Als der Nebel sich bildet, sieht Elder erstaunt hoch und festigt den Griff um die Kräutersichel in ihrer Hand. Ein nutzloses unterfangen, sollte etwas Bösartiges aus dem Nebel kommen, aber so fühlt sie sich besser. Der Mann, der aus dem Nebel tritt, macht es nicht besser, so dass der kleine Korb mit den geschnittenen Herbstzeitlosen auf dem Boden landet. Doch noch sagt sie nichts und zieht nur eine Augenbraue hoch, als er nach ihr fragt. Die nächste Frage führt zu einem definitiven Stirnrunzeln.
Vor allem, als er einfach so den Nebel wieder verschwinden lässt. Das wurde ja immer bunter. Irgendwann scheint er sich auch zu besinnen, weshalb er anscheinend gekommen ist und überreicht den Brief Stilars, der mit einer Distel geschmückt ist. Schon wieder eine Distel!
Dem Boten dankend, schlägt sie ihm vor, doch im Gasthof des nahen Dorfes Unterkunft zu finden, so er sie denn nötig hat. Währenddessen hat sie die ganze Zeit die kleine, dafür umso schärfere, Sichel in der Hand verborgen, Hennas wilde Ideen sind doch nicht spurlos an der eigentlich gutmütigen Heilerin vorbeigegangen.
In ihrer Kammer liest sie den Brief, je mehr sie liest desto finsterer wird ihr Gesichtsausdruck, unbewusst schliesst sie die rechte Hand zur Faust, das Mal des Vampirs erinnert sie auch heute noch an jene dunkle Nacht.
Schliesslich legt sie den Brief beiseite und atmet erst einmal tief durch und facht ein Feuerchen an, um sich einen Tee zu kochen, das gibt ihr Zeit, ihre Gedanken wieder zu ordnen.
Mit dem fertigen Tee in der Hand setzt sie sich wieder hin und nimmt eine Feder zur Hand
“Hallo Stillar,
es freut mich, dass du deinen Bruder wieder gefunden hast, und du hast Recht, es ist zu lange her, dass wir uns gesehen haben. Das deine Künste voranschreiten, ist für mich keine Überraschung, du hast das Talent zu einer guten Heilerin und wer viel reist, erlebt auch viel. Das von dir genannte Brennpulver kenne ich nicht, wäre damit aber auch sehr vorsichtig und würde wohl erst einmal damit experimentitieren bevor ich es einfach an Menschen einsetze. Die Wirkung scheint auf jeden Fall erstaunlich.
Das du dich auf dem Schlachtfeld wohler fühlst, kann ich nachvollziehen. Mir geht es mittlerweile so, das ich auf dem Schlachtfeld gegen die Einflüsterung von Furchtflüchen weitestgehend immun bin. Doch das ist nur auf dem Schlachtfeld, eigentlich eher am Rande davon der Fall. Versorge ich einen Menschen nach dem anderen, ist mein Geist zu beschäftigt, um Angst zu haben.
Meinen Glückwunsch zu der vollständigen Entfernung des Warpsteines. Das erste und bisher einzige Mal das ich Kontakt mit so etwas hatte, wusste ich nicht was es war. Zusammen mit einer orientalischen Heilerin schnitten wir einen Stein aus der Brust eines Reisegefährten und deckten die Wunde mit seiner eigenen Haut wieder zu. Um die Wirkung dieses Steins wussten wir jedoch nicht. Die Alchimisten ätzten mir das gesamte Fleisch von den Knochen, ich sah es als Brei von meiner Hand und zischend auf den Boden tropfen. Die Schmerzen waren unerträglich.
Umso mehr freut es mich, dass dir dies erspart blieb.
Ein Priester wäre damals wohl auch hilfreich gewesen.
Doch ehrlich gesagt, mache ich mir grosse Sorgen, wenn ich lese, was dir widerfahren ist und noch mehr, wenn du schreibst, wofür du dich interessierst. Deine Beweggründe verstehe ich schon, auch mich interessiert die Versorgung von magischen Wunden. Willst du dich aber für dieses Wissen wirklich auf das Chaos einlassen? Auf dunkle arkane Künste, die nur darauf warten, deinen wissensdurstigen Geist zu verführen? Sie versprechen die alles und nehmen dir noch viel mehr… „
Hier scheint die ungelenk wirkende Schrift Elters noch steifer zu werden, bevor sie wie zuvor weiter geführt wird.
“Böse Zauberer und Dämonen sind nichts für die ungeübten. Sag bitte nicht, dass du durch Erfahrung mit diesen Dingen geübter wirst. Selbst ein Paladin wäre bei solchen Dingen überaus vorsichtig. Kannst du dir vorstellen, dass einer der Paladine vom Helwart Orden sich mit solchen Dingen aus Neugierde beschäftigt? Neugierde kann hilfreich sein, aber allzu oft ist sie ein tödlicher Fluch.
Und welche Mittel helfen, ist oft davon abhängig, welcher Art die Wunde ist. Es hat mich ein Jahr des Experimentitierens mit vielen Fehlschlegen gekostet, eine Salbe zu entwickeln, die milde Flüche niederer Magie wirkungslos machen kann. Dazu benötige ich unter anderem den seltenen Drachenwurz, den ich schon seit Jahren versuche zu züchten, jedoch ohne Erfolg. Eisenkraut ist auch eine gute Methode, aber wie du schon sagtest, auch sehr selten.
Ich bitte dich instendig, halte dich von derart dunklen Quellen fern.
Wenn du von „Priestern“ schreibst, habe ich dein Eindruck, dass es dir damit nicht wirklich ernst ist, aber das sollte es sein, wenn du diesen Weg gehst.
Hoffentlich sehen wir uns bald einmal wieder
Mit den besten Grüssen aus Trum
Deine Freundin Elder
Ein Bote bringt den Brief zu dem Boten, der sich tatsächlich für einen oder zwei Tage im örtlichen Gasthof ausgeruht hat.