Freya, Anka, Henna und ich hatten zur Winterzeit die Reise nach Theotmund auf uns genommen. Was die anderen dorthin trieb, wusste ich nicht genau. Ich wollte jemanden treffen und Anka mit etwas überraschen, das ich im Hospiz gefunden hatte. Es war wesentlich kälter in Theotmund als auf Trum, weshalb ich sehr froh über meinen dicken Wintermantel war. Doch in der Taverne, die ungewöhnlich dunkel erschien, war es so fürchterlich warm, dass ich mich meines Mantels schnell entledigte. Der Abend begann eigentlich ganz gemütlich, sah man davon ab, dass die Crew der Tyra Lorena einen der Räume für ein Casino gemietet hatten. Anfangs nahmen das nur die wenigsten war, sie dachten wohl, so wie ich zunächst auch, dass die Tyra dort irgendwelche Privat Gespräche führen wollte.
Da diese mich nicht interessierten, ging ich an den Tresen, holte mir etwas Warmes zu essen und etwas Kaltes zu trinken. Als mich wieder bei Henna und Anka eingefunden hatte, saß dort ein jung wirkender Mann, der dennoch graue Haare hatte, er stellte sich als Bruno der Schmied vor. Auch ein Magier, der tatsächlich Magnus der Viertel vor Zwölfte hieß, hatte sich an den Tisch gesellt. Ich konnte nicht anders, als das kleine Vogelhaus anzustarren, das an seiner Mütze hing. Zum Glück konnte ich mich beherrschen und es nicht dauernd anstoßen. Irgendwie verlockte es dazu.
Wir aßen, tranken und lachten und mit viel Freude bemerkte ich, dass die Kekse, die ich gebacken hatte, guten Zuspruch fanden. Plötzlich sprach mich ein Mitglied der Dorfmiliz an, man bräuchte meine Dienste als Heiler. Natürlich schnappte ich sofort meine Tasche und folgte ihm. Eine junge Frau hatte eine Schnittwunde am Oberschenkel, die wüster aussah, als sie war. Als ich mich wieder auf den Rückweg zu „unserem“ Tisch machte, begrüßte ich noch Ashrak und Thorrik.
Mein Weg führte mich durch den dunklen Eingangsbereich, wo ich zu meiner Überraschung und enormen Freude von Aucuparia angesprochen wurde. Sie hatte nicht nur meinen Brief erhalten, sondern traute sich auch wieder unter Menschen. Doch weit kamen wir nicht in unserer Wiedersehensfreude, weil der Ausrufer mit einer heiseren Stimme Ehrengäste ankündigte. Aucuparia wurde blass wie die Wand und flüsterte, dass das Krieg und Victoria wären.
Meine Augen wurden erst groß, dann klein vor Wut. Diese Wut hilft mir oft, meine Angst zu unterdrücken und um nichts in der Welt würde ich zugeben, wie sehr ich Krieg fürchte! Allerdings führt sie auch zu vielen unüberlegten und oft dummen Taten. Als Aucuparia panisch fliehen wollte, versicherte ich ihr, dass wir alle sie beschützen würden. Ich zog sie hinter mir her zu dem Raum der Tyra Lorena, wo ich tatsächlich Eintritt bezahlen sollte. Ich sah Cassidy nur an und fragte „echt jetzt?“ sofort schüttelte er den Kopf und erklärte auch dem anwesenden Kaufmann, dass ich nicht bezahlen müsste als Freund der Tyra Lorena Crew. Schnell griff ich Ava und erklärte ihr, was geschehen würde. Sie wusste es aber schon und der Schutz von Aucuparia war von dem Moment an beschlossene Sache. Wir würden sie in dem Raum verstecken und mit unserem Leben schützen.
Zwischenzeitlich erfuhr ich dass auch der Abgesandte des Tods anwesend war, weshalb ich mich direkt aufmachte, ihn zu sprechen. Schließlich waren drei seiner Geweihten in der Taverne, da würde er wohl doch zwei Minuten erübrigen können. Was ich am Tisch von Tod und dem „Gouverneur“ erfuhr, ließ den Zorn wie ein Meer über mir zusammenschlagen. Tatsächlich hatte der Gouverneur Krieg und Victoria eingeladen!!!
Ich konnte es nicht fassen und wie immer, wenn mich der Zorn derart trifft, verlor ich jegliche Fähigkeit meiner ohnehin nicht großartigen Höflichkeit.
So etwas ist natürlich nicht hilfreich. Immerhin erfuhr ich noch, dass wir nur abwarten sollten, es würde etwas geschehen, dass die Ereignisse erklären und das wir begrüßen würden. Meinen Unglauben darüber konnte ich nur mit äußerster Mühe nicht in unflätige Worte fassen.
Als ich zurück zur Tyra ging, kam Ava an mir vorbei und drückte mir eine Bombe in die Hand. Wirklich, ich bin kein Freund dieser Dinger, doch in dem Moment fühlte ich grimmige Freude über das Teufelsding in meiner Hand.
Es kam, wie es kommen musste.
Krieg und Victoria erschienen, sie wurden ausgebuht, ich bekam an Rande noch mit, das Anka fluchtartig die Taverne verließ. Leider bekamen die beiden Wesenheiten auch sofort mit, das Aucuparia da und wo sie war. Sie riefen nach ihr, sie solle hinauskommen. Wir antworteten für die verängstigte Pflanzenfrau, dass sie nicht kommen würde. Also ging Krieg los, um sie zu holen.
Was treibt mich immer wieder zu solchen Wahnsinnstaten? Ich weiß es nicht, doch welche Idiotie es auch immer war, ich stellte mich in Kriegs Weg. Nachdem er Ava und Veiculo schon aus dem Weg gefegt hatte, einen weitaus größeren Krieger als mich beiseite schob, stand ich in der Tür zu dem Raum und brüllte, völlig neben mir stehend „Du bekommst sie nicht!“
Was geschah? Krieg packte mich und schleuderte mich wie einen Spielball in die Wand des Kamins. Ich hörte wie meine Rippen knackten, sah Ava an mir vorbei stürzen und einen Moment lang war mir schwarz vor Augen. Doch dann sah ich wieder klar genug, um Krieg auf Aucuparia zugehen zu sehen und fühlte das Gewicht der Bombe in meiner Hand.
Und ich warf sie, traf Krieg in den Rücken, doch er überstand die Explosion unbeschadet. Grinsend drehte er sich um und ich war mir sicher, er würde uns nun töten. Doch stattdessen forderte er, das Aucuparia mit an den Verhandlungen in einem winzigen Nebenraum teilnehmen sollte. Sie gab der Forderung nach, um uns zu schützen. Schnell war ein Geleitschutz organisiert, selbst die Dorfmiliz hatte sich auf unsere Seite geschlagen. Dummerweise wurden Aucuparia und ich von den Bewaffneten abgeschnitten, als wir den Raum betraten. Veiculo fragte noch, warum ich als Einzige in dem Raum war und mein Gedanke war „weil ich blöd wie ein Stein bin“. Hoffentlich habe ich das nicht laut ausgesprochen.
Doch bei aller Angst und allen Schmerzen gelang es, uns Krieg ein Schnippchen zu schlagen. Er forderte nämlich, dass Aucuparia sich auf einen Stuhl setzen sollte. Diese Forderung unterstrich er mit der Androhung weiterer Gewalt. Doch er hatte nicht gesagt, wo sie sich setzen sollte. Ein einzelner Stuhl stand so weit wie möglich von dem Tisch entfernt und Aucuparia nahm drauf platz. Ich stand die ganze Zeit bei ihr und versuchte sie zu beruhigen. Etwas, dass ich Heiler kann und auf das ich mich fokussieren konnte. Ich habe keine Ahnung was gesprochen oder abgemacht wurde. Doch irgendwann wurde ein Vertrag unterschrieben, auch von Krieg und Victoria. Das dreckige Lachen Kriegs ließ mich nichts Gutes ahnen, vor allem nicht, als er sagte „ihr müsst euch daran halten, sonst…“
Danach standen die beiden auf und verließen die Taverne.
Wäre in dem Moment jemand fremdes in die Taverne gekommen, hätte er völlig verwirrte Gesichter gesehen.
Wir schauten uns an, Ratlosigkeit spiegelt sich in jedem wieder. Aucuparia wollte sofort wieder verschwinden, aber wir konnten sie überzeugen, noch zu warten, bis die beiden zumindest außer Sichtweite waren. Dann lief sie eilig in die Nacht hinaus und verschwand ebenfalls. Kurz darauf musste ich einen aufgeschnittenen Hals von Veiculo versorgen, der sich mit Landsknechten gestritten hatte und der Abend schien wieder normal zu werden.
Die arme Aucuparia, meine Gedanken wandern immer wieder zu ihr. Sie ist das Ziel von Victorias und Kriegs Quälereien und niemand kann ihr helfen. Die Gerüchte, die ich auf dem Weg vom Hafen zur Taverne gehört hatte, dass es nämlich einen Text gäbe, der aufzeigt wie man Aratosch besiegen kann, die Scholare zu denen auch Wilma gehört, diesen Text aber unterdrückten, half auch nicht wirklich weiter.
Irgendwann hatte alles sich ein wenig beruhigt, und als
Professor Doktor Doktor Moriot auftauchte, konnte ich schon wieder Lächeln. Wir
unterhielten uns über verschiedene Medikamente und Heilmittel und so berichtete
ich zuerst ihm von den Fundstücken in der Apotheke des Hospizes. Eines war völlig
unbekannt, das andere angeblich getrockneter und klein gehackter Einhornhoden.
Eigentlich wollte ich das noch Anka zeigen, aber es wird wohl warten müssen,
bis wir wieder in Trum sind. Anka war in ihrer Panik vor Krieg nämlich bis zum
Schiff geflohen. Vielleicht ergibt sich auf der Rückreise oder nach der
Winterwende die Gelegenheit mit Anka zu sprechen … sie wohnt zurzeit bei den
Strindbergs in Siebenhöfen.
Ich glaube, ich werde dorthin fahren und mich irgendwo besinnungslos betrinken,
vielleicht lindert das den Schmerz…