“Werte Mutter Moll,
hoffentlich erreicht euch dieser Brief bei guter Gesundheit. Leider muss ich euch fürchterliches aus Siebenhöfen berichten. Bis dieser Brief euch erreicht, habt ihr wahrscheinlich schon von den Vorkommnissen in Siebenhöfen gehört, doch die Wahrheit ist noch viel schlimmer.
Wie das Schicksal es wollte, landete ich an dem Tag vor den Ereignissen in Siebenhöfen. Anstatt weiterzureisen, entschied ich mich dafür, die Nacht in der Hauptstadt Wiedens zu verbringen. Am nächsten Tag wollte ich weiter nach Hause. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft, es hätte mich vielleicht warnen sollen, doch ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt, so dass ich nichts wahrnahm und wenn doch, so habe ich es wahrscheinlich der Wintersonnwende zugeschrieben. Die Menschen sind dann immer aufgeregt und Heimlichkeiten der schönen Art liegen in der Luft.
Als die erste Glocke anschlug, wurde sie aufgrund der Festivitäten kaum gehört, doch immer mehr Glocken griffen den Ton auf und der Ruf „FEUER!“ gellte durch die Nacht. Die Menschen wurden aus ihren Feiern gerissen und liefen zu Brunnen und zum Strand. Ach Mutter Moll, hätten sie das nur nicht getan.“
Flecken auf dem Papier weisen darauf hin, das etwas fortgewischt worden war.
“Ihr wisst, wie verheerend ein Feuer in einer Stadt wie Siebenhöfen ist und welche Dramen sich entwickeln. Der Brandherd war wohl die Baustelle der neuen Ceridenkirche, doch dort brannte es an so vielen Stellen so lichterloh, dass es unmöglich ein Unglück sein konnte. Die Menschen versuchten zu löschen, die Heiler der Stadt, denen ich mich natürlich anschloss, verarzteten die ersten Brandwunden.
Und dann fand ich den ersten Toten mit durchschnittener Kehle. Ich sah noch den Schrecken in seinen Augen und schloss sie, bevor ich weiter lief. Je näher ich der Baustelle der Kirche kam, die völlig in Flammen stand, desto mehr Tote fand ich, sie alle hatten durchschnittene Kehlen.
Ein flüchtiger Gedanke an die Mauerwache ließ mich innehalten. Wo waren sie, warum halfen sie nicht? Wie konnte sie dies zulassen? Lebten sie noch? Meine Freunde Henna und Ekarius…doch ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, es gab zu viele Verletzte.
Als ein Feuerball in die Luft stieg und dort mit einem berstenden Knall auseinander brach, wurden die Menschen wie Spielzeuge durcheinander gewirbelt. Irgendwie landete ich in einer Mauernische, in der sich auch ein kleines Kind verbarg. Es zitterte am ganzen Leib, schien aber unverletzt. Es sah mich mit großen Augen an und sagte immer wieder „bunte Männer, bunte Männer“. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mir keinen Reim darauf machen, und nun ja, ihr wisst, ich kann nicht gut mit Kindern. Also drückte ich das Kind der erstbesten Frau in die Arme und hastete, meine eigenen Schmerzen ignorierend, weiter. Es gab weitere Explosionen, ich habe sie nicht gezählt, doch es war furchtbar.
Die Baustelle…. alle liefen dorthin, versuchten ein Feuer zu löschen, das nicht mehr zu löschen war. Denn wer auch immer das getan hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Nichts war mehr übrig als lodernde Flammen. Ich mag das Feuer, wenn es kontrolliert brennt, doch dieser Anblick tat mir in der Seele weh. Nahe heran kam niemand mehr, so versuchten die Männer, die umliegenden Gebäude und die kleineren Brände zu löschen.“
Weiter geschrieben wird mit einer andersfarbigen Tinte, warum auch immer und die Schrift ist noch ungleichmäßiger als sonst und sehr zittrig.“
Eine Bewegung weckte meine Aufmerksamkeit, ein Mensch kroch von dem großen Feuer fort. Vielmehr das, was von ihm übrig geblieben war. Viel habe ich gesehen, doch solche Wunden und noch Leben in dem gleichen Körper zu finden, nein, das konnte nicht sein. Ein Stumpf reckte sich mir entgegen, dort, wo einst Augen gewesen waren, war nur noch eine einzige blutige Masse. Dieses Wesen konnte nicht überleben und ich wollte sein Leiden beenden, als es beinahe unverständlich herausbrachte „Landsknechte“. Dann wich röchelnd das Leben aus der Gestalt.
Danach weiß ich nicht mehr viel, hätte mir jemand meinen Zustand beschrieben, hätte ich wohl einen Schock erkannt, aber ich begutachte mich selbst nicht. Die Nacht ist verschwommen, es brannte, ich habe Wunde um Wunde versorgt, aber fragt mich nicht nach Einzelheiten, ich weiß sie nicht.
Jemand erzählte am nächsten Tag, dass wohl einige Leben gerettet werden konnten, doch die meisten Menschen, vor allem in der Nähe der Baustelle, werden für immer gezeichnet sein vom Feuer.
Bitte schickt einige der Novizen und Schwestern so schnell wie möglich mit so viel Medizin wie es geht nach Siebenhöfen, wir brauchen hier alle Hilfe, die es gibt.
Elder“
Was nicht in den Brief stand, waren die Toten die am Strand gefunden worden waren, sie hatten eine Löschkette bilden wollen und waren regelrecht abgeschlachtet worden. Einige Menschen hatten Landsknechte, gemietete Mörder, erkannt, doch waren zu weit weg, um etwas zu tun. Siebenhöfen brannte an einigen Stellen selbst Tage nach dieser Nacht noch immer, die Menschen der ganzen Stadt standen unter Schock. Alle Heiler arbeiteten wortwörtlich bis zum umfallen, einfache Menschen wurden zu Helden, organisierten die Verteilung von Wasser und Brot. Händler, Bäcker und Fleischer öffneten ihre Lager und verzichteten auf Geld. Alle hatten jemand verloren oder kannten jemand, der jemanden verloren hatte. Selbst die Mauerwache war angegriffen worden, zwar waren Ekarius und Henna nicht unter den Toten, doch der Angriff auf die Gelbröcke war nicht die Arbeit von dahergelaufenen gewesen, sondern von kriegserprobten Söldnern.
Und das Sterben würde weitergehen, denn viele der Brandopfer warteten regelrecht auf die Erlösung von den Schmerzen und wollten lieber tot sein als entstellt weiter zu leben.