Die Sonne ist groß, die Sonne ist gut, aber nicht nett

Es war ein stark bewölkter Abend in der Stadt Siebenhöfen. Hinter den vergitterten Fenster des alsehenden Turmes der die Ratsinspektoren Trums beherbergte, fand in kleiner Runde ein Treffen der für Werant zuständigen Inspektoren statt. Ein Mann mittles Alters ohne dichten Bart setzte zu seinem Bericht an:

Nachdem nunmehr turbulente Zeiten sich ihrem Ende neigen, wohl auch Dank der beherzten Behandlung des Barons von Champa, regt sich eine gewisse Unruhe im Sonnenkloster. Der obersten Referenz abhanden, fühlen sich verschiedene Fraktionen im Orden angeregt, ihre Interessen durchzusetzen. So offenbarten sich im Konflikt mit Siebenhöfen zwei konträre Auslegungen des Sonnenglaubens. Auf der einen Seite jene, welche in der Sonne die Entsprechung eines edlen Geistes sehen, offen, tugendhaft und gerecht im Handeln, ritterlich in Ehre zu Streiten und ohne Tücke und ohne falsche Zunge in Wahrheit. Solange die Lage eine Beruhigung verlangte, war diese Auslegung erstarkt und versuchte die Fehde beizulegen. Gestützt wurde das Ansinnen durch die weltanschauliche und wirtschaftliche Nähe zu solche Tugenden vertretenden Ignis-Kirche in Escadon. Die Gegenseite derweil ließ sich zunächst im Zaum halten.

Doch der Konflikt hatte die Sonnen-Kirche geschwächt. Aus Angst vor Übergriffen wandten sich Gläubige in ceridischen Gebieten vom Sonnenglauben ab. Es wird seither weniger gespendet. Als auch noch die Verhandlungen mit Escadon scheiterten, glitt der Sonnenorden zunehmend in finanzielle Not. Alte Pläne der Selbstversorgung wurden wiederbelebt. Die Produktion von Schafswolle, Käse und Kräuter für den Export ausgebaut. Ein solches unternehmerisches Denken erwies sich freilich als merklich schwer vereinbar mit einer Reihe ritterlicher Ideale. Nicht umsonst waren Kaufleute und Ritter verschiedene Stände und in der Regel borgten Ritter bei den Kaufleuten und nicht andersherum.

Und so kehrte nach und nach mit unternehmerischem Geist auch jene Fraktion zurück, welche die Sonne eher als das Große, das Erhabene verstand. Als den Glanz der Macht und der Ordnung, bisweilen fern der Gnade derer, die sich ihr nicht beugen. Denn damit ließ sich auch die neuen wirtschaftlichen Ziele gut vereinbaren.

Wer nun diese Entwicklung zu bedauern gedenke, der halte ein. Denn innerhalb der Macht-Auslegung des Sonnenglaubens gewannen gerade die militärisch gemäßigten Ordensbrüder die Oberhand, welche nicht mit dem Schwerte, doch aber mit Münze, Waage und Gesetzbuch den Glanz der Sonne in die leere Schatzkammer scheinen lassen wollten. Und sie verstanden es wohl, die Ehre- und Wahrheitsfraktion für ihre Zwecke einzuspannen. Denn ein Orden mit guten Ruf bei Land und Leute und einer harten wirtschaftlichen Ordnung im Hintergrund, scheint ihnen die gelungenste Verwirklichung des lichten Glaubens. Und so schickten sie solche Brüder auch aus, den gewerblichen Exorzismus oder dem Ikonenhandel nachzugehen. Auch der Schutz der Pilgersleut war wieder gefragter und gewinnträchtiger, seit sich den Pilgern auch vermehrt Kaufleute anschlossen.

Der Mann schloß das Pergament vor sich und trank einen tiefen Schluck aus dem Weinkelch. Die Inspektoren vor ihm prosteten Ihm anerkennend zu.

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