Gründlich sortierte Jakub Pfefferpfennig die Briefe. Das Jahrestreffen des Handelshauses Böttcher stand bevor und es gab noch viel zu tun. Er stand noch nicht lange in Böttchers Diensten und hatte nicht weniger als den kometenhaften Aufstieg des Handelshauses durch seine selbst entwickelte Aufstiegsformel versprochen. Noch lag der Komet am Boden, noch war die Bezahlung schlecht. Als ehemals eigenständiger Kaufmann kam Jakub in Böttchers Dienste, nachdem er sich vor nunmehr sieben Jahren in Neuahornbach mit einem Tempel-Freudenhaus-Kooperation verspekulierte. Aber eines Tages würde Jakub selbst zum Handelsherren aufsteigen (wollen) und böttcherischer als alle Böttchers werden (wollen). Vorerst hieß es, mögliche Geschäftsfelder für das Handelshaus zu erkunden. Da waren die abgestoßenen Manufakturen. Hier sollte Böttcher wieder investieren.
Sein Blick fiel auf einen Brief mit bischöflichem Siegel:
„… und daher wollen wir, die Ceridische Kirche, Kirche des eynen wahren Glaubens, uns nach den erschrecklichen Vorfällen im Pilgerlager Gelbe Sonne von unseren dort eyngeleiteten Geschäften zurückziehen und diesen bozephalischen Pfuhl den Pilgern unwahrer Glaubensrichtungen überlassen, auf dasz der Eyne sie erquicklich dezimiere. Wir schreyben daher zur Übernahme aus, eyn Handschlagsvertrag mit eynem Schmied in Pizraki über das Betreyben eynes Armenhauses. Hierfür lieferten wir ihm bereits 5 Stück jungfräuliche Nonnen, die wir inklusive mit veräuszern.“
Der Blick wanderte zum nächsten Schreiben. Diesmal trug es das Siegel des Bischofs von Champa:
„… und daher wollen wir, die Sonnenkirche, Kirche des eynen wahren Glaubens, uns milde bemühen, die Pilgergenossenschaft „Gelbe Sonne“ weyterhin nach ausgewogenen Kräften punktuell zu unterstützen. Die Sonnenkirche betont, dass die Unterstellung der vom Sonnen- und Ignisorden gemeynsam gegründeten Pilgergenossenschaft unter ausschlieszlich Surabatsches Ignis-Recht, ein Verstosz gegen den Gründungsvertrag darstellt. Unsere wytere Unterstützung der Pilgerschaft sieht nun so aus, dasz wir Sonnenpilgern aus Trum vom Besuch des Alisea-Schreins abraten. Es handelt sich um eyn sehr gefährliches und verdorbenes Land. Diese Masznahme sey unsere Unterstützung der Logistik des Pilgerlagers, die fortann eynfacher zu bewerckstelligen syn sollt. Doch dem nicht genug, möchten wir das Ignis-Lager noch mehr unterstützen, indem wir Zwischenhändler entsenden, um die Reliquiliarie der Locke der Heyligen Alisea sowie übergebliebene Pilger- und Ablsssbriefe zum Verkauf anzubieten.“
Der Rechenmeister rieb sich die Hände. Jetzt, nachdem die Kirchen die Pilgerstätte nicht länger sicherten, hatte Böttcher mit seinem Reiseschutzverleih eine Trumpfkarte in der Hand. Allerdings bewegten sich nach der Kunde vom Tode des Pilgerprobstes Alisitairs von Kirschhain nun auch die Pilgerzahlen rückläufig. Also würde er zur Jahresversammlung vorschlagen (wollen), das Handelshaus zwischen Sonnenkirche und Ignis-Pilgern vermitteln zu lassen. Eine lebendige Reiseroute war wichtig, denn noch eine Kunde war ihm aus zu Ohren gedrungen. In Pizraki wurden seltenste Erze gesichtet und die Erzrechte waren noch nicht verteilt. Alles formte sich zu einer großen Geschäftsidee, zu einer großen Zukunft, zu grenzenlosem Gold und Weybsvolk und reputationsträchtiger Eheaussichten, vielleicht mit einem Weybe aus dem Adel.
Von güldengolder Ekstase verzückt, lief Jakub der Speichel aus dem Mundwinkel. Die Kirchenglocken mahnten von draußen her. Also nahm er ein paar Kupferstücke und begab sich zur Beichte. Heute war Montag, da waren die Ablassbriefe besonders günstig.
