Schmiedtochter „Marinas“ Goldamulett

„Marina, ich brauche frisches Wasser! Geh’ und hol’ etwas aus dem Brunnen!“, rief der alte Engelbert. Marina kam aus der Stube und griff mit finsterer Miene nach dem Metalleimer. Sie maulte: „Vater, hättest du Erik nicht zu Brunhold in die Lehre gegeben…“, der Schmied unterbrach sie. „Marina, wie häufig sagte ich bereits, er wird eines Sonnenaufganges unsere Schmiede fortführen?!“ „Und wenn schon!“, sprach Marina noch und huschte dann hinaus.

Es war ein kleines Dorf Großenbrücks, in dem der alte Schmied Engelbert seine Schmiede hatte. Der Name Engelbert Schmied stand für scharfe Sensenschneiden. Jede Sense, die sein Signum trug, würde mit einem Streich Fingerdicke Halme durchschneiden, so hieß es.

Marina eilte zum Brunnen, kurbelte das Seil mit dem Haken hinauf und hängte den Metalleimer ein. Sie kurbelte in entgegengesetzte Richtung und kurbelte, bis der Eimer mit einem Platschen in das Wasser der Tiefe tauchte.

„Ich könnte die Schmiede genauso gut führen. Nur weil mein Bruder ein Mann ist…“, nörgelte die junge Frau. Sie wartete einige Atemzüge und begann dann den Eimer wieder hinaufzukurbeln.

Der Schmied rief hinaus: „Marina und wenn das Wasser hier ist, so gehe bitte in den Steinbruch und besorge mir neues Material für Handwetzsteine!“ „Ja Vater!“, erwiderte die Tochter verdrossen.

Eilig hob sie den randvollen Eimer aus dem Haken und schleppte ihn in die Schmiede hinein. Drinnen stellte sie ihn nahe der Esse ab.

Sie wollte sich bereits abwenden, als der Vater die Hand auf ihre Schulter legte. „Du bist wirklich tüchtig.“ Die Tochter schaute mit großen Augen. Der Vater fuhr fort: „Sieh dich im Steinbruch genauer um. Findest du einen Stein, der dir besonders zusagt, so schenke ich ihn dir.“ Marina lächelte und sprach: „Danke, Vater!“ Sie griff nach dem Holzeimer und huschte wieder hinaus.

Ihr Pfad führte an Buchenwald, an Pferdekoppeln und Weizenfeldern vorüber. Seichter Wind wehte ihr kastanienbraunes Haar und während sie leise Wandermelodien sang, rief ein Bussard in der Höhe. Nachdem auch eine Wildwiese passiert war, erreichte sie den Hügel des Steinbruchs.

Sie balancierte über Wurzeln und moosbedecktes Geröll, bis sie zu den frisch geschlagenen Steinen gelangte. Aufmerksam blickte sie sich um. Der Vater hatte sie darin unterrichtet, welches Gestein für Handwetzsteine geeignet war und welche nur für Baumeister verwendbar waren. Sie summte, während sie Stein um Stein in den Holzeimer beförderte. Plötzlich hielt sie inne.

Leise sprach sie zu sich: „Was kann das sein?“ und hob einen handgroßen Stein vom Boden, der von etwas Gelben durchzogen war. Ein weiterer Stein lag neben ihm; und ein Dritter. Alle nahm sie und tat sie zu den Anderen in ihren Holzeimer. Noch einige genommen, um die Edlen im Eimer zu verdecken und es wurde der Heimweg angetreten. Sie eilte, rannte beinahe, obgleich der Holzeimer nun so schwer erschien.

„Vater…Vater!“, rief sie, als sie in die Schmiede zurückkehrte. Engelbert Schmied blickte vom Amboss auf und steckte das glühende Eisen in den Wassereimer. Es dampfte. Marina stotterte unverständliche Worte. „Komm’ doch zur Ruhe, Marina!“, unterbrach der Vater schließlich. Marina angelte die drei Steinbrocken aus dem Holzeimer und legte sie auf den Holztisch. „Sieh doch nur!“

Der Schmied nahm die Brocken und betrachtete sie eingehend. Er lächelte und ließ sie wieder sinken. „Du weißt, was du hier aufgelesen hast?!“, fragte der Vater. Marina erwiderte: „Gold?“ Dann sagte sie kläglich: „Aber Vater, du sagtest du würdest mir nur einen Stein schenken. Um ein Schmuckstück daraus zu fertigen, benötige ich aber alle Drei!“ Ihr Vater nahm die drei Steine und legte die Bruchstücke aneinander. Sie passten zueinander, wie als wären sie nie zerschlagen worden. „Aber es ist doch ein einziger Stein!“ Er lächelte sanft. Marina lächelte zurück.

Dann wendete sich Engelbert Schmied von ihr ab, nahm Pergament, eine Feder und Tinte und schrieb eine Aufforderung nieder. Als er sein Handzeichen unter die Worte gesetzt hatte, rollte er das Pergament, band es zusammen und hielt es seiner Tochter hin.

„Nimm diese Nachricht, deinen Stein und gehe damit zu Goldschmied Degenhart. Ich will, dass du bei ihm in die Lehre gehst!“, erklärte der Vater. Marina erwiderte: „Aber wer soll dir dann noch zur Hand gehen?“ Der Vater sprach: „Degenharts Sohn Allrich! Er ist bei mir besser aufgehoben, denn er ist kein Schmied der feinen Dinge. Er soll ihn mir im Austausch schicken!“, erklärte Engelbert. Marina nickte und eilte, um ihr Hab und Gut zusammenzuraffen. Sie legte die golddurchzogenen Steine in einen Jutesack und küsste zum Abschied Vaters Wange. Dann huschte sie hinaus.

Ein Mondlauf verging, bis die junge Marina ihr goldenes Amulett unter der Aufsicht Degenhart Goldschmieds angefertigt hatte. Von diesem Sonnenlauf an trug sie es ewig auf ihrer Brust und man sagt es beschere dem Träger Willenskraft und Entschlossenheit. Wer auch immer dieses Amulett findet hält einen Schatz in den Händen.

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