Hochverehrte Leserschaft,
wie zuweilen üblich fand dieser Gastbeitrag aus Champa seinen Weg in diese Ausgabe des Wiedener Herolds. Selbstverständlich übernimmt der Wiedener Herold bei diesen Gastbeiträgen keinerlei Gewähr für die Aufrichtigkeit der verfassten Zeilen:
Ich gehe durch die Straßen von Champa und in der letzten Zeit sticht mir die Farbe Grün immer häufiger ins Auge.
Banner werden über Nacht mit grünen Sternen zwischen den Sensen versehen, an Straßenecken stehen kleine grüne Schreine mit Figuren von Baron Alfried Waag, alle mit einem Stern in der Hand und den Blick gen Himmel. Kleine grüne Steine, wie auch Weiße Blumen mit grünem Stiel werden als Opfergaben an diesen Schreinen platziert.
Tagsüber scheint niemand diese Schreine zu beachten, doch am nächsten Tag liegen neue Gegenstände auf dem Schrein. Alle in Grün und Weiß. Häufig werden diese von der Wache entfernt, doch für jeden, der entfernt wird, tauchen an der nächsten Straße zwei neue auf.
An einer Wand erblickte ich sogar eines Morgens in grüner Schrift das Wort „Stellara“ mit einer mehr als schlechten Zeichnung unseres Barons. Es war wohl doch etwas sehr dunkel, als dies gemalt wurde.
Ich gehe durch die Straßen von Champa und weiß nicht was ich davon halten soll. Niemand weiß wirklich irgendetwas über all diese Vorkommnisse und es bleibt ein Mysterium was all dies soll. Aber Champa sieht Grün…
Regald Grevaris,
Schreiber des Wiedener Herold zu Riederbrack
Eigentlich wollte der Mönch mit dem unter der roten Kapuze vergrabenen Gesicht und seinem Packesel im Schlepptau die Ortschaft längst verlassen. Doch nun steht er grübelnd vor einem dieser neuen Schreine. Er prägt sich alles genau ein, Symbole, Steine, deren Lage, die Farben. Er mentalisiert und grübelt dabei. Gar schlechte Menschen mochten es wohl nicht sein, sonst würden sie den Baron nicht verehren. Eine dieser Sekten wohl, die seit der Fehde mit Siebenhöfen Zulauf gewonnen hatten. Wenn er sich nur alles merkte, würden die Gelehrtenbrüder und Schwestern dieses Geheimnis hoffentlich lüften.
Schließlich zieht er seines Weges, gibt jedoch zwei kleinen Straßenjungs einen Kupfer mit dem Hinweis, dass es wohl schändliche Leute gäbe, die fremde Schreine umstießen. Der Kupfer sei dafür, dass sie darauf Acht gäben und die umgeworfenen Schreine zählen. Er käme die Tage wieder vorbei und würde sie entlohnen. Für jeden gezählten umgeworfenen Schrein, bekämen sie dann eine Münze.
Eines Abends wurde die Nachtwache Champas auf ein leises Getöse in einer Seitengasse aufmerksam. Sie gingen dem nach und fanden dort zwei kleine Straßenjungs vor, die offensichtlich ein blumenverziertes, schrein-ähnliches Gebilde mit grünen und weißen Steinen umstießen und die Gaben darauf in der gesamten Gasse verteilten. Die Wache hinderte sie am Davonlaufen und reichlich schnell behaupteten die Kinder, dass ein Mann in roter Mönchskutte ihnen vor einigen Tagen Belohnung versprach, wenn sie recht viele dieser neuen Schreine umstießen. „Für jeden zerstörten Schrein ein Kupper!“ Die Wache nahm die Beiden mit zur nächsten Wachstube. An der Ecke der Gasse verschwand im Schatten eine Gestalt, in grün gekleidet und den Blick gen Himmel gerichtet.