Oder eine Weihnachtsgeschichte von Trum
Lasst mich euch eine Geschichte erzählen, von zwei Männern, beide von hohem Stand, beide intelligent, beide reich, beide Ehrgeizig und Skrupellos, und doch so verschieden. Sie sind gleich alt, und wie das bei jungen Männern von Stand ist, kannten Sie sich von kleinauf, lernten gemeinsam und verübten gemeinsam auch so manche Streiche, so dass die Scholare nicht angetan waren von den beiden. Ja, man könnte sagten, sie waren Freunde, gute Freunde sogar.
Ihr größter Fehler war ihre Eitelkeit. Sie warfen das Geld der reichen adeligen Eltern mit vollen Händen hinaus, ohne sich darum zu kümmern, dass das arme Volk dieses Geld heranschaffen musste. Stets waren sie nach der neuesten Mode gekleidet, gaben viel Geld für Duftwässerchen und güldenes Geschmeide aus. Besonders stolz waren sie auf ihre langen Haare.
Obwohl es nicht der Mode entsprach, trugen beide Ihre Haare recht lang, und waren so eitel damit wie so manches Mädchen. Fast schon weibisch war ihr Verhalten, ging es um die Haare. Irgendwann entbrannte ein Streit zwischen den beiden Freunden, wer denn die schöneren Haare habe. Auslöser soll eine unbekannte Schönheit gewesen sein, die beiden mit Hinweis auf die Haare eine Abfuhr erteilte.
Der Streit zwischen den beiden jungen Männern wurde immer heftiger und wurde bald nicht mehr nur mit Worten geführt. Als ein Faustkampf zwischen den beiden ein Studierzimmer in Trümmern hinterließ, sprach der Dekan ein Machtwort. Er forderte die Männer auf, sich ihres Standes entsprechen zu benehmen und einen Zwist im ehrenhaften Turnier beizulegen. Nach kurzem Zögern stimmten die Streithähne zu und der Dekan legte die Regeln fest.
Da es nicht um eine heroische Streitfrage ging, sollte auch das Turnier andere Aufgaben beinhalten und nicht etwas den Kampf mit dem Schwert oder das Tjosten.
Auch den Siegespreis sprach der Dekan aus, der beide Männer erblassen ließ, doch davon später mehr.
Direkt am nächsten Tag begannen die Wettkämpfe. So mussten die beiden adeligen Sprösslinge als erstes ein Feld abernten. Die Bauern haben sich sehr über die Ungeschicklichkeit der fluchenden und schwitzenden Männer amüsiert, doch hätten sie das nie gezeigt. Die Scholare überwachten alles.
Es dauerte Tage, bis die Felder mehr schlecht als recht geerntet waren.
Zerzaust und lange nicht mehr so ansehnlich, wurden die beiden beim Dekan vorstellig, der ihnen eröffnete, dass sie noch zwei weitere Aufgaben zu erledigen hätten. Denn der weise Schulleiter wollte den beiden auch ein wenig Demut ein-, und den Hochmut austreiben.
Also mussten die beiden adeligen Sprösslinge eine Woche lang die Gänse von zwei verschiedenen Dörfern hüten.
Dass dabei einer der beiden von einer erbosten Gans an einer überaus empfindlichen Stelle gebissen wurde, konnte niemand beweisen.
Auch diese Aufgabe erfüllten sie, erneut mehr schlecht als recht.
Die letzte Aufgabe hob die Laune der beiden. Sie sollten eine versiegelte Nachricht durch alle großen Städte Trums tragen und dort jeweils eine Unterschrift der Bürgermeister auf die Rolle auftragen lassen. Der Gewinner dieses Rennens würde auch der Gewinner des Wettstreits sein.
Doch als Hindernis, und um es ihnen nicht so leicht zu machen, durften sie weder in Geschmeide und mit Gold und Gefolge reisen, noch sich auf ihre Namen berufen, um Hilfe unterwegs zu erhalten.
Zwei Tage später brachen sie auf, in verschiedenen Richtungen. Es dauerte Wochen, während der sich die beiden Männer durch das Land kämpften. Sie wurde gebeutelt von Wind und Wetter und so mancher erkannte die beiden Adeligen nicht und jagte sie mit Hunden von dem Hof.
Doch schließlich, am Abend des Julfestes erschien einer der beiden wieder vor dem Dekan, in überraschend guter Verfassung. Der Dekan notierte dies, doch sagte nichts. Der andere tauchte erst zwei Tage später auf, abgemagert, seine Kleidung zerrissen und zerschlissen. Er ging zu Fuß, denn sein Pferd war ihm gestohlen worden. Das er überhaupt überlebt hatte, hatte er mildtätigen Bauern zu verdanken.
So oder so, er war der Verlierer und akzeptierte die Worte des Dekans:
Der Gewinner durfte seine Haare weiterhin lang tragen, der andere musste sie fortan beinahe sündhaft kurz tragen. Der Gewinner des Wettstreits der Haare ordnete darauf hin an, dass niemand in seiner Baronie längere Haare als er haben dürfe. Nicht einmal Frauen durften eine größere Haarpracht haben, es wurde bei Strafe verboten.
Der andere schnitt sich die Haare demütig ab.
Warum dies eine Weihnachtsgeschichte ist fragt ihr?
Nun, als der Verlierer sich von dem Dekan verbeugte, sprach er mit leiser Stimme
„Ich habe verstanden, ehrwürdiger Meister“
Fortan widmete sich der Verlierer des Wettstreits wieder seiner Ausbildung, ernsthafter als jemals zuvor. Doch er studierte auch das Volk, lernte viel über ihre Bedürfnisse und Wünsche und wurde nach den Tod seines Vaters zu einem weit über die Landesgrenzen hinaus angesehenem Baron, dessen Bescheidenheit ihn auch beim Volk überaus beliebt machten.
Der Gewinner? Nun er darf seine Haare lang tragen, aber beliebt hat ihn das nicht gemacht. Und niemals erloschen die Gerüchte, wenn auch nur leise und hinter vorgehaltener Hand gesprochen, dass er während des Rennes betrogen habe und seine Diener ihm halfen.