Heute wollte ich mit meinen Mädchen wieder auf Fang gehen. Wir sind erst seit Kurzem in Wilgau und haben uns doch recht schnell etabliert, wie mir scheint. Die Wirtin des Roten Ankers kennt uns bereits und lässt uns dort klaglos arbeiten. Was ist das hier auch für ein Drecksviertel. Aber gerade hier finden sich die richtigen Leute für neue „Freundschaften“.
Jette war bereits heute früh schon auf offener
Straße gebucht worden, als sie Wasser für uns holte. So gingen also
Glenda und ich alleine zur Kaschemme hinunter. Nur eine Straße weiter
hatten wir uns eine kleine Kammer gemietet, die wir nutzen könnten für
jedwede Geschäfte, die so anfielen.
Als wir in den Anker kamen, war
dort schon einiges Gezücht angekommen. Ein schmutziger Bauer mit offenem
Blick, ein paar Händler mit großen Geldbörsen, eine kleine Gruppe
buntes, fahrendes Volk und andere Gäste. Glenda wippte aufgeregt neben
mir hin und her, während ich meinen Blick schweifen ließ. Sie war noch
so jung und unverdorben. Möge ihr niemals passieren, was ich
durchgemacht habe.
Ein gutaussehender Söldner mit zwei Gefährten suchte sich einen Tisch und warf einen Blick zu uns, der Glenda direkt aufstrahlen ließ. Soso, sie hatte also ihren Freier des Abends auserkoren. Nun denn, er sah recht gut betucht aus. Vielleicht ließe sich ihm auch das Kind unterjubeln, das bereits in ihrem Bauch wuchs.
Mein Blick fiel auf den Kaufmann mit seinen Spielgefährten am ersten Tisch. Er sprach einen merkwürdigen Akzent und klimperte immer wieder mit seinem Beutel. Ich zog meinen Schleier vor mein Gesicht und beobachtete die Szene weiterhin, während Glenda immer wieder zu den Söldnern zwinkerte. Da tauchte endlich Jette auf. Mir fiel ein Stein vom Herzen, dass sie wohlauf war. Ich strich direkt meinen Anteil ein, sie war schließlich lange genug mit dem Kerl weggewesen und musste eine Menge verdient haben.
Dann schlug ich den Mädchen vor, dass wir Schutz bräuchten für diesen Tag, welcher der Männer ihrer Meinung nach infrage käme. Und wir bräuchten einen Knecht, der uns kleinere Aufgaben erledigte. Unser Blick fiel auf den Bauern, der sich Paul nannte und den wir mit zwei Minuten mit Jette direkt für den Abend anheuerten. Ich sprach später noch mit ihm und er berichtete mir von häuslicher Gewalt und wie unglücklich er sei. Ich schlug ihm vor, die gleiche Arbeit wie die Mädchen zu verrichten. Unter all dem Dreck sah er tatsächlich recht annehmbar aus und wir wollen ja Notleidenden helfen, das ist unsere Berufung. Er würde für mich arbeiten und dafür Schutz und Unterricht bekommen. Paul schlug ein. Habe ich neben der Tuberkulose-Hetti nun meine Vögelchen um ein weiteres Hähnchen aufgestockt.
Die Mädchen lachten sich einen bunten Söldner mit langem Bart an, der acht Kupfer für den Tag forderte. Acht Kupfer ist nicht wenig. Und er hatte eine große Klappe. Aber daneben schien er sehr tatkräftig zu sein und so schlug ich ein. Das erwies sich als sinnvoll. Er achtete auf die Mädchen und auf mich und verrichtete an dem Abend noch diesen oder jenen unangenehmen Dienst in meinem Namen. Doch als er erfuhr, dass er hier für die Distel aus Gergonsmund arbeitete, zog er plötzlich den Schwanz ein und forderte sein Geld. Ich bekam ein ganz ungutes Gefühl. Hatte er schon einmal Geschäfte mit uns gemacht? Würde er nun ein Auge auf mich haben und bei mir ebenso schnell durchgreifen, wie bei dem Drogenhändler, den er hinter die Ecke zog, um ihm die Kehle durchzuschneiden?
Als er uns nun so plötzlich verließ, brauchten wir neuen Schutz. Und jetzt erst Recht. Ich hatte kein gutes Gefühl mehr. Also lachte wiederum Glenda sich einen Söldner an, der sich zuvor schon ein paar Augenblicke mit ihr erkauft hatte. Immerhin ein Mann, auf den wir zurückgreifen konnten. Doch da sprach mich plötzlich der Söldner an, der so reich aussah und ständig mit meinen Mädchen anbandelte. Er war mir jetzt schon länger ein Dorn im Auge gewesen, denn er erspielte sich die Gunst meiner Mädchen, statt dafür zu zahlen. Gutgläubig und naiv, wie meine Vögelchen sind, hatten sie beide sich schon jeweils für einen halben Abend verspielt und mir ging das Geld durch die Lappen. Zumal ich dem Herren nicht traute. War er solch ein Mann, der meinen Mädchen etwas antun würde, so, wie mir es einst geschehen war?
Er sprach mich jedenfalls an und schlug vor, den Dienst für uns zu übernehmen, wenn ich mit ihm spielen würde. ich setzte mich zu ihm und wir sprachen, und schnell wurde mir klar, dass ich niemals mit ihm spielen würde. Er war ein Meister seines Faches und eine andere Frau warnte mich zusätzlich davor. Den Mann würde ich den Rest des Abends im Auge behalten. Und meine Mädchen würde ich nicht mehr in seien Nähe lassen, soviel war klar. Musste sich Glenda eben einen anderen potenziellen Vater für ihr Kind suchen, ich war sicher, sie würde das schaffen.
Alles in allem war es ein recht erfolgreicher Abend gewesen: Die Mädchen hatten gut Kupfer eingestrichen, ich hatte einen neuen „Freund“ in dem Händler gefunden, der mir als „Freundschaftsdienst“ eine Schwangerschaft-blockierende Muschel für Jette geschenkt hatte, nachdem ich ihm erzählt habe, dass man mit der Distel doch wohl befreundet sein sollte. Er wurde dennoch übermütig und musste von unserem Söldner wieder auf den Boden geholt werden. Jeder, der das gesehen hatte, würde es sich erst einmal überlegen, ob er sich mit uns anlegt. Zurecht! Wir sollten uns hier schnell einen Namen machen. Auch mit zwei Mönchen habe ich länger gesprochen, doch entzogen sie sich meinem Charme. Vielleicht schreckt die Narbe doch zu sehr ab… Verflucht seien die Männer, kleinschwänzige, hohle Früchte! Die fahrenden Leute kamen uns nur bedingt in die Quere und ich veranlasste zur Vorsicht, dass ihnen etwas untergeschoben werden sollte. Ich bin nicht sicher, ob das noch geklappt hat. Das Drogengeschäft habe ich schnell unterbinden können, so dass der Ruf der Distel nicht geschädigt werden kann. Und ich konnte ein neues Vögelchen anwerben. Den farbigen Söldner sollten wir im Auge behalten. Ansonsten denke ich, dass es ein guter Einstieg in diese Stadt war und, wenn wir weiterhin so erfolgreich sind, diese große Stadt unter den Schutz der lila Distel stellen können, wie es einst in Gergonsmund begann.
by Lyrraine – Distelspinne von Wilgau