Ich lag gefesselt und geknebelt mit einem Sack über dem Kopf auf einem Schiff, die Bewegungen des Schiffs ließen Übelkeit in mir aufsteigen, die ich verzweifelt niederkämpfte, denn würde ich mich übergeben, wäre es mein Ende. Und noch war ich nicht Tod. Ich hatte Angst und war wütend zugleich. Da waren Stimmen, ich kann sie hören, einige klingen bekannt…aber ich kann sie nicht einordnen, doch die Gesichter der beiden, die mich gegriffen habe, die kenne ich wohl!
So gerne würde ich meine Angst herausbrüllen und sie verfluchen, aber ich kann es nicht. Als Schritte näher kommen, trete ich nach ihnen und treffe wohl auch, denn ein Schlag ins Gesicht, begleitet von einem Fluch lässt mich ohnmächtig werden.
Als ich irgendwann wieder stöhnend und benommen zu mir komme, hat sich der Tonfall der Stimmen verändert. Sie sind näher und aufgeregt. Ich kann sogar verstehen, was sie sagen.
„Da ist es wieder!“ „Wo?“ „Da drüben!“ „Verdammt, das ist die Barons Stolz, die ist schon seit Siebenhöfen hinter uns her“ „Wenn die uns kriegen mit der da drüben… “ „Wieso?“ „Die hat ein Trum Wappen am Gürtel!“„Wir müssen die loswerden!“ „Aber das Geld“ „Scheiß auf das Geld, die hängen uns! Wir schmeißen sie über Bord, dann säuft sie ab. Tote reden nicht“.
Als ich das höre, steigt die Panik wie ein Eisklumpen in mir auf, ich bin kein guter Schwimmer, schon gar nicht gefesselt, mit einem Sack über dem Kopf und einem langen Kleid.
Da mischt sich eine andere Stimme ein.
„Wir haben weniger Tiefgang, wir segeln an die Küste und werfen sie da ins Wasser, wenn die Götter es wollen, schafft sie es und wenn nicht…nicht unser Problem“ allgemeines Gelächter folgt diese Worten. Mit läuft es kalt den Rücken herunter, ein ersticktes Keuchen entringt sich mir. Sie würden mich einfach ins Meer werfen und mich ertränken!
Nach meinen Gürtel tastend, falls er noch da ist, versuche ich eine der Sicheln zu erreichen, um wenigstens die Fesseln los zu werden und so eine Chance zu haben, doch es ist zu spät. Grobe Hände packen mich und zerren mich auf die Füße. Trotzig und verzweifelt trete ich um mich, dann töten sie mich vielleicht schneller. Einige male fühle ich, wie ich jemand oder etwas treffe. Bis mir jemand wieder ins Gesicht schlägt. Benommen spüre ich nur noch, wie ich hochgehoben und geworfen werde. Nicht einmal Luft holen kann ich, bevor ich ins kalte Wasser stürze und sinke wie ein Stein.
Die Panik hat vollkommen Besitz von mir ergriffen, ich will nicht sterben, nicht so!
Ohne zu wissen wohin, trete ich, versuche ich nach oben zu gelangen, ohne zu wissen, wo oben ist. Einmal meine ich Gelächter zu hören, meine Stimmen zu hören, meine Mutter? Sie ist doch schon so lange Tod!
Die wenige Luft in meinen Lungen brennt wie Feuer. All meine Wünsche, Pläne Träume…vorbei.
Etwas in mir, das nicht zu mir gehört, wütet, gibt mir
Energie, noch einmal zu versuchen, die Wasseroberfläche zu erreichen, Luft zu
bekommen. Doch ich schaffe es nicht, der Sack klebt an mir und ich fühle, wie
die Welt endgültig schwarz wird.
Ein schrilles Geräusch lässt mich unbewusst zucken. Hände greifen nach mir, das
muss schon das Delirium sein, denn ich fühle, wie ich mich bewege. Mich schnell
bewege. Ja, jetzt lande ich wohl in der Hölle, an die die Ceriden glauben, nur
das ich kein Ceride bin.
Fast hätte ich gelacht, doch ich war immer noch unter Wasser.
Plötzlich stoppt die Bewegung, irgendetwas zerrt mich aus dem Wasser und ich
werde durch die Luft geworfen. Seltsamerweise denke ich noch, das ich weiß, wie
groß und schwer ich bin, selbst jemand von Hennas Körperkräften hätte
Schwierigkeiten, mich hochzuheben.
Dann schlage ich auf hartem und zugleich weichem Grund auf und meine Sinne, die
wenigen, die noch bei waren, verlassen mich endgültig.
Etliche Meter vom Strand entfernt stecken zwei Nixen die Köpfe aus dem Wasser,
sehen mich oberhalb der Wasserlinie, stoßen ein schrilles Geräusch aus und
verschwinden wieder unter Wasser.
Der Sonnenorden zu Champa investiert in Angelruten.
Tage waren vergangen, seitdem die Crew der Tyra Lorena mich gefunden und mir das Leben gerettet hatte. Mehr oder weniger dahindämmernd, nahm ich kaum etwas war, auch wenn ich spürte, das andere Menschen da waren. Ich meinte, Ava zu hören, wir sie immer wieder mit mir sprach. Silas, Veiculo, Cassidy, Järker, Hidden und Shiba, selbst das Gebrummel von Henna.
Doch irgendwie wollte es mit nicht gelingen, wirklich wach zu werden, so sehr ich mich auch bemühte. Etwas hinderte mich, es war fremd, es war beängstigend und ich konnte mich nicht wehren, nicht einmal wütend werden konnte ich.
Irgendwann griff mich jemand an Arm, ganz sanft, und zog mich von dem Lager, auf dem ich lag, und führte mich auf das Deck des Schiffes. Die grelle Sonne blendete mich und ich wollte wieder in das dunkel verschwinden. In das Dunkle verschwinden, der Gedanke irritierte mich kurz, doch Henna blieb nicht stehen und zog mich bestimmt weiter. Er erzählte etwas von den Drachenlanden und ich sollte mitkommen, sie würden mir dort helfen, meinen Kopf wieder klar machen.
Komischerweise freute ich mich, während etwas in mir tobte und weiter dämmern wollte. Den Kopf schüttelnd ignorierte ich das Toben und ließ mich weiter führen. Sowie ich den Fuß an Land setzte, fühlte ich eine ungeahnte Energie, die mich durchströmte und mich veranlasste den Kopf zu heben, doch meine Augen konnten oder wollten keinen Punkt finden. Henna redete weiter, ich verstand so gut wie nichts von dem, was er sagte, nur immer wieder, dass die Tyra einen Weg gefunden hatte, alles gut zu machen.
Ich vertraue Henna mein Leben an, genauso wie ich allen vertraue, die zurzeit auf der Tyra Dienst tun, also ging ich mit.
Es dauerte nicht lange, bis wir im Lager der Tyra Lorena ankamen. Es verunsicherte mich, fremde Gestalten zu sehen, verdammt, seit wann war ich so ängstlich? Plötzlich aufsteigender Hass wurde durch Ava besänftigt, die mir sagte, ich sollte ihnen einfach nur vertrauen und alles würde gut.
Dennoch seltsam beunruhigt legte ich mich auf die bunten Kissen und betrachtete die beiden Frauen, die herankamen, SEHR misstrauisch. Eine war bildschön, in Blau und Silber gekleidet, die andere schien finsterer Natur. Doch bei beiden spürte ich eine enorme Kraft. Ich sollte meine Augen schließen und nach kurzem Zögern tat ich es auch.
Die Erinnerungen an die Nacht, als ich entführt wurde, kamen zurück, mit aller Macht. Erneut rief ich um Hilfe, erneut war es vergebens, erneut wurde ich geschlagen, ohne zu wissen, warum, aber mit dem Gefühl, dass es meinen Peinigern viel Spaß machte. Doch etwas war anders. Ein silbriges und ein dunkles Leuchten lag über diesen Bildern. In aller Klarheit sah ich die Ereignisse, fühlte die Schmerzen, die sich verringerten, so wie sich bestimmte Bilder aus meinem Kopf entfernten und doch blieben. Eine Stimme befahl mir, die Augen zu öffnen und ich konnte nicht anders, als zu gehorchen. Es war die die dunkle Frau, sie zog die Namen der Entführer aus mir heraus und sagte sie der Crew, was ein erregtes und zorniges Gemurmel hervorbrachte. Nur einen Moment später schlief ich wieder ein, dank der Frau in Blau und Silber.
Als ich erneut die Augen öffnete, sah ich zum ersten Mal seit Tagen, seit dieser Nacht, klar. Über mir spannte sich der blaue Himmel und es war warm. Irritiert sah ich mich um, erkannte die Tyra Lorena. Und es war kein Traum oder eine Phantasterei eines geschädigten Geistes, der sich irgendwo hin geflüchtet hatte.
Ich sah den sonst so jungenhaften Cassidy und die normalerweise fröhliche Lexa mit grimmigen Gesichtern an meiner Seite sitzen. Sah Ava mit unheiligem Zorn in den Augen. Plauze, Henk, Henna, die uns alle bewachten, was wohl auch nötig war.
Silas, der herankam und dessen stilles Lächeln sein Gesicht leuchten ließ. Julio und Veiculo, die wie immer ihre Gedanken hinter groben Sprüchen verbargen.
Die dunkle Frau fragte mich, ob ich wüsste welcher Tag sei, doch ich wusste es nicht.
Aber alles andere wusste ich, und ich wurde unglaublich wütend, so genannte Freunde hatte mir dies angetan, hatten mich misshandelt und versucht, mich zu ertränken, um ihre Hälse zu retten. Ich sah diesen Zorn in den Gesichtern der Crew und schwor mir, nie wieder einem Nordmann den Rücken zu zudrehen, und keinem von ihnen mehr zu vertrauen, niemals wieder.
Ava versprach mit unglaublich finsterer Miene, dass es Tote geben würde, dass sie langsam und qualvoll sterben würden und dass sie um ihren Tod betteln würden.
Eine unheilige, sehr dunkle Freude breitete sich bei diesen Worten in mir aus, gleichzeitig wurde ich so müde, als wäre ich tagelang wach gewesen.
Cassidy sagte mir, ich solle seine Kabine benutzen, er würde sie sowieso nicht brauchen, und mich ausruhen, so lange, wie ich brauchte. Ich nickte ihm dankbar zu, und machte mich mit Henna auf den Weg zurück zum Schiff, unendlich wütend, enttäuscht über so genannte Freunde und endlos froh, wieder ich selbst zu sein.
Auf dem Schiff angekommen, fielen mir die Worte der blausilbernen Frau wieder ein, dass einige Verletzungen wohl noch dauern würden. Ich sah in einem Eimer, benutzte das Wasser als Spiegel und war erschrocken über den Anblick meines zerschlagenen Gesichts. Kein Wunder, dass ich nicht richtig hatte sehen können. Als Heiler wusste ich jedoch, das würde heilen, und ich würde mit Freuden zusehen, wenn meine Entführer genauso zugerichtet werden würden…