Sollten Clariter selbst arm sein?
Der Kirchengelehrte Lorenz Milchkraut über die Armutsfrage der Clariter, aus dem 39. Ratsjahr.
Liebe Brüder und Schwestern,
die Frage, ob die Gefolgschaft der leibhaftig Grundgütigen zur Armseligkeit verpflichtet, entflammte seit unserer Ordensgründung und Schlug Flammen, höher als die des Stadtbrandes Siebenhöfens. Ich möchte es wagen, durch das eiskalte Wasser der Logik, den Rauch zu lichten und die Glut zu löschen.
Die Schriften zeichnen die Heilige als Frau von hohem Adeslstand und Reichtum. Allein daher schon ist jede Verdammung von Reichtum abgewiesen. Doch die Schriften fügen hinzu, all dies sei ihr ohne Wert gewesen. So wissen wir, nicht der Reichtum ist schändlich, sondern seine Durchdringung unserer Werte, ich will sagen, das Anhaften am Besitz sei hier gemeint und noch mehr die Gier.
Es gibt auch keine Ausflüchte, der eine oder andere unter euch besäße nur bescheidenen Wohlstand. Nein, dies alles war Klara ohne Wert, bis auf den letzten Kupfer.
Weiter steht geschrieben, die leibhaftig Grundgütige gab ihr Vermögen für die Armen- und Krankenfürsorge. Es sthet nicht geschrieben, ob sie all ihr Vermögen hergab. Tatsächliche Tatsache scheint es zu sein, dass sie nicht alles verausgabte. Denn wir lesen weiter, wie viele Ritter um ihre Gust buhlten. Nun ist es ritterlicher Sittenbrauch, dass nur wohlhabende Frauen von Rittersleut umworben werden dürfen. Gar selten würde ein anständiger Ritter gemeines Gesinde besingen. Ein Indiz, wenngleich noch kein Beweis.
Doch die Schlinge um die wahrheit zieht sich zu. Denn daraufhin, als sie die buhlenden Ritter längst hinfortgesand, lesen wir, war ihr die Fürsorge höher als ihr eigenes Vermögen. Sie hatte also noch Vermögen, nachdem die Ritter wieder gegangen waren. Erinnern wir uns, die Ritter kamen, weil sie hörten, wie die Heilige das Vermögen unter die Armen verbrachte, gingen wieder weg und danach hatte unsere Heilige noch immer Vermögen. Wir können also mehr als nur annehmen, dass Clara nicht all ihr Vermögen sogleich ausgab, sondern gut kalkulierte.
Und wollen wir wirklich glauben, sie wäre in Lumpen herumgereist? Dagegen sprechen zu viele Fakten. Denken wir an das Wunder der siechen Bettelpilger am goldenen Pilgerschrein, deren Glaube an Clara ihre Lumpen in prächtige Gewänder wandelte. Wie wäre das möglich gewesen, wenn Clara solcherlei verachtet hätte? Nein, wir lesen sehr wohl, dass sich Clara im Klaren war, wie Repräsentation auf Menschen wirkt. Es wäre nicht genug gewesen, das siechende Lumpenpack nur zu heilen. Es bedurfte strahlender Kleider, um die Menschen staunend zu machen.
So hilft Clara auf die rechte Weise so, wie es der Jeweilige braucht. dem einen hilft sie mit ihrem Vermögen, dem anderen mit Worten. Erinnert euch an ihre Hoffnungsgeschichte Claras und des Wandermannes. Sie gab dem armen Mann, der alles verloren hatte, nicht etwa Geld, sondern schöne Worte und diese richteten ihn auf, wie es keine Schatztruhe hätte können.
Stets auch lesen wir in den Berichten, wie sich Clara mit hohen Herren und Damen unterredet. Glaubt irgend einer von euch, sie wäre im Gewand eines elend Lumpenweibes so weit vorgelassen geworden? Nein, sie muss standesgemäße Kleider getragen haben.
In Trum selbst können wir uns die Wohlstandsfrage aus Details der Berichte erschließen. So bezeigt das geschriebene Wort, wie die Heilige ungeachtet ihres teuren ausschweifenden Kleides die schmutzige Hütte Meister Reinharts betrat. Ein weiterer Beweiß, dass die Grundgütige nicht alles in die Armen verspekulierte. Nein, sie kalkulierte Klug. Wo Geld war an BEdarf, gab sie Geld, wo die Stunde Uhr Worte oder Taten schlug, da tat Taten und Worte. Gelobt sei sie auf immer!
Was heißt das nun für uns Clariter? Zum einen, dass wir uns des Eigentums nicht schämen müssen, wie hoch oder niedrig es immer auch ausfällt. Es spricht nichts dagegen, alles über die Armen zu schütten. Aber es spricht auch nichts dafür. Allein gebietet das Gebot, unser Eigentum für die Fürsorge zu verwenden und ihnen über dies uns dem glänzenden Mammon keinerlei Anhaftung zu erlauben. Aus den Schriften entnehmen wir, wie gut es ist, gut zu kalkulieren und nicht jedem Geld zu geben, sondern stattdessen auch schöne Worte, wenn diese angebracht sind. Dies ist preiswerter und so ist mehr für alle dar.
Unsere trumländischen Ordensregeln berücksichtigen diese Fakten längst, sich ursprünglich allein auf Claras Ausspruch berufend, Fürsorge sei ihr die feinste Minne, mit anderen Worten, schöne Worte sind für so manchen Armen so gut wie Brot.
Für uns Clariter heißt in Gefolgschaft der Grundgütigen zu stehen, die Ausgaben zu kalklulieren und uns nicht selbst in die Armut zu treiben. Denn gelegentlich benötigen wir neben schönen Worten doch mal einen Taler, wenn wir die Armen auch mit Brot füttern wollen. Oder denkt an die Unkosten für die Poeten, die wir bezahlen, damit sie in den Armenhäusern Lyrik der Hoffnung hineinrufen. Das kostet oft mehr als das ganze Armenhaus. Ein guter Clariter ist auch imemr ein guter Kalkulator!
Drum verwendet euren Besitz für die Fürsorge! Aber dazu gehört auch, euch selbst nicht fürsorgebedürftig zu machen. Denn stellt euch vor, Ihr werft euch in die Armut und eure Brüder und Schwestern müssen euch auch noch versorgen, neben all den anderen Armen. Dann nehmt Ihr diesen Armen einen Fürsorgeanspruch weg, ja Ihr wäret schändliche Diebe, wenn ich das so sagen darf. Ihr sollt immer die sein, die Fürsorge leisten und dazu gehört eine grundständige an Eigenbedarfssicherung.
So hoffe ich nun, diesen Disput erstickt zu haben, auf dass wir nicht länger darüber diskutieren, ob wir selbst lieber arm wären, sondern hinausgehen und den Armen zurufen: „Schaut her, wir sind Clariter! Wir akzeptieren eure Armut!“