Lehrstück über die wahre Herkunft der Magiefeindlichkeit
Hannibal von Grabenfürth, Magister der magischen Künste, Gelehrter der historischen Schriftenkunde und Erzählsagen sowie Lehrbeauftragter der Thaumathurgischen Akademie zu Thortmanne
In ausnahmslos vielen Glaubensrichtungen gilt nicht nur die schwarze, sondern auch weiße arkane Magie als Verderbnis. Da die Mehrzähligkeit der Religionen untereinander unvereinbar erscheinen, stellt sich dem Gelehrten die Frage nach den Ursachen der Übereinkunft wider der Magie. Ich möchte eine Thesis wagen, welche die Ursachen objektiv von außerhalb jeweiliger normierter religiöser Glaubensinhalte betrachtet, also eine allumspannende Thesis.
Unbestritten, da nachgewiesen sei die Wirkmächtigkeit klerikaler Magie. Unbestritten sei ebenso, dass klerikales Wirken von göttlichen Mächten durch Gewähren zuteilwird, während arkanes Wissen keinerlei Bewilligungsverfahren durch Götter benötigt. Und selbst bei Beschwörungen, bei denen das beschworene Wesen die Magie für den beherrschernden Meister wirkt, so ist die Beschwörung selbst doch ein Wissensakt, mehr oder minder unterfüttert durch magische Talente.
Wie nun kommt es zu jener großen übereinstimmenden Ablehnung sich sogar feindlicher Religionen der Magie gegenüber?
Wenn ein Klerikaler arkane Magie wirkt, so signalisiert er damit zum einen der göttlichen Macht, derer er sich verschrieb, einen Mangel an Zutrauen in die spirituellen Kräfte jener Macht, ihm in Genüge zur Seite zu stehen. Überdieses signalisiert er solches auch sich selbst. Nichts anderes sagt er zu seinem Gott und sich selbst als dass er mehr benötige an magischem Werkzeug, als ihm bislang zuteilwurde. Felsenfeste Glaubenskraft gilt jedoch in allen klerikalen Wirkungen als Notwendigkeit. In dem Maße, wie ein Kleriker arkane Magie ausübt, wird somit seine Fähigkeit zur klerikalen Magie versiegen, bis nichts mehr von jener übrig bleibt als bloßes Theater.
Es ist demnach kein böser Wille, wenn Kirchen ihren Eigenen das arkane Wirken untersagen. Es ist eine unabdingbare Substanz der Ausbildung.
Wir mögen auch anerkennen, dass es einige Gebiete gibt im Klerikalen, welche das Arkane an Erfolg wohl übersteigen. Dies sei so bei Exorzismen höherer Ordnung. Kein Mensch vermag durch Menschenkraft die höheren dunklen Fürsten der Niederhöllen bezwingen, wohl durchaus aber vermögen es göttliche Wesen durch ihre Medien, welche die Klerikalen sind. Oder denken wir an die vielen magischen Unfälle, die jeder von uns hinlänglich kennt. Solches geschieht in der Regel bei klerikaler Magie mitnichten, da die höhere Gottheit über die Wirkung wacht.
Ein weiterer Grund für das Verbot gegen die Magie der Eigenen ist der Wille der höheren Gottheit. Es muss jedem ersichtlich ein Affront sein, wenn eine höhere Gottheit seinem Anhänger aus wohlüberlegten Gründen das Wirken verwehrt und dieser dies über Umwege dennoch bestrebt. Dies ist sogar ein weit folgenschwereres Hemmnis der klerikalen Wirkung, da nicht allein Mangel an Glauben ins Spiel gerät, sondern selbst der Zorn der Gottheit riskiert wird.
Wenn wir nun eingesehen haben, wie notwendig allein aus der Natur des Wirkens heraus ein Verbot des Arkanen für die Kleriker ist, wollen wir dies nun durch Überlegungen des Gemeinschaftlichen ergänzen. Kommen Adepten einer Religion fortwährend mit Magiern und Zauberern in Berührung, können sie leicht in Versuchung geraten, der Faszination des Wirkens auf jene Weise nachzugehen. Wäre ihnen die Natur der Sache der negativen Abhängigkeit zwischen Arkanem und Klerikalen erklärt worden, wären die Adepten wohl einsichtig. Doch leider besteht die Unterweisung meist nur im Verweis auf Gebote. Die Logik unverstanden, wird leicht nur vermittelt, man tue sowas nicht. Es sei Frevel. Doch ist es mit Magie wie mit anderen Gelüsten, deren Frevelhaftigkeit hinter geschlossener Tür der Freudenhäuser abzulegen vermag. Wie soll es damit der Magie anders sein als mit Lust und Laster?
Und deshalb schreiten die Obrigen der Kirchen ein und verbieten – soweit es in ihrer weltlichen Macht – rundum allen die Magie, auf dass ihre Adepten und Priester dieser erst gar nicht begegnen. Denn wo keine Verführung, da schweigt das Laster.
Schaden daran nimmt die arkane Wissenschaft, die so viel Gutes beizutragen hat für das Leben der Menschen. Wenn sie denn gelehrt wird auf anständigen Akademien mit strenger Aufsicht, Zucht und Schlägen.
Ich hoffe sodann, meine Thesis wird ihren Weg in die Kirchen finden und ein Umdenken anstoßen. Damit die Wahrheit der Wahrheit Willen erkannt wird. Denn das Wahre ist gut, weil das Gute wahr ist!