Schreiben, Schwerter, Scherereien – Anka in der Taverne zur sprechenden Truhe

Schon länger war ich nun unterwegs, nachdem das Unglück in meiner geliebten Taverne mich aus dem schönen Gergonsmund getrieben hatte. Quasi heimatlos irrte ich umher und sammelte zumindest hier und dort neue Rezepte, immer in dem festen Glauben, dass ich noch einmal irgendwo eine neue Taverne eröffnen kann.

Ich traf in dieser hübschen Taverne am Rande eines unbekannten Weges ein. Ein bekanntes Gesicht schaute mich an, lächelte und ich erschauerte innerlich… Es war James, der Leibkoch des Ritter Kuno von Bärhegen aus Dahle bei Siebenhöfen… Dahle! Himmel, sicher war Herr Kuno auch zugegen… Dieser Tag in Dahle – und der Mord – würden mir mein Leben lang nachhängen. Ich dachte an Ekarius und wie lange wir uns schon nicht mehr gesehen hatten. Schnell ging ich zur Taverne.

Ich war noch nicht durch die Tür getreten, da sprang schon der Wirt auf mich zu – ein recht merkwürdiger Geselle, wie mir schien und warf sich in eine feste Umarmung. „Anka! Ach, wie schön, dass du mal wieder hier bist! Komm rein, komm rein!“ Dazu sei bemerkt: Ich kannte diesen Mann nicht! Und auch nicht die Taverne. Auch wenn sie mir gefiel. Ich versicherte ihm, dass er sich irren müsste, doch er beharrte fest darauf, dass ich schon einmal da gewesen sei. „Ach, hat die Truhe wieder einmal die Zeitlinien durcheinandergebracht. Das macht sie STÄNDIG!“ Truhe….? Doch der Mann kam mir leicht verwirrt vor, also fragte ich nicht weiter nach. Bis er mir einen Brief in die Hand drückte und nach einem dazu gehörenden Päckchen im Keller suchen ging. In dem Moment trat Freya durch die Tür. Liebste Freya!! Meine liebste, beste Freundin, ach wie lange schon hatte ich sie nicht gesehen! Und wie gut sie doch aussah! Das würde ein fröhlicher Abend werden, das wusste ich! Das wurde es immer, wenn wir zwei Mädchen aufeinandertrafen. Glück, Gelächter und viel Freude.

Mit ihr brach ich das Siegel des Briefs, das aussah wie Trollschnodder und wir lasen ihn gemeinsam durch. Darin stand, dass ich Waffen nach Gergonsmund schaffen sollte, niemandem davon erzählen solle und er sie in meiner Taverne abholen würde. „Auf ein fröhliches Wiedersehen in deiner Taverne. Dein H.H.“ Ja, wusste H.H. – wer immer das auch sei denn nicht, dass meine Taverne nicht mehr stand? Der Wirt namens Jorge kam aus dem Keller, schüttelte den Kopf und sagte, das Paket sei verschwunden. Umso besser. Ich machte mir keine Gedanken mehr darum. So könnte ich mit Freya einen fröhlichen Abend verbringen, nachdem wir dem Herrn Kuno unsere Aufwartung gemacht hätten.

Draußen setzten wir uns in geselliger Runde zu James, Cathleen und zwei fremden Männern an den Tisch. Freya mit ihrem einnehmenden Wesen bot allen direkt von ihren Leckereien an und fand lauten Anklang. Sie hatte auch eine Anananananas. Wir spekulierten, ob man die Blätter oder die Knolle essen sollte. Dann gingen wir zu Herrn Kuno und seiner Frau hoch zu seinem erhöhten Tisch, an dem er über all den anderen Gästen thronte – ich war so aufgeregt! Aber ich bin mir nicht sicher, ob er sich an mich erinnerte, oder dem Zwischenfall hinter der Hütte damals, was auch besser so ist. Ich brachte den hohen Herrschaften einige Getränke und erhielt zwei Kupper, feierte mit Freya, aß und sang, unterhielt mich mit den Leuten an unserem Tisch. James verweigerte mir Partou ein Rezept für mein Büchlein, der junge Mann namens Veig entpuppte sich als Alchemist mit Albträumen und ich bot ihm von meinem Feenstaub an. Feenrich ist natürlich immer bei mir und ich dachte, wenn Veig abends vorm Zubettgehen etwas Feenstaub nimmt, würde das sicher jeden bösen Traum vertreiben. Veig war unterwegs zu einer Silbermine auf Theotmund. Dorthin sollte sein Begleiter Herr Arnulf Bärenjäger ihn auf Geheiß seines Herren, der wohl Bürgermeister eines Dorfes dort war bringen. Alles in allem waren es zwei sehr angenehme Zeitgenossen, die ich sicher bald zu meinen Freunden zählen würde.

Außerdem erkannte ich in dieser Taverne jede Menge bekannte Gesichter. Aldir und Colin, die mit der Tyra Lorena unterwegs waren, sie wurden begleitet von einer kleinen Schottin und dem Elfen, den ich damals in der Taverne zur Torfnase kennengelernt hatte; La Boom und ihre spießgeselligen Gefährten aus Solania – an einen von ihnen habe ich allerdings nicht so gute Erinnerungen. Ich meine, er hätte mit dem Sternenklau auf Soodemunt und der Prügel an Ekarius zutun. Aber ich mag mich auch irren. Der starke Zwerg Brakslin Bolzentod, dem ich dereinst unter Elders Augen einen Pfeil aus dem Bein zog. Es versprach ein geselliger, entspannter Abend mit Freunden zu werden. Die Luft war warm und sommerlich, die Grillen sangen, die Getränke waren gut.

Irgendwann tauchten plötzlich Steckbriefe auf. Auf denen wurde ein dunkel gekleideter Mann gesucht und ein paar Waffen, die man zum Rat nach Gergonsmund bringen solle. Dunkler Mann und Waffen? Ich schaute mir noch einmal den Brief an und wusste…. Da ging etwas nicht mit rechten Dingen vor. Entweder, ich verbrannte sofort den Brief und wüsste von nichts, oder ich holte mir Hilfe. Natürlich fiel mein Blick sofort auf den Herrn Kuno und wer wäre besser dafür geeignet mir aus dieser Misere zu helfen, als ein kluger und ehrenwerter Ritter? Ich ging sofort mit Freya als Begleitung zu ihm und zeigte ihm den Brief. Er schaute mich misstrauisch an und schlussfolgerte, dass ich ja wohl jetzt die Hauptverdächtige wäre. „Nein, nein! Was soll ich mit Waffen und ich zeige Euch doch den Brief! Ich kann das nicht sein und weiss gar nicht, wo das Paket ist.“ Ich erzählte ihm von dem Wirt und dem verschwundenen Paket. Er schlug sich sofort auf meine Seite und fing an, das Tavernenpersonal zu befragen, um diesen peinlichen Vorfall aufzuklären. Erleichtert wandte ich mich wieder dem fröhlichen Abend zu. Nichts geht doch über ehrenwerte Ritter, die einem zu Hilfe eilen. Herr Arnulf seinerseits bot an, das Paket zu suchen. Den Finderlohn könne er gut gebrauchen und ich finde, er sei ihm mehr als gegönnt.

Herr Aldir rief mich zu sich und zeigte mir ein Rätsel, an dem er schon die ganze Zeit tüftelte. Ich versuchte es auch zu lösen und nahm es, das aus vier Würfeln bestand mit zu Herrn Veig, dem Alchemisten – Als Alchemist musste er doch ein kluger Mann sein und zeigte es ihm. Er setzte sich auch sogleich an die Lösung des Rätsels und ich sah ihm dabei zu. Obwohl ich ziemlich schnell gedanklich die Segel strich, gab er nicht auf und löste in recht kurzer Zeit das Geheimnis der Würfel. Wir gingen in die Taverne, da die Würfel angeblich der Schlüssel zur Truhe sein sollten – und Herr Veig war verschwunden. Überall suchten wir nach ihm, doch nirgends war auch nur eine Spur von ihm.

Im hinteren Tavernenraum, in dem die große Truhe steht und allerley merkwürdige Geräusche von sich gibt, hörten wir schließlich eine Stimme. Wir erkannten sie als die Stimme von Veig! Saß er in der Truhe? Wie war er dort hineingelangt? Und wie um Himmels Willen bekamen wir ihn da raus? Ich lief nach draußen, um Herrn Arnulf zu holen, der ja sein Begleiter war. Er murmelte leise etwas von Hexenkräften und dass ich schon wieder in etwas verwickelt war, doch ich überhörte es geflissentlich voller Sorge um Veig, der doch mein Freund geworden war. Und schließlich hatte ich mit all dem ja wirklich nichts zu tun. Ratlos standen wir vor diesem hölzernen Möbelstück und starrten es an und lauschten Veigs Stimme, der uns von unterschiedlichen Wildnissen berichtete, in denen er sich befand. Ein Priester namens Karl kam und versuchte eine magische Analyse mit seinem gesegneten Monokel, doch er konnte kein Magienetz finden, das er durchschneiden, oder besser „aufribbeln“ konnte. Ob die Truhe vielleicht kein magischer Gegenstand, sondern ein Tier sei, fragte ich mich und versuchte sie mit den (nicht so frischen) Fischen von Martha zu locken. Doch sie fingen plötzlich an zu zappeln und ich musste sie mit der Pfanne erschlagen. Die wollte nun doch sicher niemand mehr essen… Aldir kam mit seiner Axt, um die Truhe aufzuschlagen, Brakslin kam mit dem Vorschlag, sie aufzusprengen, doch die Magiegelehrten wehrten ab. Das könnte böse für uns alle enden! Aber wir konnten Veig doch nicht einfach in der Truhe sitzen lassen! Die kleine Ursel aus Solania lockte ihn mit Schnaps und Bildern von nackten Frauen, die sie an das Schlüsselloch hielt und der Magiebegabte Quintus V rief eine wundersame Krähe an ihn zu Veig zu geleiten und kippte plötzlich vor der Truhe um. Welch ein Desaster und Chaos! Doch Veig hatte die Würfel mit auf der anderen Seite, er löste sie schließlich ein weiteres Mal, vielleicht spuckte die Truhe ihn dann wieder aus?

Nach langer Zeit und quälenden Sorgen rief Veig aus der Truhe plötzlich, er sei in einem fremdländischen Raum! Die junge Frau namens Nacera – sie kam mir irgendwie bekannt vor,  fand ihn schließlich in einem der oberen Räume, der wie eine orientalische Teestube aussieht. Dem Himmel sei Dank! Es ging ihm gut!

Erleichtert konnten wir den Abend weiterfeiern. Als ich wieder nach draußen kam, saß Freya bei der buntgemischten Gruppe von Aldir. Plötzlich fing dieser an, den Elfen an einen Baum zu binden und nach Freya zu rufen. Hier sollte Hochzeit gehalten werden! Ich kenne Freya, sie gerät ständig in solche Situationen, wenn sie den Männern mit ihren blauen Augen und charmanten Wesen den Kopf verdreht. Ach, liebste Freundin! Aber sie sah so glücklich aus! Und sie rief mich zu sich als ihre Trauzeugin und Brautjungfer. Was war ich stolz! Ich brachte ein Licht von drinnen mit, dass ihre Leidenschaft in der Ehe symbolisieren sollte. Der Priester Karl übernahm die Trauung – sie war wirklich sehr emotional und stimmungsvoll! Ich schenkte dem Brautpaar, das für den Rest des Abends mit einem Seil aneinander gekettet war, das Fläschchen mit dem Liebesfeenstaub, das ich meinerseits zur Eröffnung der Taverne erhalten hatte. Möge es ihnen viele glückliche Tage bescheren! Ich fing den Brautstrauß – so halb, und wir feierten mit Musik und Tanz. Ein wunderschönes Paar! Ich freue mich so für sie. Mögen stets alle Sterne für sie erstrahlen und ihre Ehe mit viel Glück und Liebe segnen.

Dann unterhielt ich mich mit Herrn Karl, der mir seinerseits berichtete, dass er in der Nähe von einem Feenhain wohnte! Welch glücklicher Mann er sein musste. Er meinte, dort gäbe es sowohl dunkle, als auch lichte Feen. Ich muss ihn unbedingt einmal besuchen! Er wohnt auf Gut Altenbrunn. Ich habe den Namen des Landes vergessen, aber es begann mit einem „E“. Hoffentlich finde ich irgendwann einmal dorthin.

Auf einmal traten Veig und Herr Arnulf vor und warfen zwei Jutebeutel auf den Platz vorm Feuer, an dem wir alle saßen. Er schaute mich an und sprach „Es bricht mir das Herz, Anka! Doch es scheint, als seist du die Täterin dieses Verbrechens!“ Er behauptete die Waffen gefunden zu haben und einen Brief, der besagte, dass ich die Waffen für jemanden namens H.H. nach Gergonsmund bringen solle. Herr Kuno sprang von seinem Sitz auf und rief „Also doch!“ Ich antworte „Aber Herr Kuno! Genau diesen Brief habe ich Euch doch gebracht, als ich wusste, dass es um ein Verbrechen geht!“ Eine hitzige Diskussion entbrannte um meine Unschuld. Ich war sehr verletzt und enttäuscht. Wie konnten Herr Arnulf und Herr Veig nur so etwas von mir denken? Wie konnte der hohe Herr Kuno so etwas von mir denken? Einige sprachen sich für mich aus. Colin, Herr Brakslin und auch der Magier Quintus V, der mir zuvor ein wundervolles Rezept für Feentaler gegeben und mit mir Lieder am Feuer gesungen hatte. Das alles ließ Herrn Kuno vor einem endgültigen Richtspruch innehalten.

Es wurde berichtet, dass der Knecht Paul die Waffen im Keller gefunden und behalten hatte, weil er dachte, sie gehören niemandem. Er hatte aber nichts gesagt, als Herr Kuno alle befragt hatte und das warf ein schlechtes Licht auf ihn. – Der arme Junge, vielleicht hat er es wirklich nicht besser gewusst? Herr Kuno, nun eines eindeutigen Richtspruchs beraubt, forderte, dass wir diesen Fall vor den Ratsinspektor Herrn Ulfried Wieden bringen sollten. Ich war einverstanden, hatte ich diesen doch einst schon einmal als großzügigen und klugen Mann kennengelernt. Der Wirt Jorge, sein Knecht Paul und ich sollten Herrn Kuno nach Trum begleiten – was war ich froh, hatte ich mir doch schon Sorgen gemacht in die Hände dieses dunklen Wegelagerers zu fallen, wenn ich alleine reiste – sowie Herr Arnulf und sein Begleiter Herr Veig, die die Belohnung für Kopfgeld und Finderlohn abholen wollten. Das Ganze soll in Gergonsmund stattfinden, in der Hoffnung dort vielleicht den unbekannten und dubiosen H.H. dingfest zu machen, sobald dieser vor den Trümmern meiner Taverne stünde, um die Waffen abzuholen. Ich hoffe, es ist tatsächlich niemand, den ich kenne und zu meinen Freunden zähle… Aber ich kenne nun wirklich keinen H.H.!

Nun geht es also doch wieder gen Heimat ins geliebte Gergonsmund. Und auch, wenn ich schmerzlich traurig bin, dass meine Taverne dort nicht mehr besteht, freue ich mich, wieder durch die bekannten Gassen zu schlendern, die Gerüche zu riechen und das Lachen zu hören. Nichtsdetotrotz dass ich weiss, dass ich unschuldig bin, nagen an mir winzige Zweifel, dass mir jemand nicht glauben könnte. Doch ich wäre doch zu so etwas niemals in der Lage! Und wer weiss das besser als Herr Ekarius, der einst eine lange Strafpredigt von mir erhalten hatte! Ekarius… so lange habe ich ihn schon nicht mehr gesehen…, ob es ihm gut geht? Ich mache mir Sorgen – Ich werde ihm schreiben! Und sicher wird er einen guten Rat für mich haben, da er die Herrschaften auch kennt, da bin ich mir sicher. Vielleicht kommt er gar an meine Seite, dann würde ich mir nicht mehr ganz so klein vorkommen.

Mit diesem Gedanken lege ich mich zu Bett. Morgen wird es zeitig los gehen in dem Tross des Ritters zu Bärhegen. Auf nach Gergonsmund! – Auf nach Hause.

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