lager! Der war doch nur hier hineingelangt ob der vielen unreinen Handlungen, die die Männer jetzt zwei Tage lang getrieben hatten! Der roch doch sicher den Sündenpfuhl, in den sie unser Lager gestürzt hatten. Und war der Dämon nicht sogar aus meinem Zelt geflohen? Und sicherlich wegen meines standfesten Charakters! Und ist das Vorkommen eines Dämons nicht der eindeutige Beweis, dass hier eine Hexe am Werk war?  Ekarius und Decius stimmten mir recht bald zu, doch Herr Alistair ließ sich nicht beirren. Er schien mir schwer verwunschen geworden zu sein.

Auch heute griffen die Blutsbarbaren immer wieder an, doch schienen die Angriffe schleppender zu kommen. Stattdessen hatte der Fürst von schräg gegenüber, dessen frau meine Bowle so sehr mochte zu Versammlungen aufgerufen. Es war heiß an diesem Tag und die Versammlungen lang und langweilig. Der merkwürdige König der Klinkenwölfe mit seinem unmenschlichen Gefolge saß arrogant an einer Seite, Jarl Dalvon von den Dureonen prunkte an einer anderen. Zwischenrufe störten sämtliche Verhandlungen und mir wurde es bald zu heiß. Eigentlich wollten wir einem Nachbarn von uns den Rücken stärken, der hier für seinen Gott eintreten und den König der falschen Ritualskunst anklagen wollte. Doch auch diesem Auftritt wurde die Luft schnell genommen und weiter verhandelt. Es war schwer.

Später habe ich gehört, dass tatsächlich bei einer Versammlung festgestellt worden ist, dass die Klinkenwölfe nicht rechtens gehandelt haben und sie mittels eines Zaubers plötzlich verschwunden sind. Was das aber für die Expedition und die Menschen hier bedeutet, weiß ich nicht.

Als Fidolin uns einmal in unserem Lager besuchte, kramten Herr Ekarius und Alistair den abgeschlagenen Kopf wieder heraus. Weiß der Geier, wo sie den doch gelagert hatten. Ich konnte jedenfalls kaum mehr eine Ähnlichkeit entdecken und verlangte, dass der Kopf sofort entsorgt wird!

Gegen Mittag trat Jarl Dalvon auf mich zu und erzählte mir, dass die Dureonen heute Lordag hätten – Waschtag. Sie bräuchten eine Waschmagd, die die Jungs richtig sauber machen würde und ich mir das zutrauen würde, natürlich gegen Bezahlung. Mir waren in den letzten Tagen diese wilden Nordmänner ans Herz gewachsen und ich sagte zu. Mit einem großen Eimer, Kernseife und einer harten Bürste machten wir uns auf den Weg zum See. Tags zuvor war dem See noch ein Monster entstiegen, doch die Nordmänner zeigten keine Angst und einer nach dem anderen sprang in das Wasser. Einer von ihnen, Eykjar genannt stürzte sich so übermütig hinein, dass er mit dem Kopf im sandigen Boden stecken blieb und herausgezogen werden musste. Dann setzten sich die Männer einer nach dem anderen artig und barbusig vor mich auf eine Bank und ließen sich den Rücken schrubben, bis sie rot und sauber waren. Zur besseren Durchblutung schlug ich sie noch mit sauberen Tannenzweigen ab. Eine schöne Tradition und vielleicht führe ich das bei uns in Gergonsmund auch ein. Ein Waschtag in der Taverne? Hmm… da fällt mir schon was ein. Allerdings war ich danach nasser, als das Dutzend Männer zusammen.

Als wir wieder in die Lager zurückkehrten, sauber und erfrischt, sah ich, dass Henna und Heinrich wieder da waren. Henna gefiel das anscheinend gar nicht, dass ich als Waschweib den Nordmännern ausgeholfen hatte, denn er verfolgte mich mit bösen Blicken, doch ich ignorierte ihn. Das, was Alistair und Ekarius tags zuvor gemacht hatten, ließe sich ja wohl weitaus schlimmer einstufen. Obwohl Herr Ekarius mir in einer ruhigen Minute sagte, dass er einen rechten Sinn damit verfolgt hatte. Dieser Sinn hat sich mir allerdings noch nicht eröffnet.

Dennoch kamen die Mädchen plötzlich mit einem großen Gefolge und aufgeregt zu unserem Lager und riefen Herrn Alistair zu, dass sie eine Hexe gefunden hätten! Die Männer zogen mit dem Mob mit und begutachteten den Fang, es wurden hexenproben durchgeführt und tatsächlich konnte Herr Alistair sie schließlich überführen. Damit sie aber nicht lebendig verbrannt werden müsste, weil das unmenschlich sei, wurde sie zuvor niedergestreckt und dann vor unserem Lager in die Flammen geworfen. Ich rieche das verbrannte Fleisch heute noch. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen…

Mir wurde plötzlich ganz kalt und ich musste mich hinlegen. Ich fühlte mich gar nicht gut, doch auch die anderen klagten über die verschwindende Hitze und fröstelten. Kleine Eisblumen fanden sich auf den Gläsern von Bruder Decius Kolben und Reagenzgefäßen.  Was war geschehen? Der Fürst betrat schließlich unser Lager und berichtete uns, dass am Ende des Sees eine Wand aus Eis gefunden worden war, die auftauchende Dämonen hinter einer Barriere gefangen hielten. Deshalb war es also so kalt geworden und die Angriffe verebbten?

Und doch schienen sich die Barbaren ein letztes Mal zu sammeln und griffen das Lager im Dunkeln an. Ich lief zum Kampfplatz, auf der Suche nach Ekarius, den ich schon länger nicht gesehen hatte. Alistair blieb im Lager, aber Henna kam mit und ich versorgte einige Verletzte.

Plötzlich wurde mir schwarz vor Augen und ich war ganz woanders. Ich stand vor einem Haus, auf dessen Balkon eine Frau stand. Mächtig, Schwarz. Mit Hörnern und Schwingen sprach sie laut in den Abendhimmel. Sie redete mit einem gewissen Thanatos, dass er sich nicht bewährt hätte und jetzt ersetzt würde von… ich weiß nicht mehr wem. Sie lachte und schimpfte gleichzeitig und tanzte dabei in einem Reigen, der abstoßend und erregend zugleich war. Wie gespannt sah ich auf diese Frau, bis sie schließlich verschwand… und ich mitten auf dem Felde wieder aufwachte.

Verwirrt gingen Henna und ich zurück ins Lager, wo die anderen auf uns warteten. Für den Rest des Abends war ich sehr still. Ich konnte all das nicht begreifen. So viel war in den Tagen geschehen und auch das Singen und feiern mit unseren Freunden ließ mich nicht so recht aufheitern. Morgen würden wir aber endlich wieder abreisen. Zurück nach Gergonsmund in meine Taverne. Mit dem kleinen Runenbeutel in der Hand schaute ich hinüber in das Dureonische Lager. Wann würde ich sie wiedersehen? Ich füllte erneut Ivans Krug, den er ständig vergaß und dabei stieß mein vergoldetes Essbesteck klimpernd gegen den Tisch. Würden die Knochenwalder bald wieder an unserer Seite sein? Ich machte mir Sorgen. Um meine Taverne, um meine Freunde, die alten und die neuen. Mein Blick fiel auf Peters Brief, den ich vor meinem Zelt auf dem Tisch hatte liegen lassen. Würde Ekarius sich mit Peter schlagen, obwohl ich versucht hatte ein Missverständnis aufzuklären? Nachdenklich ging ich früh zu Bett. Morgen. Morgen müsste das Lager abgebaut und heimgefahren werden. Wer weiß, was das Schicksal noch für uns geplant hat.  

by Anka

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