Nach meinem erbaulichen Zwischenstop in Theotmund bestieg ich gemeinsam mit Henna das Schiff nach Escadon und sah nach langer Zeit auch Herrn Ekarius wieder. Der jedoch lag darnieder. Eine Krankheit hatte ihn fest im Griff. Doch Elder, die alsbald auch zu unserer Reisegruppe stieß machte sich keine Sorgen. „Das sieht wie eine normale Grippe aus“, sagte sie, während Herr Ekarius über der Reling hing und auch Hennas und mein Gesicht sich alsbald grünlich färbten. Ich freute mich dennoch, sie zu sehen. Ihr Brief hatte mich zuvor noch erreicht und so konnten wir uns ausgelassen über meine Gedanken und Ziele unterhalten.
Die Reise war kurzweilig und schon bald erreichten wir auf Escadon den Hafen Port Ventis, in dem wir anlegten. Henna und Herr Ekarius, wie auch Elder waren von dem befreundeten Helwart-Orden zu einer Art Wochenend-Tagung eingeladen worden. Es sollte dort über neue und alte Errungenschaften im Wissen von Heilkunst, Kampfkunst und Schutz des Geistes gesprochen und sich gegenseitig ausgetauscht werden. Herr Ekarius sah sich jedoch nicht imstande die kurze Reise vom Hafen zum Kloster zu unternehmen und blieb unter der Obhut des Schiffsarztes an Bord. Statt seiner schloss ich mich also unserer Gruppe an. Ich freute mich darauf, die Ordensmitglieder wiederzusehen und mein Wissen zu mehren. Doch konnte ich mich meiner Sorge nicht erwehren, dass Herr Ekarius sich etwas Schlimmeres eingefangen hatte. Freya hatte mir berichtet, dass in Westflachgrund eine Seuche umging und sogar ein Dorf abgeschottet worden war. Die rote Keuche hatte bereits viele Menschen betroffen. Und was, wenn Ekarius und auch Henna sich vielleicht dort angesteckt hatten? Ich hustete und fasste mir an meine Stirn. War sie schon heiß von Fieber? Den ganzen Weg zum Kloster hielt Elder mir einen Vortrag über Krankheiten und wie man sie heilte. Ich fühle mich bei ihr gut aufgehoben.
Als wir das Kloster schließlich erreichten, (Wir waren froh, dort heil angekommen zu sein. Die Händler, die zum Hafen fuhren, jagten ihre Karren mit einer unvernünftigen Geschwindigkeit über die engen Straßen, dass man Angst haben musste) öffnete man uns die Tore und ließ uns sofort in den warmen Saal treten. Der junge Aran und auch Yaren schienen gleichermaßen erst vor Kurzem angekommen zu sein. Die Novizen trugen noch ihre Reisekleider. Sehr entspannt jedoch wirkten Tjark und Bramus, die weiterhin die Tür im Auge behielten, denn es waren immernoch nicht alle Ordensmitglieder heimgekehrt. Gast im Kloster war auch der Geschichtsgelehrte Herr Geralt schon seit einigen Tagen, den Elder damals aus dem wilden escadonischen Gestrüpp befreit hatte.
Wir hatten uns gerade erst an die schlichte Tafel gesetzt und einen heißen Tee in den Krug gegossen, als es erneut an den Toren klopfte. Ein fremder Mann trat herein, die Nase hoch erhoben und brachte den kalten Wind von draußen mit. Er schaute uns abschätzend an, ging vorbei an die andere Seite der Tafel und fragte uns in eisigem Ton, wer wir denn seien und was wir hier zu suchen hätten. Elder gefiel das gar nicht und erwiderte in barschem Ton, dass er sich als erstes vorzustellen hätte, worauf der Mann fragte, welchen Ton sie sich gegenüber eines Adligen erlaube. Ich schaute zu Aran und befürchtete einen Tumult aufkommen. Doch er nahm widerwillig den hohen Gast mit in die Kapelle, um dort mit ihm zu sprechen. Angeblich wollte er sich mit Person und Geld diesem Orden anschließen, sofern sich dies in seiner Stellung widerspiegeln würde.
Derweil sah ich mich in dieser neuen Bleibe ein wenig um. Die Tafel war groß, doch schlicht gehalten. In einer Ecke war ein kleiner Kamin, vor dem sich das Holz stapelte. An der Wand hing ein großes Schieferbrett, auf dem mit Kreide einiges notiert war. Unter anderem stand dort der Tagesablauf mit all den Messen und Andachten, die in einem Kloster alltäglich sind. Eine große Tür führte zur Klosterküche, aus der bereits deftig nach Linseneintopf duftete. Ich hatte, wie immer Hunger.
Einige Zeit später traf Herr Amateras mit einem Begleiter im Kloster ein, der sich als Herr Gregor vorstellte. Die beiden waren den ganzen Tag in einer Stadtratssitzung festgehalten worden und setzten sich nun mit brummenden Köpfen zu uns.
Der Abend verlief recht ruhig. Bei diesem freudigen Widersehen wurde natürlich viel geplaudert und gelacht, gegessen und getrunken. Viele Geschichten erzählten wir uns. Wie es Ekarius ging, was wir auf Theotmund erlebt hatten und was unsere Ziele im Leben sind. Henna erzählte mir von dem Elefanten aus Siebenhöfen, den ich unbedingt mal sehen will! Und die anderen lauschten fasziniert ob seiner Geschichte darüber. Aus dem Phantasietier Elefant wurde ein Ekeltante, doppelmannshoch, mit einem Magier im Bauch, der Trompete spielte. Der Baron würde das Wesen mit einer Leiter besteigen und darauf reiten, um Äpfel zu pflücken. Wir haben uns viel gewundert und gelacht.
Aran und Yaren erzählten noch, dass es in der Klosterküche spukte. Wir lachten – gab es hier etwa Geister, die uns nachts plagen würden? Niemand glaubte so recht daran, bis plötzlich Tjark mit einem äußerst seltsamen Blick aus dem Treppenhaus zu uns kam. Nacheinander stürmten wir alle aus dem Raum, um zu sehen, was ihn so verängstigt hatte. Es drangen merkwürdige Geräusche an unsere Ohren. Ein Jaulen des Windes. Und plötzlich rief eine leidende Stimme nach Hilfe – und eine düstere andere antwortete barsch. Doch war niemand außer uns da. Ich schrie auf und rannte wieder zurück in den Raum. Henna folgte mir bis in die Küche. Verängstigt zitternd versteckte ich mich hinter der Tür. Waren das die Geister, über die wir zuvor noch so gelacht hatten? Würde mich heute Nacht so eine kalte, nasse Hand heimsuchen? Ich schüttelte mich. Henna legte beschützend einen Arm um mich und langsam beruhigte ich mich wieder.
Die anderen hatten derweil den Stimmen gelauscht und sich Notizen gemacht. Anscheinend handelte es sich um Jemanden, der seinen Glauben oder seinen Gott oder sein Leben verloren hatte und nun nach Hilfe rief. Die Antwort könnte ein Gott gewesen sein. Die Stimme eines Geistes? Die Stimme eines Gottes? Ich wollte nach Hause. Oder zumindest fort von hier. Aufs Schiff. Doch Henna sagte, dass es albern sei und Elder wollte bleiben um zu helfen. So nahm ich denn mein Schicksal an und versuchte mich zu beruhigen.
Nach der Nachtmesse hatten sich alle wieder etwas entspannt. Wir saßen noch in lustiger Runde beisammen, bis wir uns spät in der Nacht zurückzogen.
In dieser Nacht suchte mich keine kalte, nasse Hand heim. Doch ich träumte wilde Sachen von Geistern und Farben, von Hunden und davon, dass Henna in Elders Bett kroch, weil wir alle Angst hatten.
by Anka