Schiedswehrenschliff in Eschenbruch

Das Gesicht in die mit Blut befleckten Hände gestützt sitzt Bernhelm auf einem alten Fass und seufzt. Seit Wochen schon schleift er Taurons Schiedswehren in Eschenbruch und es ist schier zum Verzweifeln. Wie schwer kann es denn Bitteschön sein, die einfachsten Grundlagen im Umgang mit dem langen Spieß zu erlernen? Obwohl Spieß ja nun auch wieder haltlos übertrieben für einen „3 Schritt langen, angespitzten Stecken“ ist. Wie kann man nur so knauserig sein?

Mit den Händen sein Gesicht reibend erinnert sich Bernhelm. Er war eigentlich nur zum letzten Schlock gereist, um dort für den Brekeller in Furtenau den Zehnt abzuholen. Traut sich wohl angeblich kein regulärer Scheffe mehr in die Gegend… und so war das leicht verdientes Geld. Zumal noch ein schönes Metzgerstück vom Schlachtvieh mit abgefallen ist. Na, jedenfalls hockte der alte Kamerad Tauron im Schlock und starrte griesgrämig herum. Eigentlich hatte Bernhelm sich ja gefreut den Freund so überraschend wiedermal zu treffen, aber irgendwie ging es diesem nicht so. Bernhelms Ruf schien wohl sogar Tauron in die Knochen gefahren zu sein, so verschlossen hatte er reagiert. Keine Feier, kein Anstoßen… ja nichtmal alte Geschichten wollte er hören. Und alt sah er aus. Irgendwie gebeugt.

Jetzt weiß Bernhelm auch warum. Der alte Freund aus Söldnertagen hat sich ein eigenes Dorf ans Bein gebunden. Hehehe. Man glaubt’s ja kaum, aber das scheint ihm tatsächlich ernst zu sein. So richtig mit Planung für Winter, Fruchtfolge und Handel und so. Man…man, der will wohl nochmal was werden im Alter! Achja, und knauserig ist er. Wie die Rinesburger! Zwar zahlt er gut für die Ausbildung der Schiedswehren hier in Eschenbruch, aber spart an jedem Stück Ausrüstung. Die „Spieße“ haben keine Eisenspitze, Schwerter gibt es vielleicht `ne Handvoll wenn’s hochkommt und über jede einzelne Pfeilspitze führt er Buch.

Ein Dutzend Verurteilte Verbrecher aus Siebenhöfen hat er sich als kämpfende Schiedswehren besorgt. Die armen Kerls. Von Dieb über Betrüger bis Mörder. Alles dabei. Nur kein Soldat. Wäre ja scheinbar zuviel des Guten. Als Wachtmeister hat er sich ´ne Diebin aus der Tuchenen bestimmt. Ja echt…eine Solanin! Nursa. Nun liegt sie mit ihrem nichtsnutzigen Haufen wieder im Dreck. Dabei hatte er ja diesmal noch nicht mal den Schild zur Abwehr der „Spieße“ benutzt.

Die einfache Aufgabe war, mit den Spießen in Formation zu fünft den Soodenwolf, also Bernhelm als nicht ganz so gruseliger Ersatz, in Richtung einer Hauswand zu treiben und so zu binden, dass Nummer sechs – der doofe Tegan – mit einem richtigen Spieß mit richtiger Spitze zustechen kann. Aber – Nicht mal das. Jetzt steht dem doofen Tegan die Elle aus dem Unterarm, zwei liegen winselnd am Boden und scheißen sich ein, Nummer 4, der ewig rattige Borig, hält sich die Eier – es macht aber auch zuviel Spaß ihm die immer wieder zurecht zu rücken – und Nursa rappelt sich, blutigen Rotz ausspuckend gerade wieder auf. Ist zwar noch nie was Gutes aus dem solanischen Kackland gekommen, aber vielleicht ist sie da mal ´ne Ausnahme.

Wie dem auch sei. Bernhelm lässt seinen Blick mit saurer Miene über die Szene streifen und steht auf. Hilft ja nichts. „Jetzt hoch mit euch Lumpen! In doppelter dreier aufstellen und Spieße nach vorn! Der Scheißwolf wartet auch nicht bis ihr fertig geheult habt und interessiert sich ´nen Dreck für die Scheiße in euren Hosen.“ Bernhelm wirft mit Wucht einen Scheit Holz nach Tegan. „Du!“ Der Getroffene mit dem gebrochenen Arm heult auf und versucht sich mühsam aufzurichten. „Sieh zu dass du wenigstens noch die nächste Runde stehst und beim Zuschauen was lernst. Umfallen is nich! Die Kameraden zählen auf dich.“

Viel zu langsam nimmt die Formation wieder Gestalt an. Zwei simple Dreierreihen hintereinander mit fünf nach vorn gereckten „Spießen“. So bleiben die Kerls zusammen und geben sich etwas Halt. Bei Bedarf können sie sogar sehr schnell Auffächern und den Gegner umstellen. Das klappt sogar schon einigermaßen. Bei der wichtigsten Regel versagen sie jedoch noch. Zusammen stehen – Formation halten. Allzu leicht kann Bernhelm – oder schlimmer, der Soodenwolf – ihre kleinen Reihen auseinander ziehen und aufbrechen. Wenn das passiert, haben sich mit den drei Schritt langen „Spießen“ verkackt. Einen nach dem Anderen, gern auch zwei auf einmal, kann er sich dann heraus pflücken und niederschlagen. Der sechste, der richtige Spieß kam bisher noch nichtmal zum Einsatz. Das Ganze ist eine Abwandlung der Brecher-Formation aus den alten Tagen bei der Grünen Feste. Nur eben gegen große Viecher wie den Soodenwolf. Also wirklich große und böse Viecher in diesem Fall.

Als alle wieder in Reihe stehen, weist Bernhelm die gerade Niedergeschlagenen an, genau hinzusehen. „Nursa!“ Die ehemalige Diebin zuckt zusammen, meldet aber zackig: „Bernhelm?!“ Sich die nach wie vor blutigen Hände reibend grinst er sie an. „Jetzt der zweite Haufen. Du führst sie wieder. Wenn diese Runde auch nur einer von euch Traumtänzern noch steht, dann darfst du das heute Abend auf meinem Schoß feiern!“ Sie grinst aus zerschundenem Gesicht zurück und dreht sich zu ihrem Haufen um. „Dem seine Eier gehören mir! Holt sie mir!“

Als die gesenkten Spieße auf Bernhelm zu marschieren huscht ein Schmunzeln über sein Gesicht. Es reicht ja auch, wenn nicht gleich alle ins Gras beißen im Ernstfall. Tauron will die scheiß Soodenwölfe aus dem Dorf halten… wenn´s ein paar Schiedwehren kostet schert’s ihn nicht. Das Dorf zählt. Mehr hat Bernhelm ihm auch nicht mehr versprechen müssen. Er knackt mit den Handknöcheln und geht mit seinem Grinsen langsam auf die Schiedswehren zu. „Die armen Kerls…“

Schreibe einen Kommentar