Die Rote Keuche

„Tretet zur Seite!“ schallte Kuniberts Stimme, bevor die ersten Axthiebe das Holz einer dicken Tür erst zum Beben und dann zum Splittern brachten.

Heute Morgen waren die Rentsgarder auf Geheiß der Jarlin in Groenvelden eingetroffen. Mit dicken Tüchern vor Mund und Nase, die mit Kräutern gefüllt waren, hatten sie den Befehl der Jarlin verkündet, den Ursprung der Krankheit auszumerzen und eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Sie trennten die Kranken von den Gesunden und fragten die Dorfbewohner aus, bei wem sie sich angesteckt hatten. So folgten sie der Spur dieses totbringenden Übels. Am Ende war klar, dass es seinen Anfang bei dem jungen Bengt genommen haben musste, der etwas außerhalb des Dorfes lebte. Da ihn nun aber seit Tagen niemand mehr gesehen hatte, machte sich Kunibert mit einigen anderen auf den Weg zu der Hütte des jungen Mannes. Fenster und Türen waren jedoch verschlossen und auch auf lautes Rufen reagierte niemand. Kurzentschlossen griff Kunibert daher zu seiner Axt und schlug gegen die Holzbohlen.

Im nächsten Augenblick gab die Tür ächzend nach. Kunibert schlug ein übelkeiterregender Geruch entgegen und ein Blick ins Innere der einfachen Hütte reichte aus, um zu erkennen, dass der Gesuchte der Seuche erlegen war. ‚Verdammt!‘ ging es Kunibert durch den Kopf. ‚Der kann uns nicht mehr verraten, wo er diese vermaledeite Seuche herhat!‘ Er sah sich um, ob er noch etwas Wertvolles entdecken konnte. Es hatte aber den Anschein, dass es unter den Habseligkeiten des toten Mannes nicht viel zu holen gab. Ein Netz, Werkzeug, Besteck und der übliche Kram, den man wohl in jedem Haus finden würde. Doch dann entdeckte er in einer offenstehenden Truhe ein vergilbtes und zerknittertes Pergament.

Sorgfältig darauf bedacht nichts anzufassen, kniff er die Augen zusammen und versuchte etwas darauf zu erkennen. Kunibert konnte zwar nicht wirklich lesen, aber er hatte schon genügend Schriften gesehen, um zu erkennen, dass die Zeichen darauf keinerlei Ähnlichkeit mit der hiesigen Schrift hatten. Kurzentschlossen packte er das Blatt mit einem Tuch, wickelte es zusätzlich in ein Stück Leder ein und steckte es in seine Tasche. Vielleicht war es wertvoll und seine Jarlin ließ eine Belohnung dafür springen. Er trat hinaus und gab den anderen zu verstehen, die Hütte in Brand zu stecken. Bedächtig standen die Männer zusammen und tuschelten, während die gierigen Flammen nach dem Strohdach griffen und sich durch das Gebäude fraßen.

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