Das Pourpoint

Das Pourpoint – oder die Rüstweste

Für alle die schonmal ordentliches Beinzeug getragen haben ist sicher ziemlich schnell offensichtlich geworden, dass dieser Rüstungsteil irgendwie nicht einfach für sich alleine getragen werden kann – zumindest nicht komfortabel. Heute helfen sich viele mit Rüstgurten und Gürteln aus, an die das Beinzeug oben angenestelt wird oder nesteln dieses auch gleich am Gambeson fest. Nun haben sich vor ein paar hundert Jahren einige genervte Leute Gedanken gemacht und sind auf ein Pourpoint gekommen. Heute werden auch bestimmte Gambesons als Pourpoint betitelt, aber ob das richtig ist und warum oder auch nicht soll hier nicht Thema sein. Für mich ist ein Pourpoint nun also ein westenartiges, stabiles und sehr eng getragenes Rüstungsteil zur Unterstützung des Beinzeugs.
Genau so eine Rüstweste will ich also nähen, damit ich komfortabel Beinzeug tragen kann und überhaupt sieht so ein Teil obendrein auch noch recht schnieke aus.

Der Schnitt:
Schnittmuster und Bilder dazu gibt es zuhauf im Netz und sind ansich nicht besonders schwierig. Im Prinzip besteht die Weste aus acht Teilen: Jeweils 2 (l+r) Oben für Vorn und Hinten und jeweils 2 (l+r) Unten für Vorn und Hinten. siehe Bild weiter unten ->

Die Hauptschwierigkeit bei dieser Weste liegt in der Passform. Das Teil ist dazu gedacht, das Beinzeug zu unterstützen und das Gewicht und den Zug des Komforts wegen auf den ganzen Oberkörper zu verteilen. Bei Gürteln im Gegensatz dazu wird nur die Hüfte belastet. Auch soll die Weste den Körper zusätzlich etwas stützen um das lange Tragen von Rüstungen zu erleichtern. Dazu muss die Weste eng, ja wirklich sehr eng sitzen – quasi Wurstpelle. Der Schnitt muss also auf den Träger angepasst werden. Also sollte man aus sehr günstigem Stoff ein Musterexemplar nach seinem persönlichen Grundschnitt schnell zusammenheften und am Körper auf die Passform Wurstpelle zurechtgestecken und anzeichnen (Kreide, Edding, etc.). Das Ergebnis wird dann wieder zerlegt und die Markierungen der Einzelteile als Schnittmuster „Wurstpelle“ dann auf Papier übertragen. Fertig ist das sehr körpernahe Schnittmuster. Hier mal alle Teile vor dem Zusammennähen als Schnittmuster drapiert…

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Der Stoff
Weiter geht’s mit Stoff ausschneiden. Welchen Stoff? Ich habe mich für robustes graues Leinen als Oberstoff, noch kräftigeres Naturleinen als Einlage und feines weißes Leinen als Futter entscheiden. Also Ausschneiden – Oberstoff und Futter direkt übereinander legen und nach dem Schnittmuster plus Nahtzugabe gemeinsam zuschneiden. Die Einlage wird extra zugeschnitten, jedoch ohne Nahtzugabe.

Das Nähen
Nun wird die Einlage am besten mit dem Oberstoff verbunden, damit beides eine Art flexible Einheit bildet. Kann man machen, muss man aber nicht. Weil ordentliches Nähen nun mal bessere Ergebnisse liefert, habe ich mir die Mühe mal gemacht und mittels Hexenstich die Einlagen der Einzelteile mit deren Oberstoff zu verbinden und dann den Oberstoff umzulegen. Jetzt weiß ich, warum vernünftige Anzüge so teuer sind… Eine mords Arbeit und wenn man’s richtig macht, sieht man von Außen nichts (weil kleinste Stiche beim Pikieren), die Lagen sind jedoch flexibel miteinander verbunden. Sehr schön. Das schwer sichtbare Ergebnis ist auf dem Bild zu bewundern ->

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Tja, das Futter fehlt noch. Also das Futter jeweils mit Heftnadeln an den Einzelteilen eingeklappt feststecken und mit Einlage und umgeklappten Oberstoff am Rand vernähen. Irgendwie geht das ziemlich fix von der Hand und ist im Gegensatz zur Einlage regelrecht eine Erholung. Hier habe ich mich für einen einfachen Heftstich mit Rückstich ab und an entschieden. Geschmackssache, sieht so aber gut aus und hält.

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Nun stecken schon einige Stunden Arbeit in der Weste und die besteht noch immer aus acht Einzelteilen. Diese werden nun zusammengesetzt. Die Reihenfolge ist jeweils Oberteile mit den passenden Unterteilen zusammensetzen und dann die einzelnen Viertel. Dazu lege ich die jeweiligen Teile mit den Außenseiten aufeinander und vernähe die Kanten überwendlich mit feinem Stich, so alle 1-2 mm einen. Das sollte ziemlich viel aushalten und trotzdem eine flache Naht gewährleisten.

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Ja, die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Alle Teile sind zusammengesetzt und die Weste ist fertig zur ersten Anprobe. Puhh… Wurstpelle passt. Gerade so wie’s sein soll. Dann können ja die Belege für die Nestellöcher unten folgen. Diese sollen dann die Nestellöcher verstärken, da ja nicht gerade wenig Belastung auf diesen liegt. Dazu nimmt man nochmal Streifen aus dem Stoff für die Einlage und vernäht diese mit ebensolchen Streifen aus dem Futterstoff und das Ergebnis setzt man dann als Beleg nochmal in das Futter ein.
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Jetzt endlich kommen die Nestellöcher. Es sind ja doch eine ganze Menge also wieder einige Stunden Näherei. Erstaunlich aber wahr – die insgesamt 26 Nestellöcher zum Schließen des Pourpoints vorn gingen super flott von der Hand. Als Garnfarbe habe ich  mich für gelb entschieden. Wegen dem Charakter,  der das Pourpoint später trägt. Die Nestellöcher für das Annesteln des Beinzeugs passe ich dann direkt an das Beinzeug an damit dann alles perfekt passt.

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Das Ergebnis schaut dann im Ganzen dann auch wie erwartet aus.

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