Am Grunde des Meeres liegt keine Hoffnung

Ein warmer, sonniger Morgen lag über dem Hafen von Märgelfurt. Die Möwen kreischten wie jeden Tag, als stritten sie über die Preise für Hering. nd mittendrin, auf dem Deck der ehrwürdigen Kogge Fürchtenichts, stand Kapitän Oberkiel, ein bärtiger, wettergegerbter Seemann mit Kompassauge und eiserner Nase. Neben ihm komponierte Maat Lütt mit einem Schiffstau eine Knotensymphonie. Am Kai wimmelten wimmelige Menschen, aber der, auf den es ankam, war nicht unter ihnen.

Man wartete auf Handelsherrn Böttcher, den Eigner der Kogge. Das Schiff hätte längst nach Rayon auslaufen sollen. Stattdessen traf Böttchers Handelsdiener ein, schweißgebadet als hätte er selbst den Pferdekarren gezogen.

„Herr Böttcher sucht noch seine Senatorenmedaille. Unmöglich, ohne sie abzureisen. Es geht euch zwar nichts an, aber Herr Böttcher wird sich in Rayon in ein hohes Hanseamt wählen lassen. Deshalb haben wir auch so viele Bestechungsgelder dabei. Ich hoffe diese wurden ohne Aufsehen sicher verwahrt?“

„Ich kann Euch nicht verstehen!“ rief der Kapitän von seiner Brücke aus zum Kai herunter.

„ICH HOFFE, DAS VIELE BESTECHUNGSGELD WURDE GUT VERWAHRT!“

„NATÜRLICH, AN EINEM GEHEIMEN ORT. AUSSERDEM WEISS SONST NIEMAND DAVON!“

„Dann ist’s ja gut!“ murmelte der Bote. Doch etwas bereitete ihm noch Unbehagen, etwas Unbestimmtes. So rief er zur Brücke hinauf: „Sagt mal, war die Fürchtenichts früher nicht mal größer?“

„WAS?“

„OB DIE FÜRCHTENICHTS FRÜHER NICHT GRÖSSER GEWESEN IST?“

„Brüllt micht nicht so an!“, murrte Oberkiel, der sich jetzt auf gleicher Höhe wie der Handelsdiener befand. Dies verwirrte nicht nur beide Herren, sondern auch die Umstehenden.

Alle blickten schweigend nach unten.

Die Fürchtenichts war abgesunken. Langsam, heimlich, furchtlos – aber unaufhaltsam.

Alsbald stellte sich heraus, die Fürchtenichts, stolzestes und einziges Schiff des Handelshauses Böttcher, war am Hafen auf Grund gelaufen. Morsches Kielholz. Die Fürchtenichts solle nichts fürchten, so lautete Böttchers Wahlspruch zur Schiffstaufe: weder Sturm noch Wellengang noch den Wurmstich. Eine Furchtlosigkeit, die sich nun Tribut forderte.

Ob Herr Böttcher es tatsächlich so gemeint hatte – und wer letztlich zur Rechenschaft gezogen wurde – das soll hier nicht weiter von Belang sein. Denn all dies wurde übertönt vom tage- und nächtelangen Wehklagen des ehrbaren Handelsherrn. Zwar war die Kogge bald wieder seetüchtig, doch ach – die Kosten, die unerbittlichen Kosten … Und was noch tiefer schmerzte: der entgangene, ehrenvolle Hanseposten. Würde je wieder eine solche Gelegenheit an seine Tür klopfen?

Viele Verträge erweichten unter dem nicht enden wollenden Tränenregen des ehrbaren Herrn Böttcher. Aber – und das war ein großes Glück für die Kasse – auch viele Lohnwechsel für sein Dienstgefolge lösten sich so auf.

Ein letzter Strohhalm allerdingens blieb dem eherenwerten und doch so gebeutelten Böttcher noch, da jedermann hörte von der Versicherung der beschuldigten Company. Man würde Kontakt aufnehmen …

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