Von Brom und Freya begleitet stieg ich in Theotmund vom Schiff. Brom hatten wir auf der Fahrt kennengelernt. Er ist zweiter Sohn eines Schmiedes und alleine unterwegs, um die Welt zu entdecken. Wie viele Abenteuer lagen doch noch vor ihm. Ich dachte zwölf Monde zurück, als es mir ganz genauso ging. Grün hinter den Ohren, auf der Suche nach meiner Tante strandete ich auf Theotmalli und damit begann meine Reise durch Trum und noch ganz andere Welten. Was hatte ich bisher nicht alles gelernt und geschafft. Ich bin jetzt Wirtin! Unfassbar…. Ich habe tatsächlich meine eigene Taverne! Mit diesem Gedanken betrat ich erneut das Gasthaus zum Verfluchten Krug…
Wir belegten unseren altbekannten Platz am Kamin. Die Tyra Lorena betrieb wieder das Casino und die Taverne wurde sehr schnell voller. Plötzlich betraten Henna, Ekarius, Elder und noch eine Frau den Raum. Oh Himmel! Es ging allen gut! Sie waren da! Ich freute mich sehr. Elder war ziemlich düster gestimmt und ich sah auch schnell, woran das lag: Ihre Hände waren rot verbrannt und sahen ganz fürchterlich aus. Sie erzählte, dass ihr während des Angriffs auf Siebenhöfen ein brennender Balken auf die Hände gefallen war. Henna hatte sich bei der Rettung von solanischen Kindern den Arm gebrochen, nur Herr Ekarius war scheinbar unverletzt und recht fröhlich gestimmt.
Die Frau, die meine Freunde begleitete hatte einen Bart. Hatte man sowas schonmal gesehen? Es handelte sich hier wohl um die durchaus berühmt-berüchtigte bärtige Sieglinde! Sie hatte traumhaft schönes Haar und warf sich ständig den stattlichsten Männern an den Hals, so auch bei Henna. Der schien das Schauspiel zu genießen, wie sehr sie ihn feierte. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll…
Als Herr Alistair mit der Novizin den Raum betrat, die ich beide schon in Gergonsmund gesehen hatte, schrie Elder plötzlich laut auf. „MÖRDER!“ klang es durch die ganze Taverne und es wurde still. Ich zog den Kopf ein und bemerkte halb, wie sämtliche Hände zu Waffen wanderten. Ein Orc stürmte herein und wollte wissen, was los sei. Der hatte wohl Lust auf Stress. Ich bekam noch mit, dass Herr Ekarius, Elder und Herr Alistair die Situation recht schnell klärten. Es gab wohl eine Verwechslung. Elder, noch sehr betroffen von dem Anschlag auf Siebenhöfen hatte gehört, dass es sich um Sonnengläubige handelte, die diesen furchtbaren Angriff ausgeführt haben sollten. Und auch sie hatte von der Ehrung des Bruders Lammfromm auf Champa gehört und Herr Alistair war nun einmal sein steter Reisegefährte. Doch beteuerte dieser eben, dass er mit der ganzen Sache auf Trum nichts zutun hätte und Elder war vorerst wieder beruhigt. Oh Himmel, was bin ich froh, dass Peter nicht da war… Er hätte es vielleicht nicht lebend von Theotmund zurück nach Trum geschafft… Ich muss mir etwas überlegen, wie ich meine Freunde wieder in Frieden zusammenbringen kann…
Dieser große Konflikt auf Trum, der sich bereits zu einer wahrhaftigen Fehde und fast schon zu einem ausgewachsenen Bürgerkrieg entwickelte schlug auch mir auf den Magen. Ich verstehe das alles nicht. So ging ich zu Henna und Herrn Ekarius, um ihnen zu berichten, dass ich vor Kurzem mit einem Weibel der Sense ein Gespräch hatte. Ich denke mir bei sowas nicht viel, wie auch? Ich hatte ihm erzählt, dass ich zwei Freunde bei der Mauerwache habe, die durchaus gute Menschen sind. Das ist doch nicht gelogen! Und was will das einen Weibel schon interessieren, was eine Schankmaid – jetzt Wirtin! – für Freunde hat? Henna und Herr Ekarius waren dennoch nicht erfreut. Sie meinten zu mir, dass sie jetzt verstärkt auf ihren Rücken achten müssten… und ich auf den meinen. Warum? Ich verstehe das alles nicht und das macht mir Angst. Sollte ich tatsächlich bald auf Söldner angewiesen sein? Und wie sollte ich die denn bezahlen? Herr Ekarius beruhigte mich allerdings und meinte, er könnte da vielleicht noch etwas tun mit einem Jockel, oder so… Doch das ungute Gefühl blieb dennoch bestehen.
Noch mehr Angst bekam ich, als Herr Tannweiler mich zu einem Gespräch bat. Nun ja, immerhin konnte ich ihm berichten, dass ich nun wahrhaftig eine Wirtin sei und er sicher nicht mehr lange auf sein Geld warten müsste. Das hat ihn sehr gefreut. Trotzdem sah er mir tief in die Augen und meinte, dass er den Kredit auch noch einmal halbieren würde, wenn ich ihm helfen könnte. Ich helfe gerne! Er drückte mir ein paar Goldklumpen in die Hand und ich schaute ihn groß an. Was das für eine Stadt sei, in der ich die Taverne eröffnen würde. Ich erzählte ihm von Gergonsmund. Wie sehr ich diese Stadt liebe! Sie ist so groß und bunt und laut und schön. Er sagte mir, ich solle ihm jeden Mond einen Brief mit ein paar Einnahmen schicken, um den Kredit abzubezahlen und zusätzlich notieren, was so wissenswert wäre. Ohje. Hatte ich doch gerade gelernt, dass ich vorsichtig sein muss mit dem, was ich sage. Aber er will wissen, was es für Waren zu welchen Preisen gibt und welche Leute bei mir ein und ausgehen und wer wichtig in Gergonsmund ist. Das traue ich mir schon zu – und wenn es dafür einen halbierten Kredit gibt? Doch dann drückte er mir noch einen weiteren Klumpen Gold in die Hand, rief seine Berserker-Söldnerin zu sich und sagte, dass ich sonst Besuch von ihr bekäme, wenn das nicht funktioniert. Ich starrte sie an – sie schnaubte und drehte sich wieder um. Es lief mir eiskalt den Rücken herunter, denn sie war wirklich furchterregend! Und dieser Besuch war sicherlich kein Freundinnenbesuch, bei dem man sich gegenseitig die Haare flocht… ich lächelte ihn noch einmal verunsichert an, verabschiedete mich und floh regelrecht aus dem Raum.
Als dann noch mein Gönner, der Herr Böttcher die Taverne betrat, war es bald völlig um mich geschehen. Er drückte mir eine weitere Auflage für meine Schänke in die Hand und ich wollte nur noch in Tränen ausbrechen. Ich schaffe das nicht. So vieles ist zu beachten und zu bedenken und zu tun und zu regeln. Ich schaffe das nicht… Ich hätte niemals dem Wahn verfallen dürfen, eine eigene Taverne zu eröffnen. Ich hätte eine einfache, fröhliche Schankmaid bleiben sollen. Das ist einfach zu viel für mich!
Freya lenkte mich indessen wieder ein wenig ab. Sie ist eine wahrhaft gute Freundin. Ich begann wieder zu lachen und nachdem ich mit Herrn Ekarius, Herrn Alistair und auch mit Krähe ein paar Schlucke von meinem Feentrunk genommen hatte, sah die Welt schnell wieder rosaglitzernd aus. Wir Mädchen saßen zusammen und tuschelten über Männer. Ich saß neben Henna und blinzelte ab und an zu ihm rüber, um zu sehen, ob ich mit meiner Vermutung Recht hatte, dass er der heimliche Schreiberling meiner Briefe war, doch er verzog keine Miene. Also sprach ich den Herrn Böttcher an, ob er schon ein Weib habe. Er verneinte und sagte, er bräuchte noch eine Braut, um sein Vermögen Söhnen vererben zu können. Doch sollte er keine finden, würde er irgendwen adoptieren. Auf meine Frage, ob er nicht eine Wirtin, dessen Gönner er war ehelichen würde, schaute er mich abschätzend an, lächelte und sagte ja. Ich machte erst große Augen und lachte dann. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Herr Ekarius Henna anstarrte und Elder fragte direkt Herrn Alistair, ob er nicht Trauungen vollziehen könnte. Einen kurzen Moment waren wir alle still. Dann sah ich Herrn Böttcher an, lachte und verneinte das ganze wieder. Der unangenehme Moment war vorüber. Aber… geht es wirklich so schnell, einen Mann zu finden, der für mich sorgt?
Den Rest des Abends verbrachten wir mit trinken, singen und feiern. Der Feenstaub hinterließ genau die Wirkung, die ich brauchte. Ich wurde wieder entspannter, ausgelassener und flog, wie auf Wolken! Das wird großartig, wenn ich den erst in meiner Taverne einsetze! Jeder wird fröhlich sein und gerne wiederkommen. Neben dem guten Met von Brunhilde war ich heute selbst mein bester Kunde und verlor mich in der Wirkung von der rosa Glitzerkraft.
Freya und ich hatten große Freude an dem Gesang und auch den anderen Gästen schien das recht gut zu gefallen. Ein Lied nach dem anderen schlich sich in unseren Kopf und trat wohl vertont hinaus in den Schankraum. Es war ein Fest. Herr Alistair fragte mich später sogar, ob ich nicht einmal in seinem Kloster zum Ruhm von Ignis singen könnte. Etwas eingeschüchtert, doch mit Feenstaub im Kopf sah ich ihn an. Ich könne ihn doch auch mal begleiten auf einer Heerfahrt und dort zur Erbauung der Krieger singen, sagte er. Ich denke, das könnte mir Freude machen. Also schlug ich ein. Als Lohn dafür erhielt ich von Herrn Alistair einen Ablassbrief für meine Sünden. Ich dachte an mein loses Mundwerk – Vielleicht hatte ich gar kein schlechtes Geschäft gemacht.
Außerdem berichtete mir Herr Alistair von einer einfachen Methode, wie man an Feenstaub kommen könnte. Schließlich würde ich bald meinen Feenstaub groß einsetzen und bräuchte sicherlich irgendwann Nachschub. Da hatte er Recht. Ich hatte mir da auch schon Gedanken zu gemacht, aber noch keinen Feenhändler oder Feenstaubverkäufer gefunden. Er erzählte mir, dass er auf einer Reise jemanden kennengelernt hatte, der selbst immer wieder an ein wenig Feenstaub gelangte. Und zwar müsse man einfach nur nach jedem Mahl, das man zu sich nehme eine winzige Menge auf einen winzigen Teller legen, sowie eine winzige Menge des Getränks in einen winzigen Krug füllen und auf die Fensterbank nach draußen stellen. Die Feen würden das sehen und verzehren und zum Dank ließen sie immer mal wieder eine kleine Menge Feenstaub zurück. Das ist eine großartige Idee! Ich werde jetzt immer, wenn ich etwas esse oder trinke an die kleinen Wunderwesen denken und vielleicht bleibt ja sogar irgendwann die ein oder andere bei mir, damit ich sie kennenlernen kann.
So endete der Abend trotz des verwirrenden Starts in einer riesigen Wolke von Träumen und Feenstaub. Ich saß noch lange an der Theke und trank und sang mit denen, die dort auch die Nacht zum Tage machen wollten. Erst spät zog Elder mich aus der Runde und brachte mich zu meiner Kammer, wo ich torkelnd auf die Schlafstätte fiel und in einen Schlaf mit zauberhaft bunten Träumen sank.
by Anka