Nach einem hevorragenden Abend
in der Blutgrube, vollem Geldbeutel und vom Bier noch dumpfen Schädel wacht Tauron in seiner Kammer der Kaserne Süd auf. Kurz hält er inne, wartend auf das vertraute Gefühl vom Gekröse,
das sich ankündigt ab und an nach guten Nächten, mit flauer Leere und drückend Kloß im Halse. Nichts. Zu seinem eigenen Erstaunen martert ihn außer dem Dumpfschädel und die Zunge, über Nacht anscheinend mit einem dicken schalen Pelz überwuchert, nichts. Sollte er sich die Zunge kämmen? Mit kurzem lautlosen Lachen stemmt er sich vom Strohsack auf. Ging alles schon mal leichter und der Rücken ziept morgens auch schon mal recht kräftig. Trotz bester, frischer und trockener Strohfüllung. „Nicht klagen alter Junge“ denkt Tauron sich. Schließlich hat er’s warm und ruhig. Ruhig – oh beim Rückenbarte einer fetten Orkenschranze – ohne die Blutgrube würde er
wohl vor Ruhe schon von alten Zeiten plaudernd jungen Kriegsknechten die Welt erklären.
Verdammt, jetzt wo er darüber nachdenkt, tut er schon GENAU DAS. Naja, was soll’s. Auf Abenteuer wie in Amaris kann er auch gut
verzichten oder?
Sich anständig kratzend und über die schon wieder zu engen Hosen fluchend macht er sich fertig zum Dienst. Wenig später ist dank bestem Wiedenauer Dünnwein nun auch der Dumpfschädel weg und statt schalem Muff liegt ihm die süße frische der Goldküstentrauben im Maul.
S’gab wahrlich schon schlechtere Zeiten für ihn. Da Weibel Ekarius unterwegs ist, meldet sich Tauron direkt beim Sergeanten zum Dienst und wird brüsk empfangen.
„So, Tauron. Schön, dass sich der Herr auch schon die Ehre gibt!“ Etwas verwundert fragt Tauron was denn los sei. „Ich mach’s kurz Junge“- JUNGE???? er verhört sich wohl gerade und der olle Sergeant hat Glück, dass er grad gute Laune hat und der Rücken ziept – „Du verpisst Dich besser aus Siebenhöfen.“
Etwas neugierig fragt Tauron nach wohin denn der neue Auftrag gehen soll, weil nach Amaris hat er keine Lust und in Hardemunt wärs noch sehr kalt und auf Solania kann absolut verzichten dieses Jahr! „Ich sagte VERPISSEN! Für IMMER!“
Nun fährt doch ein „WAS?!“ aus Taurons überraschtem Gesicht. Eilig denkt er drüber nach, wobei er mit seinem Treiben
aufgeflogen war. Die Blutgrubenwetten? Die Schutzgelder am Schuhmarkt? Oder doch die abgeschnittenen Finger vom Schneider Siggen nach säumigen Spielschulden.
„Frag mich nicht, interessiert mich auch nicht. Ich weiß nur, irgendwer von Oben will dass Du verschwindest. Heute.“
Der Sergeant deutet auf den Tisch „lass den Gelbrock hier, den Rest kannst Du behalten.“ Er wirft dem verdutzten Tauron einen Beutel Geld hin. „Der Lohn bis zum Monatsende.“
Völlig überrumpelt vom Geschehen streift Tauron den
Wappenrock ab und nimmt den Geldbeutel an sich. „Aber, aber, aber….“ versucht er Worte zu finden. „Stotter nicht herum Tauron, sondern geh. JETZT!“ Der Sergeant nimmt Tauron bei der Schulter, dreht ihn um und schiebt ihn zur Tür heraus.
„Bei Ortwins Blondschopf…“ er sieht ihn wie Tauron meint irgendwie besorgt an „Zöger nicht und beeil Dich! Verlasse die Stadt! Am besten gen Westen und…“ ein letzter Druck auf die Schulter, dann ein leises „pass auf Dich auf.“ Der Sergeant dreht sich um und schließt die Tür.
„WAASSS??!!“ Irgendwie geht das zu schnell und weckt Taurons Misstrauen. Scheiße. Wenn der Sergeant so handelt, muss da was hinter stecken und er sollte sich tatsächlich sputen. Alle seine Missetaten der letzten Wochen schießen ihm durch den Kopf und nicht wenige dabei, die ihm richtig an die Eier gehen könnten. Scheiße!
Egal für welchen Mist er gerade am Arsche ist, Eile ist geboten. Die Hauptstadt der Unfälle verzeiht Vieles, aber kein Zögern.
Unter ständigem Umschauen stiehlt sich Tauron aus der Kaserne und versucht möglichst ohne Aufsehen zum West Tor zu gelangen. Wird er nicht beschlichen? Wackeln da nicht die Pfannen am Dach? Nie kam ihm Siebenhöfen so bedrohlich vor, hatte er doch stehts für Unfälle gesorgt und musste selbst wenig fürchten als Gelbrock.
Dem aufdringlichen Zweifinger Jhoon, hieb Tauron die Faust samt Henzen ins faulige Maul. Er hat keine Zeit sich mit dem Bettler
abzugeben.
Das West Tor ragt vor ihm auf und die lange westliche Farstat. Zum Glück ist sie gerade nicht für Schiffe geöffnet, auf den Sergeanten war verlass. Er zieht den Helm vom Kopf und die Mütze tief ins Gesicht. Verbirgt schnell die verräterisch gelb verzierten Armpanzer im Mantel, nun als Sack gebunden, und geht angespannt durchs Tor.
Die beiden Wachen kennt er nicht, dafür war er umso bekannter. Zu seinem Glück sind die gerade mit einem Fuhrwerk beschäftigt und er kann unerkannt das Tor und die Brücke queren.
Nach ewigen bald 20 Minuten ist er am Westende angekommen und erlaubt sich nach dem westlichen Wachtor ein erstes Durchatmen. Immer noch das Gefühl, als säßen ihm Augen im Nacken.
„Weiter Du Waschweib“ sagt er zu sich selbst und macht sich auf Westhof umgehend ins Sewenland zu kommen. Dort würde er sich und seine Gedanken ordnen können. Zuvor jedoch liegt ein langer Tag und eine durch marschierte Nacht vor ihm.[nextpage title=“und ein guter“]
Einige Tage
schon unterwegs machte Tauron Rast im marländischen Kalant. Er hatte versucht ungesehen soviel Strecke wie möglich zwischen sich und Siebenhöfen zu bringen. War durch ganz Gerberg gereist, abseits der Hauptstraße und hoffte in Kalant ein paar Tage zu verbringen und weitere Pläne zu fassen.
Der Schinkenkrug erschien als eine passende Kaschemme dafür also hatte er sich hier eine eigene Kammer genommen. Zu trauen war im Schlafsaal im Moment niemanden. Am späten Nachmittag angekommen verstaute er seine Habe in der Kammer, schlief ein oder zwei Stündchen und machte sich auf in den Wirtsraum für Speis und Trank .
Tauron sah sich um und wäre vor Überraschung beinahe die Treppe herunter gestürzt. Er fing sein Stolpern ab und starrte auf einen Tisch, an dem im sonst brechend vollem Schankraum nur eine Person saß. Grimmig schaute sie drein und sah auch schlecht gelaunt aus. Den abgetragenen Rock zierten einige Flicken auch der Rest der Erscheinung war eher wenig Vertrauen erweckend. Ein Totschläger wie er im Buche stand. Kein Wunder, dass der alleine am Tische saß. Kurz erschrocken sah Tauron sich genauer um. Nein, der Kerl schien tatsächlich allein zu sein. Also dann!
Ohne langes Federlesen ging Tauron auf den Schläger zu, rakte den Tisch mit einem Tritt beiseite und baute sich vor dem Tunichtgut auf. Der zuckte kurz, war wohl in Gedanken gewesen, und sah Tauron an. Langsam stand er auf und starrte zurück.
Die Kaschemme war auf einmal totenstill. Die Mäuler der Knechte und Weiber standen offen und nur ein Furz zerschnitt irgendwo im Raum mit feuchtem Blubbern die Stille. Das schien der Moment der Wahrheit zu sein.
Wie auf Kommando fingen Tauron und der Schläger an lauthals zu lachen, zogen den Tisch wieder heran und setzen sich grinsend.
„Was starrt ihr furzenden Glotzunken so dämlich drein?“ blaffte der Schläger die Gäste und Wirt an. „Bring Bier und Braten! Iss nich schlimm wenn’s schnell jeht alter Schmerbauch. Zackzack!“
Bernhelm. Der olle, alte, schönste Helm von allen. „Haben sie Dich geschickt?“ wollte Tauron wissen. „Wer? Ne, hatte ne Schuld zu begleichen in der Kurmarsch und sollte hier auf nen weiteren Auftrag warten. Sitze schon seit drei Tagen jeden Abend hier herum. Was treibt Dich her Haupstadtschnösel?“ Tauron drückte dem alten Weggefährten schnell die Hand auf’s Maul. „Maul! Erwähne das nicht.“ Er blickte sich skeptisch um. Niemand scheint zu lauschen, „bin weg von da. Aber das geht Dich nichts an Bernhelm. Also frag nich! Klar?“ Bernhelm schien kurz zu überlegen und nickte dann schmunzelnd „Klaaaarrrrrr“.
Die beiden wechselten ein paar Worte und der Wirt brachte Fleisch und Bier. Doch legte er noch einen Brief auf den Tisch. Darauf stand „Tauron“.
Dieser sprang auf und packte den Wirt am Kragen „VON WEM?“ zischte er „Schnell!“. Der Wirt sah sich kurz um und deutete eingeschüchtert zur gerade zufallenden Tür. Nur ein Schemen war noch zu erkennen. Er stürzte hinterher und sah sich vor der Kaschemme um, nichts. Könnte jeder hier gewesen sein. Tauron setzte sich wieder an den Tisch, riss den Brief auf und las hastig. Seine Lippen formten dabei leise und stockend die geschrieben Worte:
Werter Tauron,
bitte entschuldige das rüde Vorgehen und die Unbill Deiner Entlassung. Nur so ward der Schein zu wahren und Du nun frei in Deinem Tun. Mitnichten lastet Schuld auf Dir, die vergeben werden könne, doch sollst Du nun dafür nicht sühnen. Nein, gar ist das Gegenteil der Fall. Dein Gebahren und Fähigkeit fand Anklang an hoher Stelle, so dass sie Dich
auserkohr in spezieller Weise weiterhin zu dienen. Unerkannt, unbelastet der ehrbar Farben die Du trugst.
So Du einwilligst, sollst Du Deiner angestammten Profession nachgehen und Dich nicht kümmern fürderhin um Benehmen, Anstand, gute Sitten. Ja, abstreifen sollst Du sie und bar Gewissens handeln, ganz so, wie man einst Dich fand und errettete.
Nicht allein sollst Du dies tun, sondern Herr sein über eigen Schar an Männern deinesgleichen. Einer sitzt Dir gegenüber und so die Recherchen stimmen seid ihr einander wohl vertraut und verbunden über lange Jahre. Nenn ihn einen der Deinen und Dich selbst Hauptmann Deines künftig Haufens. In Deiner Kammer findest Du die dazu nötig Börse.
Nimm sie und willige ein, lass sie zurück und schlage aus. Sobald der Haufen steht erhältst Du Auftrag, Nachricht und Bedingung.
M.S.
„Was zum?“ Bernhelm starrte Tauron an. „Hauptmann Tauron und ich Dein Mann?“ Bernhelm lachte.
Verdammt! Er hatte laut gelesen fiel Tauron ein. Sein Verstand grübelte, konnte es nicht fassen.
„Obwohl“ meinte Bernhelm nach einigen Momenten der Stille,
„zahlst Du gut und willst mich achten? Dann, scheißenochmal, will Dein Mann ich sein!“ Bernhelm sprang auf „Was sagst Du? Heh? WAS SAGST DU TAURON? Wie früher heh? Nur mit gutem Sold und bessrem Lohn…na? NA?“
Tauron wusste nicht wie ihm geschah. Er spürte wie seine Rechte den Krug hob und er die Linke auf Bernhelms Schulter legte.
Dann hörte er sich sagen „Scheißenochmal! Hauptmann sollst Du mich nennen, Bernhelm. Sei mein Mann!“
Was? Hatte er das gesprochen? Tauron wiederholte leise die Worte „Hauptmann. Hauptmann.“ erst leise, dann immer lauter „Hauptmann. HAUPTMANN.“ Bernhelm stimmte ein und hob Tauron ächzend auf den Tisch „Jubelt ihr Saufbolde und frohlocket Weiber!“ Er machte eine vornehme Geste in Richtung Tauron, der oben auf dem Tische stehend grinste.
„Hier steht ein wahrer Prachtkerl. Ein Baum von Mann. Hauptmann des..ähhh.. der…“ Bernhelm füsterte Tauron zu „wie heißen wir denn nun?“ Tauron überlegte kurz „ähh.. ja.. Haufen.“
„Haufen?“ Eine Augebraue hob sich in Bernhelms Gesicht, „Haufen… Also! Seelig Volk vom Schinkenkrug“ er holte erneut mit großer Geste aus. „Bejubelt Tauron, Hauptmann seines prächtigen Haufens! LOOOS! Jubeln hab ich gesagt! Nicht lachen hörst Du! Was kichert ihr denn so dämlich? Was? Achsoooo…“
…