„Ein irrer Hexenjäger aus dem Westen soll er gewesen sein, sagt man.“
„Ein ehemaliger Ceride, sagt man.“
Die beiden Herren im Hinteren Teil der Kapelle sprechen leise. Müssten sie nicht, denn der Regen wirft sich laut durch das undichte Dach in die Pfützen auf dem Kapellenboden. Ihr Gestus wirkt zugewand. Man weiß sich zu benehmen als Bruder des Sonnenordens von Champa, auch wenn einem etwas nicht schmeckt. Und die Speise, die hier serviert wird, ist ihnen arg unbekömmlich.
Langsam und aufrecht schreitet ein Mann im Ordensgewand durch die Kapelle. Bruder Lammfromm oder auch der Galgenpeter, wie er sich früher nannte, hat keine Augen für die kleinen Geschichten zu seinen Seiten, für die Lästereien, Neider oder dem schief singendem Prügelknabenchor. Sein Blick gilt allein dem Altar.
„Andererseits, es ist Politik und vielleicht nicht die Schlechteste.“
„Ihr meint wegen des neuen Konzilbeschlusses? Was haltet Ihr davon?“
„Dass der Orden seine Anwesen zu Wirtschaftshöfen ausbauen möchte? Hm, die Ceriden im Westen fahren gut damit. Jedes Kloster ist zur autarken Selbstversorgung in der Lage. Sie verkaufen guten Wein, züchten Vieh und haben volle Kassen. Und wir? Wir sind von Spenden abhängig. Seit der Krieg schweigt, meint der weltliche Adel, sich unsere Gunst nicht mehr in selbem Maße wie früher versichern zu müssen.“
„Wir waren Krieger und nun werden wir alle noch alle Bauern.“
Bruder Lammfromm ist am Altar angekommen. Vor dem Sonnenprior im Prunkgewand sinkt er auf die Knie. Die Füße sind ihm nass geworden und von der Stirn tropft ihm Wolkenbruch oder ist es Schweiß? Die müden Augen des Priors schauen leer durch den Adepten hindurch und monoton überquert Litanei seinen Kiefer. Einige Worte krallen sich noch an die Zunge, nur um von ihr abgeschüttelt zu werden und hoffnungslos zu Boden zu sinken. Ein Junge des Prügelknabenchors gähnt und fängt sich eine Backpfeife ein.
„Man sagt, dieser Lammfromm wäre vom Pferd gefallen und in der prallen Sonne gelegen, dass ihm das Hirn verdampft wurde. Was überblieb, soll ihm Visionen von ganz oben gegeben haben.“
„Das Licht findet überall hin einen Weg und in einem leeren Kopf ist mehr Platz. Mir berichtete ein Graf aus Cruor, er hätte intervenieren müssen, damit unser neuer Bruder ob seines religösen Eifers dort während einer PRedigt nicht vom Mob gelyncht würde.“
„Vielleicht sollte er mehr predigen, dann wären wir ihn schneller wieder los. Wieviel hat er eigentlich gespendet, um so schnell aufzusteigen. Lichtservant, dafür müssen andere Jahre dienen.“
„Oh, eine Menge soll’s gewesen sein. Einiges an Gold, ein Handelskontor in Neu Ahornbach samt Konzessionen, ein heiliges Schwert aus Welder und Feenstaub aus Lyosan im Wert eines kleinen Königreiches.“
„Und das macht Ihn würdig?“
„Er hätt’s auch behalten können.“
„Zeugt von wenig Verstand.“
„Es hilft, das Dach zu flicken und der neue Wirtschaftsplan braucht jede Invesition. Immerhin, er hat nachweislich eine Hexe verbrannt.“
„Niemand ist gänzlich nur mit Tadel. Vielleicht verbrennen wir nun auch wieder mehr Hexen. Die Siebenhöfener haben da die besseren Quoten.“
„Bleibt zu hoffen.“
Inzwischen wiederholt Bruder Lammfromm in kontrastierender Inbrunst das Erste Lied des Sonnenordens von Champa, jenen ältesten überlieferten Glaubenstext, den ein jeder hier Anwesenden im Schlaf mitsprechen kann.
„Ich bin die Flamme des Lebens.
Ich bin das Feuer der Welt.
Mein Schwert trennt Gutes vom Bösen.
Mein Odem trägt Licht in die Nacht.
Wo Finsternis deiner Seele trachtet,
Ruf mich an! Und sie wird werden wie Staub.
Wo dunkle Pfade hin zum Zweifel laufen.
Ruf mich an! Und heller Schein weist dich zum Sieg.
Und fallen die Freunde auch zu deinen Seiten,
Halte Stand den Blick zu mir und Ruf mich an!
Denn dich will ich geleiten.
Dass du vollbringst dein Werk.“
Als die Zeremonie sich dem Ende neigt, erhebt sich Bruder Lammfromm in seinem neuen Rang, den Blick verklärt. Ob er über seine Aufgabe sinnt, welche ein jeder neu Aufgestiegener zu erfüllen hat: Eine dunkle Tat aus der Vergangenheit sühnen? Die beiden lästerlichen Herren wirken erleichtert, sich wieder zurückziehen zu dürfen.
„Nun, die Sonne findet immer Mittel und Wege, sich unwürdiger Diener zu entledigen.“
„Und Helfer, Bruder.“
„Ja Bruder, aber das Licht bewahre vor solchen Gedanken.“
„Natürlich, Bruder.“
Der die Kapelle verlassende Pulk wird von einem erbaulichen Hoffnungslied des Prügelknabenchors begleitet.
Der Tag war gut, das Wort war schön,
War wirklich keine Sekte.
Bevor wir jetzt nach Hause geh’n
lasst klingeln die Kollekte.
Erbaulich war das Gotteswort,
Wenn nur alle so empfänden.
Morgen hier am gleichen Ort,
da will ich noch mehr spenden.
Der Priester hat es wohl gemacht,
Nun enden meine Qualen,
Die Wahrheit hat er gut gesacht,
Dafür will ich gerne zahlen.
Alle Leute sind jetzt froh
und klappern mit dem Wimpern
Da das war nicht immer so,
Lasst den Klingelbeutel klimpern.
Was nützt mir Geld, was nützt mir Lohn
Wenn Dämonen mich zerreißen,
Nichts zu spenden wäre Hohn
und auf die Götter scheißen.
Wer nichts spendet ist ein Schuft,
die Seele soll vermodern,
Er soll fahren in die Gruft
und im Feuer lodern.
Wer geizig ist in diesem Kreis,
soll das Himmelreich nicht erben,
Dem rufen wir, damit er’s weiß:
Leg dich hin zum Sterben!