Was für eine Zeit liegt hinter mir. Der sonst so ruhige Ort Brachsenbrücke, mein kleines Heimatdorf, wurde von vielen seltsamen, erschreckenden und finsteren Ereignissen und Gestalten heimgesucht. Alles fing mit dem Tod unseres Nachbarn und Großgrundbesitzers Hans Friedrich vor zwei Wochen an. Ich saß wie jeden Abend mit meinem geliebten Mann Frohmund in der Stube, als plötzlich jemand hereinstürmte und sagte, wir sollen schnell nach Hans Friedrich schauen. Als Heilkundige des Dorfes machte ich mich sofort mit meinem Mann auf den Weg zu unserem Nachbarn.
Als ich ins Haus kam sah ich ihn auf dem Boden liegend. Er war ganz blass und eingefallen. Seine Augen waren halb geöffnet, vor seinem Mund Schaum. Ich testete zuerst seine Atmung und den Herzschlag, indem ich meinen Kopf auf seine Brust legte. Vergeblich wartete ich auf Lebenszeichen. Im nächsten Schritt schaute ich etwas genauer hin. Er konnte doch nicht einfach umgefallen sein? Er war gut zurecht für sein Alter, bewirtschaftete die Felder und hatte seine Sklaven stets gut im Griff. Bei der Inspektion des toten Körpers fiel mir auf, dass Blut aus seinen Ohren kam. Es war nicht viel, für einen Laien wohl kaum zu erkennen, aber bei genauem Betrachten doch deutlich zu sehen. Ich öffnete vorsichtig den Mund. Vielleicht war er erstickt? Doch anstatt einen Krumen Brot oder dergleichen vorzufinden, sah ich Blut. Keine Anzeichen von Verletzungen im Mund ließen auf die rote Flüssigkeit schließen. Es gab dafür nur eine Erklärung die dafür Sinn ergeben könnte: Gift. Doch welches und vor allem: Wer hätte den Tod von Hans Friedrich wollen können und wieso? Oder hatte er es vielleicht versehentlich selbst eingenommen, unwissend, weil er Schmerzen hatte? Während ich meinen Gedanken nachging stürmte plötzlich Gerthold, der Sohn von Hans Friedrich ins Haus. Er schrie Frohmund und mich an, wir wären Schuld an Hans Friedrichs Tod. Wir hätten es auf den Besitz abgesehen. Was für ein irrsinniger Gedanke. So haben Frohmund und ich doch selbst ein Großgrund in Besitz und damit wahrlich genug zu tun. Zudem seien ein Großteil der Sklaven befreit worden, woran er uns ebenfalls die Schuld gab. Der Streit eskalierte und so nahm ich Frohmund und wir gingen nach Hause. Zu Hause ließen mich die Gedanken und die Bilder von Hans Friedrich nicht los. War es denkbar, dass ein Mörder umherlief und vor allem, dass er vielleicht sogar aus den eigenen Reihen stammte? Nein, das konnte nicht sein.
Hans Friedrich wurde auf eigenen Wunsch verbrannt, was nur möglich war, weil er ein Großgrundbesitzer war. Das Verbrennen kommt nicht oft vor. Legen wir unsere Toten doch lieber unter die Erde, wie es die Erschaffer von uns verlangen. Allerdings hört man immer wieder von dem ein oder anderen Wiedergänger- Tote, die ihr Grab verlassen und unter die Lebenden zurückkehren. Eine unwirkliche und beängstigende Vorstellung.
Einige Tage vergingen und es wurde aus Vollmarsberg ein Ermittler ins Dorf geschickt. Hoffentlich war er in der Lage uns zu beruhigen. Die Stimmung war sehr angespannt, als wir abends in der Taverne saßen und der Ermittler zu uns kam. Zu unser aller großen Überraschung folgten kurz darauf Mitglieder der zweiten und dritten Kaste. Kastenangehörige in unserer kleinen Taverne. Reichte der Ermittler nicht? Frohmund und ich nahmen in der hinteren Ecke der Taverne Platz, um den hohen Herren einen Tisch zu überlassen und ließen die Eindrücke auf uns wirken. Leider konnte Gerthold es nicht lassen Frohmund und mich immer wieder mit Vorwürfen zu belasten. Dabei hatte mein guter Frohmund sogar angeboten, Gerthold sechs unserer Sklaven zu überlassen, bis er Neue erhält. Auch dies nahm Gerthold zum Anlass Streit zu suchen. Mit keinen Worten ließ er sich von seinen Vorwürfen abbringen. Er trank immer mehr und seine Anschuldigungen wurden immer härter. Als er dann noch seine Ehefrau Charlotte grob zur Seite stieß, als sie ihn Beiseite nehmen wollte reichte es mir. Ich sagte ihm, dass sich sein Vater im Grabe umdrehen würde, wenn dieser sehen müsste, wie sich sein Sohn verhält. Ich sehe den kleinen Gerthold noch, wie er über die Felder läuft und die Sklaven zur Arbeit antreibt. Ein kleiner rechtschaffender Junge aus dem nun nach dem Tod seines Vaters ein herzloser und kalter Mann geworden ist, der seine eigenen Nachbarn des Mordes bezichtigt. Was ist nur aus unserem Dorf geworden?
Im Laufe des Abends sprach uns ein hoher Herr der dritten Kaste an. Er wollte genau wissen was ich bei dem Toten gesehen habe und welche Vermutungen ich anstellte. Ich berichtete ihm von Efeu, welches in falscher Dosierung und Zubereitung recht schnell zum Tode führen kann und erinnerte mich, dass ich Hans Friedrich vor Jahren eine Efeu Tinktur gegen seine Gelenkschmerzen gab. Ich betonte aber auch vor dem hohen Herren, dass ich meinen Patienten immer genau berichte, wie sie die Mittel einnehmen müssen, damit es nicht zu solchen Vorfällen kommen kann. War es vielleicht möglich, dass er solch starke Schmerzen hatte, dass er vor Verzweiflung davon zu viel trank und an den Folgen verstarb? Der Drittkastler notierte sich viele Dinge und ging seinen eigenen Gedanken nach. Welches Wissen muss dieser Mensch haben? Wüsste ich doch nur halb so viel. Wie sehr ich sie bewundere, die Kastenangehörigen, auch wenn es mein größter Wunsch wäre, mal einen Erstkastler zu sehen. Dies sind echte Magier, die an einer Akademie lernen. Was für eine Vorstellung!
Im weiteren Verlauf des Abends sprachen Frohmund und ich mit den Kastenangehörigen über Wiedergänger und sie bestätigten, dass es sie wirklich gibt. Man könne sie nur töten, indem man ihnen den Kopf abschlägt. Es hat sogar Fälle gegeben, bei denen Wiedergänger Frauen geschwängert haben sollen! Unmöglich! Ich fragte direkt, was aus den Kindern und Frauen werden würde und er antwortete, dass die Frauen oft Totgeburten erleiden, es aber auch das ein oder andere Mal dazu gekommen wäre, dass die Frau ein Kind austrägt, welches einem Monster gleicht. Frohmund und ich waren sehr bestürzt und erschrocken über diese Ereignisse und beschlossen, uns nach unserem Tod auf jeden Fall auch verbrennen zu lassen, um solch ein schlimmes Ereignis im Falle des Ablebens ausschließen zu können. Während mich dieser gruselige Gedanke an Wiedergänger noch immer beschäftigte stürmten plötzlich die Zweitkastler in die Taverne. Bei sich hatten sie unseren Fischer und Nachtwächter Albert. Ein Mitglied der zweiten Kaste schrie unentwegt auf ihn ein. Er sei faul und würde lügen. Er würde seinen Pflichten nicht nachkommen. Er forderte den weinenden und um Gnade flehenden Albert an, seine Hand auf den Tisch zu legen. Ein zweiter holte seinen Hammer heraus. Plötzlich war es ganz still in der Taverne. Alle waren erschrocken und entsetzt ob dieser Geschehnisse. Der Zweitkastler sagte, dass es keine Gnade für Lügner geben würde und forderte für jede vermorderte Planke des Bootes einen Finger. Albert wimmerte und bettelte vergeblich um Vergebung. In einem Moment, der uns allen das Blut in den Adern gefrieren und den Atem anhalten ließ, zertrümmerten sie ihm einen seiner Finger. Sibille, unsere Bardin, vergrub sich weinend in meinem Arm und als der erste Schreck überwunden war, bat ich die hohen Herren den Finger von Albert versorgen zu dürfen. Der Anblick war grauenhaft. Die Haut lag in Fetzen und ich konnte kleine Knochensplitter erkennen. Ich gab Albert als erstes ein sehr starkes Schmerzmittel zur Beruhigung und begab mich dann an die Behandlung. Nachdem ich die Wunde gesäubert hatte, gab ich eine entzündungshemmende Salbe auf die offenen Stellen und verband alles mit einer Binde. Albert machte mir sehr große Sorgen, so wurde er von dem Schmerzmittel zwar ruhiger, aber war gleichzeitig nicht mehr Herr seiner Sinne. Ich legte ihn vorerst auf die Bank in der Taverne und bat Jupp, unseren Wirt, ihn dort übernachten zu lassen. Dietrich Flintenschreck, der Ermittler aus Vollmarsberg, sollte dafür in Gertholds Anwesen übernachten. Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass sie Albert abends noch aus der Taverne warfen. Er musste schmerztrunken alleine in seine Hütte gehen, die nachts aufgrund eines Sturmes auch noch über ihm zusammenbrach. Zum Glück ist ihm dabei nicht noch mehr passiert. Der einzige aus unserem Dorf der ihm in dieser schlimmen Nacht half war Uwe, einer unsere Jäger. Er nahm ihn in seinem Haus auf.
Kurz nach dem Ereignis mit Albert schrien draußen vor der Taverne auf einmal einige Menschen. Jemand kam hereingestürmt und berichtete von einem Wiedergänger, der im Dorf sein Unwesen treiben würde. Jörg, unser zweiter Jäger des Dorfes konnte ihn erwischen und töten. Bei all den Geschehnissen des Abends vergaß ich ganz zu fragen wie der Wiedergänger aussah, wo sie ihn fanden, was er wollte und wie sie ihn töteten.
Was für ein schrecklicher und ereignisreicher Abend das war: nicht nur für Albert. Hoffentlich können die Kastenangehörigen und der Ermittler schnell Licht ins Dunkel bringen und wir in unser ruhiges und friedliches Dorfleben zurückkehren.
Der nächste Tag begann für mich wie jeder Andere. Ich stand in der Morgendämmerung auf, um frische Waldkräuter zu sammeln. Frohmund war schon außer Haus oder war er gestern gar nicht nach Hause gekommen? Er blieb noch in der Taverne, als mich die Müdigkeit überkam und wollte später folgen. Hoffentlich wurde er von jemandem begleitet. Es war nicht nur von Wiedergängern berichtet worden, sondern auch von einem Eber mit leuchtend roten Augen, der in unserem Wald sein Unwesen treiben sollte. Ich versuchte mir nicht zu viele Gedanken zu machen und begab mich auf den Weg in den Wald. Es gibt nichts Schöneres als die Ruhe am Morgen in der Natur. Ich fühle dann immer eine besondere Beziehung zu der Erde unserer Erschaffer. Welch Wunder haben sie vollbracht, solch eine Schönheit zu erschaffen, von der wir leben können?
Nachdem ich ein zweites kleines Frühstück in der Taverne zu mir nahm, machte ich mir zunehmend Sorgen um meinen lieben Frohmund. Er sei gestern nach Hause gegangen berichteten mir mehrere Dorfbewohner. Wo konnte er nur stecken? Als ich mich auf den Weg zu unserem Hof begeben wollte, um erneut nach ihm zu suchen, sah ich ihn bereits. Er stand mit Franz unserem Köhler an dessen zerstörten Meiler. Ein weiteres ungeklärtes Ereignis, dass in den letzten Tagen geschehen ist. War es denn nicht bald genug der Sorgen?
Ich begleitete Frohmund in die Taverne, wo er ein Frühstück zu sich nahm. Er berichtete mir, dass er heute Morgen etwas auf unseren Feldern gefunden hatte. Ich sollte es bewahren und den hohen Herren geben. Vorerst wollte er die Sache Diedrich Flintenschreck anvertrauen. Als Frohmund in seine Tasche griff stockte mir der Atem. Es war ein blutverschmiertes Wappen eines Kastenangehörigen: eine weiße Mühle auf schwarzem Grund. Mit einem unguten Gefühl steckte ich es vorerst in meine Tasche, bat Frohmund aber die Sache schnell mit dem Herrn Flintenschreck zu besprechen. Fände man diesen Gegenstand in meiner Tasche bevor mein Mann die Sache anspricht, wäre mein Tod gewiss. Man würde mich doch sofort unter Verdacht stellen, etwas angestellt zu haben… Der Morgen begann schon wieder nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Er versprach sich gleich nach dem Frühstück an Herrn Flintenschreck zu wenden und kurze Zeit später sah ich die Beiden tatsächlich im Gespräch vertieft von Dannen ziehen.
Gerade als ich mich auf den Weg nach Hause begeben wollte tauchte Gerthold auf. Ich sagte ihm, dass ich nicht an seinen Vorwürfen und Verdachtsmomenten interessiert bin. Doch es ging um etwas Anderes. Er stand ganz still vor mir, wirkte sogar ein wenig verängstigt. Sieglinde, unsere Dorfvorsteherin ermutigte ihn, mir sein Anliegen mitzuteilen. Anstatt zu sprechen fasste er sich an den Hals und zog sein Hemd ein wenig herunter. Zu sehen waren drei blutig, blaue, tiefe Kratzspuren an seinem Hals. Ich fragte ihn sofort wo er diese herhätte und mit gesenktem Blick berichtete er, dass ihn der Wiedergänger am Vorabend verletzt hatte und ob ich ihm helfen könne. Er hatte bereits dem Drittkastler von seiner Verletzung berichtet und dieser sagte, er müsse sofort zu einem Heiler. Einem Heiler aus der Stadt meinte er wohl. Wie sollte ich Heilkundige eine solche Verletzung behandeln? Ich kenne Kräuter gegen Husten, Brandwunden, Fieber, Unwohlsein, Müdigkeit und dergleichen, aber Wunden, die durch einen Wiedergänger verursacht wurden überschreiten meine Kenntnisse bei weitem. Ich sagte Gerthold, dass ich ihm etwas gegen die Schmerzen geben könne, sowie die Wunde reinigen. Zuvor wollte ich das aber mit dem hohen Herrn der Kaste besprechen. Was würde passieren, wenn ich Gerthold behandelte, er an den Folgen der Verletzung verstirbt, aber jeder davon ausgeht, dass es meine Kräuter waren? Der hohe Herr sagte, dass man die Wunde ausbrennen müsse. Ich dürfe Gerthold vor dem Ausbrennen ein Schmerzmittel verabreichen.
Mal wieder überschlugen sich die Ereignisse. Als ich die Tinktur für Gerthold vorbereitete, sah ich Dietrich Flintenschreck zurück kommen- ohne meinen Frohmund. Ich sprach ihn sogleich an und gab ihm das blutverschmierte Wappen. Frohmund hatte ihm nicht davon berichtet, aber er nahm es ohne Vorwürfe und viele Fragen entgegen. Ein wenig seltsam war das schon. Ich fragte ihn wo Frohmund wäre und warum er nicht mit ihm zurückgekommen sei. Er vertraute mir an, dass er sah, dass mein Mann beim Husten etwas Blut ausspuckte. Blut? Wieso hatte er mir nicht davon erzählt? Hatte es der Mörder nun auch auf meinen geliebten Mann abgesehen? Voller Panik und furchtbarer Gedanken wollte ich so schnell mich meine Beine tragen würden nach Hause und nach Frohmund sehen. Bevor ich übereilt die Taverne verließ drückte ich Charlotte das vorbereitete Schmerzmittel für Gerthold in die Hand.
Ich rannte so schnell es ging zu unserem Hof und riss außer Atem die Tür zu unserer Stube auf. Was ich zu sehen bekam übertraf meine schlimmsten Vorstellungen. Überall auf dem Boden war Blut. So viel Blut. Wo war mein Mann? Was war hier passiert? Von Sinnen rannte ich zurück ins Dorf. Ich brauchte Hilfe. Sofort. Kurz vor der Taverne brach ich schreiend zusammen. Die einzigen Worte die ich herausbrachte waren: Hilfe! Frohmund. So viel Blut. Wo ist mein Mann? Sogleich machten sich die hohen Herren der Kasten auf den Weg zu unserem Besitz. Plötzlich stand Gerthold vor mir. Seine Augen blitzten und mir war plötzlich ganz klar, dass nur er es gewesen sein konnte, der den Tod meines Liebsten wollte. Er beteuerte seine Unschuld, doch ich glaubte ihm kein Wort. Anscheinend konnte und durfte man in diesem Ort niemanden mehr glauben und trauen. Sieglinde brachte mich in die Taverne. Albert stürzte herein und berichtete, dass er und Franz Frohmund erstochen in der Nähe des Friedhofes gefunden hatten. Tod! Mein Mann! NEIN!!! Das konnte und durfte nicht wahr sein! Ich schrie meine Trauer und Verzweiflung heraus. Was passierte hier nur und wieso? Frohmund war immer nett, nie hatte er böse Absichten und nur selten kleine Streitigkeiten mit anderen Dorfbewohnern. Mein Schmerz begann mich innerlich zu zerreißen. Mit letzter Kraft holte ich eine beruhigende Essenz aus meinem Beutel und atmete öfter daran, als ich es meinen Patienten raten würde. Die Sicht wurde neblig, die Gedanken trostlos, aber ruhiger. Ein Gefühl der Gleichgültigkeit schlich sich in jede Faser meines Seins. Angenehme und beruhigende Gleichgültigkeit.
So bekam ich auch nur halb mit, wie sich alle Dorfbewohner in einer Reihe vor der Taverne aufstellen mussten. Es ging um ein verloren gegangenes Schriftstück. Um welches es sich handelte, bekam ich nicht mit. Zudem wurden alle Bewohner untersucht, auf Waffen und das Blatt Papier. Ich bekam gar nicht mit, dass die hohen Herren Charlotte zu einem Verhör in die Taverne mitnahmen, als der Rest des Dorfes nach dem Schriftstück suchen sollte. Ich reihte mich einfach in die für mich belanglose Tätigkeit ein und folgte den Anderen. Später zurück an der Taverne gab es erneut Tumult. Gerthold und Uwe, nicht nur einer unserer Jäger, sondern auch der Bruder von Charlotte, schrien sich an. Ich setzte mich in einiger Entfernung auf einen Stein und bekam mit, dass Uwe und Charlotte am Tod von Hans Friedrich Schuld sein sollten. Es stellte sich heraus, dass Hans Friedrich sich mehrere Jahre an Charlotte vergangen haben sollte! Sie berichtete dies den hohen Herren und gestand unter Folter, dass sie aus Rache Hans Friedrich vergiftet habe. Uwe gestand ebenfalls Hans Friedrich vergiftet zu haben und sagte, dass Charlotte unschuldig sei. Letztlich war es mir egal, so hatten sie eben zwei Mörder die an Hans Friedrichs Tod Schuld waren. Mir war viel wichtiger, wer meinen Mann auf dem Gewissen hatte!!
Nachdem das Verhör abgeschlossen war, brannten sie Gertholds Wunde aus und die Müdigkeit und Erschöpfung machten sich in mir breit. Ich musste nach Hause und mich ausruhen. Zu Hause angekommen wurde mir bewusst, dass nichts mehr so sein würde wie es war. Ich wollte hier ohne meinen Frohmund nicht länger wohnen. Ich musste hier weg. Also schleppte ich mich nach einer kurzen Zeit wieder ins Dorf zurück. Dort probte Sibille ein Hochzeitslied. Hochzeitslied? Für wen, wann, wieso? Fröhlich, wie unsere Sibille selbst in den dunkelsten Zeiten ist, sang sie aus vollen Kräften das gedichtete Hochzeitslied. Ein hoher Herr schien zu merken, dass ich verwundert über die Situation war und berichtete mir auf Nachfrage, dass entschieden worden wäre, dass ich Gerthold heute Abend heiraten würde. So wären beide Besitze in guten und erfahrenen Händen. Ich und Gerthold? NIEMALS!! Fassungslos und schockiert wandte ich mich an unsere Dorfvorsteherin mit der Bitte, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Im Gespräch stellte sich jedoch schnell heraus, dass mich der hohe Herr nur auf den Arm nehmen wollte. Sieglinde und Gerthold sollten heute Abend die Ehe vollziehen und mein Besitz an sie übergehen. Nun ja, ganz zufrieden war ich nicht, da ich gerne in diese Entscheidung mit einbezogen worden wäre. Es nahm mir aber eine Sorge, denn ich hatte für mich ja festgestellt, dass ich ohne Frohmund nicht auf dem Hof bleiben wollte und konnte. Sieglinde war ganz aufgeregt wegen der Hochzeit und bat mich um eine schmerzlindernde Substanz für die bevorstehende Hochzeitsnacht. Sie schien aber sehr glücklich zu sein und strahlte über das ganze Gesicht. So schien dieser furchtbare Tag wenigstens für zwei ein Gutes Ende zu nehmen. Leider war Gerthold nicht überzeugt von der Idee, Sieglinde zu ehelichen. In einem vertraulichen Gespräch berichtete er, dass er alles für überstürzt hielte und nicht vernünftig. Schließlich wäre ich viel vertrauter mit der Bewirtschaftung der Felder und dem Umgang mit den Sklaven. Es brauchte nicht viel um herauszufinden was Gerthold beabsichtigte: er wollte mich heiraten! Ich machte ihm unmissverständlich klar, dass dies für mich nicht in Frage kommen würde. Erst beschuldigt er mich und meinen Mann des Mordes an seinem Vater und dann will er mich heiraten? Der Sohn eines Frauenschänders, mein zukünftiger Mann? Ich verneinte Gertholds Anfrage und empfahl ihm sich an die hohen Herren zu wenden, wenn er mit der Entscheidung so unglücklich sei und mich in Ruhe zu lassen. Was war nur in diesem Dorf los? Zwei Menschen tot, zwei fragliche Mörder, ein Wiedergänger, ein zerstörter Meiler, entlaufene Sklaven und ein Eber mit rot leuchtenden Augen. Und an alles woran die Menschen dachten war eine Hochzeit?
Als sich meine Gedanken wieder ein wenig ordneten fiel mir ein, dass ich mit Frohmund kein Schriftstück entwickelt hatte, auf dem verfügt wurde, dass seine Leiche nach dem Tod verbrannt wird. Sofort suchte ich Sieglinde auf, um einen Antrag auf Verbrennung zu stellen. Auch wenn ich Frohmund so gerne noch einmal gesehen hätte: als Wiedergänger aber auf keinen Fall!
Bevor ich mich in die Taverne begab saß ich noch mit Sieglinde auf einem Stein. Wir unterhielten uns über die Geschehnisse, als wir auf einmal sahen, wie die hohen Herren mit Dietrich Flinteschreck kämpften. Mehrere Kastenangehörige wurden verletzt und ich eilte herbei, um Hilfe leisten zu können. Die Wunden waren tief, aber nicht tödlich. Eine Wunde musste ich mit wenigen Stichen heilen und reinigen, um Wundbrand zu vermeiden.
Als ob nicht alles schon genug gewesen sei stellte sich heraus, dass Diedrich Flintenschreck ein Verräter war und nicht der, für den er sich ausgab. Was sein Motiv war und ob er meinen Frohmund erstochen hatte, blieb ungewiss. Schließlich sah ich ihn mit meinem Mann alleine in Richtung unseres Hofes gehen…
Die Dämmerung hielt nun vollends über unserem Dorf Einzug und da ein Sturm aufzog, versammelten sich alle in der Taverne. Obwohl mir nicht nach Gesellschaft zumute war, genoss ich es doch ein wenig Ablenkung zu haben. Ablenkung kam aber nicht nur in Form der Dorfbewohner, sondern in Form eines hohen Herrn der ersten Kaste! Ich erkannte ihn sogleich an seinem roten Umhang und seiner Kappe. Begleitet wurde er von einem großen, furchteinflößenden Ritter. Ein Magier in unserer Taverne! Voller Ehrfurcht bekam ich erst später mit, dass er nur zufällig des Weges kam, aber die Gelegenheit nutzen wollte, um mit dem Toten Diedrich Flintenschreck zu sprechen. Zu meiner Überraschung geschah dies nicht hinter verschlossenen Türen, sondern mitten in unserer Taverne. Sie bahrten den Verräter in der Mitte auf und dunkelten das Licht ab. Der hohe Herr entzündete seltsame blaue Lichter am Kopf des Toten, ließ sich mit einem dicken Dolch in die Hand schneiden und verteilte sein Blut auf dem Toten. Dann begann er seltsam klingende Worte zu sprechen, bis ihm, ja bis ihm der Tote antwortete!! Er sprach tatsächlich mit einem aus der Unterwelt. Der Sinn des Wortwechsels ergab sich mir nicht in Gänze, aber als der Magier fragte, ob der Tote den Mord an Frohmund verschuldete, war ich hellwach. Er gab zu, meinen Geliebten getötet zu haben, da dieser die Leiche des wahren Ermittlers auf einem unserer Felder gefunden hatte. Aus Angst, Frohmund könne ihn verraten, tötete er ihn. Ich wollte ihn anschreien, ihn zur Rede stellen, doch in Ehrfurcht vor der Zeremonie und dem Magier blieben mir die Worte im Halse stecken. So wartete ich ab und nachdem der Lebende und der Tote ihr Gespräch beendet hatten, schickte ihn der Magier ins Jenseits. Aus Rache und als Vergeltung für den Tod an meinem lieben Mann! Auch wenn dies alles schrecklich, seltsam und unwirklich war, umgab mich doch ein Gefühl der Friedlichkeit. Frohmund war gerächt worden, seine Seele zurückgekehrt zu den Erschaffern und der Mörder ins Jenseits verbannt worden.
Ich lauschte den weiteren Abend Gedankenversunken den schönen Klängen der singenden Dorfbewohner bis ich mich all meinen Mut zusammennahm und den Erstkastler um ein kurzes Gespräch bat. Ich bedankte mich für seinen Einsatz und fragte ihn wo er sein Wissen erlangt hat, wie lange dies gedauert hat und ob jeder Mensch einmal einer Kaste angehören kann. Er berichtete mir viel und ich hörte gespannt zu. Meinen heimlichen Wunsch ebenfalls als Magierin ausgebildet zu werden, behielt ich aber für mich. Zu groß war die Ehrfurcht vor diesem besonderen Mann und seinen Fähigkeiten.
Für mich neigte sich der Abend dem Ende zu. In Gesprächen mit anderen Dorfbewohnern erfuhr ich, dass Charlotte nach Vollmarsberg gebracht werden sollte. Angeblich, um dort von dem hohen Gericht verurteilt zu werden. Allerdings habe ich daran meine Zweifel, weil ich in einem Gespräch mitbekam, dass es eher um eine Ausbildung für sie gehen sollte. Was für Zeiten, in denen Mördern das Recht zuteilwird, belohnt statt bestraft zu werden. Aber es liegt nicht in meinem Ermessen dies zu beurteilen. Gerthold soll ebenfalls nach Vollmarsberg, um dort in der Akademie seine Wunde behandeln zu lassen. Wäre ich doch verletzt worden, so hätte ich die Möglichkeit gehabt die Akademie zu sehen. Oh wie schön wäre das gewesen. Ich werde Gerthold ausfragen, sobald er zurück ist und mich bis dahin um den Hof zu kümmern, bis eine endgültige Entscheidung getroffen worden ist, was nun in der Zukunft passiert. Ich hoffe nur, dass nach all den Geschehnissen nun wieder Ruhe einkehren kann und wir wie vor den Ereignissen ein Dorf mit einer starken Gemeinschaft bleiben, die ein kleines, aber zufriedenes Leben leben können.
by Elisabeth Feldreich – Heilkundige Kräuterfrau von Brachsenbrücke