Der nächste Morgen begann stattdessen sehr ereignislos. Es gab ein gutes Frühstück und nach der Morgenmesse probierte ich ein wenig Musik auf meinem neuen Instrument. Das hatte mir eine Seefahrerin geschenkt, als ich auf der Suche nach Aurelia auf sie gestoßen war. Ich wusste nicht so recht, wie man dieses Stück behandeln musste, damit dort schöne Töne herauskämen und so probierte ich geduldig ein wenig herum, während die anderen sich vermutlich die Ohren zu hielten.
Schließlich zogen sich alle etwas Warmes an, um Aran zur Leibes-Ertüchtigung nach Draußen zu folgen. Es war ein traumschöner Tag – klirrend kalt und herbstrot leuchteten die letzten Blätter in der Sonne. Elder, Herr Geralt, der Herr von der Ebersweide und ich sahen den anderen bei ihren Kampfübungen zu und feuerten mal diesen und mal jenen an. Aran leitete sie hervorragend an und einmal mehr wurde mir bewusst, dass eine Waffe in der Hand nicht das Schlechteste sein konnte. Doch liegt mir Kampf und Krieg einfach nicht.
Mir wurde es schließlich zu kalt, selbst in meinem neuen Wintermantel. Ich wollte mich bewegen und fragte Elder, ob wir ein paar Kräuter sammeln sollten. Sie musste auch noch ihren Heilervortrag vorbereiten. Also gingen wir und fanden in dem großen Kräutergarten allerlei Nützliches, sowie eine Menge goldgelber Quittenfrüchte, Äpfel und zwei Hand voll Bucheckern. Obwohl ich daheim immer die Küche gemieden hatte, wenn es ums Zubereiten ging, fielen mir plötzlich ein paar Rezepte meiner Mutter ein und ich wollte schnell in die Küche und es ausprobieren. Wenn solch ein Drang mal aufkommt, sollte man ihm durchaus nachgeben.
Zur Verwunderung aller anderen begleitete mich der junge Adelige, der tags zuvor noch so muffig dreingeschaut hatte in die Küche. Dort übten wir uns im Kampf mit frischen Quitten. Sie fielen jedoch schnell dem adeligen Jagdmesser zum Opfer und bald schon köchelte eine lustige Quittensuppe auf dem Feuer, aus dem ich immer wieder einen saftigen Sud oder Quittentee abschöpfte. Die Bucheckern wurden geröstet, die Äpfel gebraten und ich war stundenlang in der Küche beschäftigt und glücklich.
Ein weiteres Mal hatte es noch Stimmen im Treppenhaus gegeben – Ein Glück, dass ich in der Küche beschäftigt gewesen war. Der junge Bramus wurde von Herrn Amateras zu mir geschickt, mir zu helfen. Zuerst war er enttäuscht, bekam er doch so nichts von der gruseligen Geistergeschichte mit. Doch fand er wohl recht schnell Gefallen daran, die Quitten zu massakrieren und mir nebenher von Escadons Geschichte zu berichten, von dem Kaiser, dem Bürgerkrieg, den verschiedenen Ländern.
Erst weit nach dem Mittagessen bemerkte ich, dass ich doch nicht so gesund war, wie ich gedacht hatte. Verstört ging ich nochmals zu Elder und berichtete ihr davon. Ob ich doch nun auch die Rote Keuche hatte? Von Westflachgrund auf Ekarius, von Ekarius auf mich.. und wir trugen diese Trum´sche Seuche nun in die Welt? Theotmund, Escadon und wer weiß noch wohin? Wir werden alle sterben! Ich fasste mir immer öfter an meine Stirn und fühlte fast, wie das Feuer in mir aufstieg. Was, wenn es noch schlimmer wurde?
Unterdessen wurde nach einem Artefakt gesucht, das zerbrochen war. Als ich den Speisesaal wieder betrat wurde gerade darüber diskutiert, wie gefährlich es sein würde, die Scherben erneut zusammen zu setzen. Es wurde bald eine Entscheidung getroffen, dass einer von uns „Ungläubigen“ die Teile reparieren sollte, um nicht den Unmut der Götter zu spüren zu bekommen. Währenddessen würden die Ordensbrüder und -schwestern beten und singen. Elder flickte nun diesen Dolch mit einer merkwürdig palmenartigen grünen Wedelstruktur zusammen. Herr Amateras versetzte sich in einen Geisteszustand, um notfalls mit der leidenden Person zu kommunizieren. Viel mehr habe ich gar nicht mitbekommen, weil ich mich lieber wieder in die Küche zu meinen Quitten zurückzog. Die anderen haben mir später nur berichtet, dass es wohl funktioniert hat. Es handelte sich um einen vermissten Ordensbruder, der seit dem Krieg verschollen gewesen war und nun befreit worden ist.
Jetzt, nachdem diese Aufregung gemeistert war, konnten wir endlich wieder zum geplanten Tagesablauf kommen. Aran lud uns ein, mit ihm draußen noch einmal Waffentraining zu proben, oder, für jene, die nicht mit Waffen kämpfen wollten, so wie ich, zumindest das Schild richtig einzusetzen. Ich war sehr aufgeregt, lauschte aber konzentriert und versuchte schließlich Henna mit dem kleinen Schild zu vermöbeln. Das hat nicht so richtig geklappt, aber schlecht war ich auch nicht. Immerhin konnte ich mich ganz gut wehren und hatte nur ein geprelltes Handgelenk zu verbuchen, als wir wieder hineingingen, aufgeregt und mit leuchtenden Wangen.
Elder versorgte mich kurz mit einem kühlenden Krug und begann dann ihren Vortrag. Es war recht kurzweilig, denn jeder von uns hatte viele Fragen zur Ersten Hilfe im Feld an sie und sie beantwortete kurz und deutlich, mit farbigen Bildern und Anekdoten, sowie ein paar Übungen. Ich bin sehr gespannt, ob ich das nächste Mal, wenn einer meiner Freunde Hilfe braucht etwas davon einsetzen kann. Zumindest werde ich bald ein paar Verbände besorgen, die ich dabei haben will, wenn Blutungen gestillt werden müssen.
Nach dem Abendessen hielt Herr Amateras noch einen Vortrag zum Schutz des Geistes. Ich dachte erst gar nicht, dass dies für mich wichtig wäre, doch er schilderte die einfachsten Geschehnisse, bei denen fremde Wesen oder bösartige Gegner in deinen Geist eingreifen wollen könnten, dass ich lieber aufmerksam zuhörte. Er erklärte uns, wie man sich in seinem Kopf einen Raum baut, in dem man sich vor solchen Eindringlingen schützen könne, bis man von außen gerettet werden könnte. Ich hatte viele Fragen zu diesem Raum… und mittlerweile eine gute Idee, an der ich arbeiten möchte. Denn wer möchte schon fremdgesteuert und geistlos sein? Ich will auf jeden Fall für solch einen Fall gewappnet sein… und es wird wunderschön – Voll Farben und Träume, so dass ich nicht verzweifelt in einer Ecke meines Kopfes sitzen und um Hilfe rufen muss.
Henna, Elder und ich schlossen uns schließlich zur Nachtmesse an und es war eine schöne und besinnliche Feier. Aran leitete uns durch eine Meditation und die Lesung erzählte von Freunden, für die man da sein sollte – von dem Zusammenhang der Welt, dass ein jeden das betrifft, was man anderen antut – dass Ignis uns Leidenschaft bringt und Terris uns beschützt – Dass ein jeder bei dem Helwart-Orden immer eine helfende Hand bekommen würde, so er sie denn benötigt. Ich fühlte mich sonderbar frei und selig, als ich die Kapelle später verließ.
Wir saßen noch lange am Tisch beisammen, redeten, lachten und würfelten. Wir spielten ein Wahrheitsspiel, das uns viel über die anderen erkennen ließ und gingen erst sehr spät zu Bett. Zu aufregend war diese Zeit. Zuviel schwirrte in unseren Köpfen herum. Zu sehr wollten wir dieses Leben feiern. Ich gehe zufrieden ins Bett, in der Hoffnung, dass die Rote Keuche mich nicht darnieder rafft und ich noch viele weitere solcher Tage mit meinen Freunden erleben darf.
Was ich für diese Tage noch mitgenommen habe?
Man sollte keine Feen ausbeuten / oder sie humindest vorher fragen (Da muss ich, wenn ich wieder auf Trum bin einige Nachforschungen betreiben) – Ekeltanten sind keine Drachen – Schieb den Pfeil durch! – Geister haben keine kalten, nassen Hände – Bratäpfel mit Quittenmus sind hervorragend – Wir werden alle an der Roten Keuche sterben! – Ich brauche ein Schild! – Helwart-Ohrwurm – Freunde sind immer für dich da
Nachtrag:
Bevor ich das Kloster wieder verlassen habe, war es mir wichtig, dem Helwart-Orden etwas zurück zu geben. So freundlich wurden wir in diesen Räumen aufgenommen, so herzlich betreut. Ich habe so viel gelernt und Herr Amateras hat mir sogar noch eine Prise von dem Escadonischen Feenstaub für meine Taverne geschenkt. Ich spendete dem heiligen Helwart also, was sich noch in meiner Börse befand: Drei Kupfer und zwei hübsche Steine. Das ist nicht viel, aber ich lege eine große Menge an guten Gedanken und Wünschen hinzu. Mögen Ignis und Terris stets meine Freunde begleiten.
by Anka