Der Herr von Champa saß in einer Zelle des Sonnenordens und blickte aus dem Fenster. Dort auf dem Hof der Ordensburg war eine reich verzierte Kutsche zu sehen. Viel Reiterei und Tross war mitgereist. Er hatte zwar nicht gesehen wer da angekommen war, hoffte, der Farben der Kutsche wegen, jedoch inständig auf seinen alten Freund und derzeitigen Widersacher, den Baron Siebenhöfens.
In den letzten Wochen hatte Alfried Waag die gesamte bekannte Gefühlspalette und mehr durchleben müssen. Angefangen hatte es mit Wut, Hass und Angst. Wut auf die Seinen die IHN, ihren eigenen Baron, niedergeschlagen und hier eingesperrt hatten und hielten wie einen tumben Verbrecher. Der Hass war glühend heiß entfacht auf einen möglichen Spion aus Siebenhöfen und den Rat von Trum mit dessen so loyalen wie brutalen Ratsfrieden. Der Sonne sei Dank, dass die Tür der Zelle mit Stahlriemen verstärkt war, sonst wäre mehr als Geschrei und Gezeter nach außen gedrungen. Die Angst vor dem Verlust der Macht hatte dafür gesorgt, dass die dicken Türbretter jetzt lose und die Fäuste des Barons blutverkrustet waren.
Dann, nach wenigen Tagen war es, als würde eine schwarze Wolke von der Seele des Barons verschwinden und die Sonne schien mit aller Kraft durch das vergitterte Fenster. In ihm breitete sich die Erkenntnis aus, für eine sehr lange Zeit nicht genau zu wissen, was alles passiert war. Viele schwammige Erinnerungen waren da. Erinnerungen, die sich nach und nach aufklärten und den Baron teilweise tief erschütterten und auch schwer betroffen machten. Gleich nachdem Baron Waag dies erkannte, forderte er seine sofortige Freilassung bei den Wachen ein. Die allerdings brachten nur neue Kleider und Essen in die Zelle und verschlossen sie wieder.
So ging noch mehr Zeit ins Land und es klärte sich in den Gedanken und Erinnerungen alles auf. Das Essen und die Zeit stellen langsam auch die Gesundheit des Barons wieder her. Die Hände waren verheilt und er verbrachte viel Zeit mit Nachdenken und den täglichen wie nächtlichen Gebeten an die Sonne.
Dann kam der Tag an dem die gelb-schwarze Kutsche in den Hof der Ordensburg einfuhr. Auf seinem Bett sitzend erwartete der Baron das Kommende. Sie ließen ihn lange warten. Nach einigen Stunden kamen viele Schritte den Gang entlang und hielten vor der Zellentür inne. Der Schüssel wurde gedreht und die Tür geöffnet. Es knarrte und da im hellen Licht der Sonne die durch das Zellenfenster schien stand er. Ortwin von Uhlenbruch, der Baron von und zu Siebenhöfen. Die Sonne zeichnete harte, ernste Schatten auf dessen Gesicht und ließ seine geradezu albern blonden Haare schier leuchten. Die Blicke der Männer fanden sich. Alfried Waag stand auf und kam langsam zur Tür. Ortwin drehte die Hände und zeigte seine Handflächen. Kein Dolch. Das Schwert trug der Knappe. Es mochten Stunden sein oder auch nur ein Augenblick. Vorwurf? Bedauern? Hass? Vergebung? Scham? Trauer? Keine Worte konnten beschreiben was diese beiden Männer mit ihren Augen sprachen. Stille. Irgendwann setzten beide zu einem Schritt an und mit einer langen Umarmung begruben die beiden, die sich seit so vielen Jahren schon kannten, alle Gedanken an Hass und mit diesem starb auch ein Teil von IHM.
ER hatte sich gefunden. „Wir müssen reden.“ Diese drei Worte Ortwins klangen nach Zukunft. Eine Zukunft. Alfried Waag, Baron von Champa verließ zusammen mit seinem alten Freund die karge Zelle in Richtung Saal. Seine Sonnenpriester hielten in ihrem aufgeregten Gespräch mit dem Pater Ortwins inne und verbeugten sich tief. Ein Lächeln stahl sich auf SEIN Gesicht. Ein Lächeln. Baron Alfried nickte freundlich und ging weiter.