Henna und Ekarius hatten ein Schiff aus Westflachgrund genommen, das nach einigen Zwischen-Stops, unter anderem in Theotmund, nach Escadon fuhr. So hatten Anka und ich Gelegenheit zuzusteigen. Wir machten uns eine schöne Zeit an Bord, die nur durch Ekarius’ und Hennas stets wachsenden Husten geschmälert wurde. Irgendwann fingen sogar Anka und ich an zu husten. Das Ekarius etwas von einer roten Keuche murmelte, die in Westflachgrund ausgebrochen war, trug nicht gerade zu Ankas Seelenheil bei.
Ich dagegen bin der festen Überzeugung, dass wir einfach nur die üblichen Winter-Erkältungen hatten, die nach dem langen harten Sommer umso schlimmer ausfallen würden.
Irgendwann kamen wir in Escadon an, wo Ekarius mit Fieber daniederlag und das Schiff nicht verließ. Ich versorgte ihn noch mit Fieber senkenden Mitteln und folgte Henna und Anka dann von Bord. Henna war schon einmal in dem Kloster gewesen, zu dem uns die Helwarter eingeladen hatten.
Ich freute mich darauf, die uns bekannten Gesichter wieder zu sehen, auch wenn das die Sorge um Ekarius nur ein bisschen milderte.
Der Weg zum Kloster war wirklich gefährlich, diese halsbrecherischen Kutscher!
Als wir im Kloster ankamen, waren wir nach dem Weg durch die Stadt ganz schön durchgefroren. Umso erfreuter waren wir, Aran zu sehen, der uns direkt in einen schönen warmen Raum führte.
Kaum saßen wir, kam noch ein Gast, ein junger Adeliger von aparten Äußeren, doch unerträglichen Manieren. Ohne sich vorzustellen, verlangte er unser Namen zu erfahren und warum wir im Kloster waren, woraufhin ich erst einmal nach seinem Namen fragte.
Warum es immer wieder mit mir so durchgeht, weiß ich nicht, vielleicht spürte ich aber auch, das Aran überhaupt nicht glücklich mit dem erscheinen des Adeligen war. Wahrscheinlich auch deswegen, weil Amateras noch nicht da war, ihm unterstand das Kloster nämlich. Doch der arme Kerl steckte noch in Verhandlungen mit dem Stadtrat fest. Henna brauchte man nichts sagen, ich sah seinem Gesicht an, dass er schon die Hand am Dolch hatte. Und Henna wiederum wusste, dass ich es wusste.
Während Aran mit dem Adeligen in der Kapelle sprach, konnten wir Yaren überreden, an der Tür zu lauschen, was aber nichts brachte, denn sie war zu dick, man hörte nur murmelnde Stimmen. Sie schaffte es also problemlos, sich wieder zu setzen, bevor die beiden zurückkamen.
Anka, die buchstäblich zwischen den Fronten saß, schaute irritiert von einem zum anderen. Während der Adelige weiterhin darauf wartete, dass wir uns vorstellten und keiner von uns die geringsten Anstalten dazu machte, versuchte Aran die Situation zu retten, indem er den Adeligen und dann uns vorstellte. Es freute mich diebisch, dass er mich als „Elder von Trum“ vorstellte, was einen gewissen Stand implizierte, den ich jedoch nicht besaß.
Hätte Aran nur ein Wort gesagt, Henna hätte nicht gezögert und es hätte einen schnöseligen Adeligen weniger auf der Welt gegeben. Irgendwann sagte jemand, dass der Adelige wohl auch über das richtige Benehmen niederer Stände mit Amateras sprechen wolle, woraufhin ich fluchtartig den Raum verließ, um mich nicht um Kopf und Kragen zu reden.
Aran war ebenfalls im Eingang und erzählte dort erzürnt, das der Adelige wohl ins Kloster des Helwart eintreten wolle, aber selbstverständlich nur in gehobener Position, denn einfache Arbeiten wie es jeder machen muss, seien unter seiner Würde. Was für ein Schätzchen, typisch Adelige eben.
Als die Wachen des Tores, Tjark und Bramos, Bewegung auf der Klosterwiese meldeten, richteten sich alle auf, nur einen Moment später traten Amateras und der mir bis dahin unbekannte Bruder Gregor ein. Nach einer freundlichen Begrüßung setzten die beiden durchgefrorenen Männer um etwas Warmes in die Bäuche zu bekommen.
Anka fragte Henna, ob der Baron Gärten besäße, die sie sich anschauen könne, was Henna bejahte. Wie Anka auf die Frage nach einem Tiergarten kam, weiß ich nicht, doch Henna bejahte auch dies und fügte hinzu, dass es dort einen Elefant gäbe. Das führte zu großer Irritation bei allen Anwesenden, außer bei Henna und mir. Wir wussten ja, was für ein riesiges Viech das war und wo es herkam. Unsere Versuche, das Tier zu beschreiben, führte bei allen zu Unglauben, vor allem als ich sagte, es sei doppelt so hoch wie Amateras, habe eine lange bewegliche Nase und riesige Ohren, das die Füße eimergroß sind und es trötet.
Plötzlich kam Tjark herein, winkte Yaren und Aran, alle gingen hinaus und die Neugierde trieb mich hinterher. Im kalten Eingangsbereich des Klosters hörten wir klagende und zornige Stimmen, die sich miteinander stritten. Es war unheimlich und erinnerte mich an meine erste große Reise nach Solania, als wir die Herzogin suchten, die von einem Dämonen gefangen war. Ich bekam entsetzliche Kopfschmerzen, ignorierte es jedoch und erzählte den anderen von dieser Reise.
Der Magister, den Yaren und ich im Sommer auf Escadon von greifenden Ranken befreit hatten, machte sich mutig daran, jedes Wort der beiden Stimmen aufzuschreiben. Dämonische Stimmen im Kloster. Wie unerhört und wie typisch.
Anka bekam solche Angst, dass sie in die Küche flüchtete, die am weitesten entfernt vom Eingang lag. Der gutmütige Henna ging mit ihr, um sie zu beruhigen, während Anka drauf bestand, sich im Dunkeln vor Geistern verstecken zu können. Die Nachtmesse führte zu Ruhe und die Präsenz der Geister dazu, dass alle daran teilnahmen.
Wir rätselten eine ganze Weile, was es alles sein und bedeuten könnte, bis Amateras ein Machtwort sprach. Es brachte nichts zu rätseln, wir machten uns nur verrückt. Tjark und Bramos hatten zwischenzeitlich das Tor gesichert und sich zu uns gesellt, sie erhaschten das Wort Elefant, ich musste das Tier erneut beschreiben, was zu vielen wirren Ideen in den Köpfen der beiden führte.
Wie wirr erfuhr ich erst am nächsten Tag.
Auch Anka war ganz fasziniert, und weil niemand je so ein Tier gesehen hatte, wurde um eine Zeichnung gebeten, was ich aber ablehnte, denn ich bin ein fürchterlich schlechter Maler und Henna ging es ebenso. Als Anka ganz begeistert von ihrer Feenstaub Taverne erzählte, schenkte Amateras ihr etwas von dem Feenstaub, den wir zuvor in Escadon gefunden hatten.
Spät am Abend wurde immer noch über den Elefant gelacht und ein kleiner Umtrunk genommen, bevor die meisten in die bereit gestellten Unterkünfte gingen, um sich schlafen zu legen.
Amateras und ich saßen noch eine Weile zusammen und sprachen über die Situation als wir Trumer das letzte Mal in Escadon waren und fröhlich herumexperimentiert wurde. Arans Leben wurde dabei meiner Meinung nach leichtfertig riskiert, etwas das Amateras hätte unterbinden können. Wir sprachen uns aus, so dass etwas, das wirklich auf mir lastete, endlich geklärt werden konnte.
Sehr früh am nächsten Morgen wachte ich auf war aber nicht die erste auf den Beinen. Bramos stand schon wieder am Tor, das er für mich öffnete, damit ich ein wenig an der frischen und eiskalten Luft spazieren gehen konnte.
Als ich zurückkehrte, war der Frühstückstisch schon gedeckt, Aran schimpfte wieder über den Adeligen und als ich Hennas Dolch erwähnte, war Aran ein wenig in Versuchung, aber er lehnte ab.
Nach dem Frühstück gab es wieder eine Messe. Wie zuvor saß ich hinten und las sowohl die Gebete mit, als das ich auch leise mitsang. Manche Worte wollten mir jedoch einfach nicht über die Lippen kommen, es war, als würde etwas mich abhalten. Als Aran mit einem komischen Ding, einer Schale, einen Ton erzeugte, hatte ich das Gefühl, das mir entweder etwas aus dem Hirn gerissen oder eine glühende Nadel hinein getrieben wurde. Der Schmerz kam so plötzlich und so heftig, dass mir übel wurde. So schnell er kam, so schnell war er aber auch wieder vorbei und ließ mich wirklich ratlos zurück.
Doch ich gab nichts darauf und erzählte es auch niemanden. Es reichte, dass Anka jedes Mal, wenn jemand hustete, rief „wir werden alle sterben!“ wegen der roten Keuche in Westflachgrund, wo Henna und Ekarius gewesen waren.
Als ich erneut an die frische Luft trat, sprach Tjark mich an und fragte, ob ich Magier kennen würde. Das bejahte ich und er fragte, ob ich wüsste, wie viele Magier in einer Kuh stecken würden, damit die Kuh Milch gab. Blinzelnd sah ich den großen blonden Mann an, und fragte mich, ob er geistig noch anwesend war oder er mich hereinlegen wollte. Doch er meinte es völlig ernst. Ebenso wie seine nächste Frage nach den Magiern in der Ekeltante, die Trompete spielen würden. Nun war ich völlig perplex und fragte, was in den Niederhöllen er meinte mit Ekeltante. Tjark und Bramos hatten während des Wachestehens überlegt, wie das große graue Tier hieß und es kurzerhand zu einer Ekeltante gemacht. Sie wollte mir einfach nicht glauben, dass in Tieren kein Magier sitzen würde. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, dort gab es keine Magie, sieht man vom „Wunder des Lebens“ ab.
Den Kopf schüttelnd, versuchte ich den beiden zu erklären, das der Elefant kein Drache ist, keine Magier in seinem Bauch hat, und auch nicht Ekeltante heißt. Schließlich versuchte ich das Tier aufzuzeichnen, das führte aber auch nicht wirklich zu mehr Verständnis, vor allem nicht, als Anka den Baron von Siebenhöfen mit einer Leiter malte, wie er auf dem Elefanten saß.
Bald kamen die anderen heraus in den klirrend kalten Tag, um sich der Leibesertüchtigung zu widmen. Anka, der adelige Schnösel, der Magister Geralt und ich saßen draußen, ärgerten die angetretenen Kämpfer, die Aran ordentlich ran nahm. Als uns kalt wurde, bat ich Amateras um die Erlaubnis, den Klostergarten anzusehen und eventuell etwas mitzunehmen, was dieser sofort erlaubte.
Also machten Anka und ich uns auf, die Gärten zu „plündern“. Einige Quitten, Äpfel und Bucheckern kamen mit uns hinein, als es einen kleinen Mittagsimbiss geben sollte. Danach wollte Bruder Gregor einen Vortrag über das Recht im Helwart Orden halten. Da hielt ich mich aber raus und wusch lieber ab.
Als ich damit fertig war, waren auch die Vorlesungen beendet und ich sah, wie Anka mit dem jungen Adeligen Bucheckern sammelte. Hatte der junge Mann sich so schnell in die schöne Schankmaid verguckt? Er war auf jeden Fall wesentlich handzahmer als am Tag zuvor.
Auf einmal kamen Yaren und Aran mit einigen schwarzen Dingern an, die sie wohl in der Mauer gefunden hatten. Nach einigen kurzen Überlegungen gingen Henna und ich hinaus, um weitere Dinge zu finden, die nicht hierhin gehörten, während Anka mit dem jungen Adeligen in der Küche wirbelte.
Es wurden noch einige Teile gefunden, die sich zusammensetzen ließen und etwas wie ein Schwert in einem Hügel ergaben. Nun stellte sich die Frage, ob man dieses Symbol wieder zusammensetzen solle oder nicht. Nach etlichen Runden der Diskussion wurde entschieden, dass in einer Andacht, die beiden streitenden und flehenden Geister zur Ruhe gebettet werden sollten.
Amateras würde sich dem erzürnten Geist stellen, während Bruder Sander, ein Kantor, die Messe dazu abhalten sollte. Dem Paladin war nicht wohl bei dieser Geschichte, wie er offen zugab, doch alle sprachen ihm Mut zu und ihr Vertrauen in ihn aus. Sie begannen und ich klebte als Helwart Ungläubiger, die einzelnen Teile mit einer Mauerpaste wieder zusammen.
Sie wurden in die Kapelle gelegt, wo sie zusammen mit einem Ring auf dem Altar lagen. Bruder Sander sprach seine Gebete und der Ring wurde in die helwarter Erde gebettet, dann ging es um das Symbol. Ich hörte kaum zu, beobachtete mehr und sehr gebannt, wie Amateras Hände manchmal zitterten und sich verkrampften, um sich dann wieder zu entspannen, während er mit dem Geist Kontakt hatte.
Schließlich verkündete Bruder Sander, dass das Ritual erfolgreich gewesen war, und beide Geister Frieden gefunden hatten. Alle verließen die Kapelle, ich setzte mich ein wenig an Amateras Seite, nachdem ich aus der Reise Apotheke ein Stärkungsmittel geholt hatte. Der große Paladin lehnte jedoch ab, während Tränen über sein Gesicht liefen.
Nach einiger Zeit fing er sich wieder, erhob sich und stärkte sich mit einem der lustigen Kulinarischen Künste, die Anka zusammengebraut hatte und die wirklich lecker dufteten.
Nach dieser Austreibung führte Aran noch ein Schildtraining mit Yaren durch. Henna und Anka gesellten sich hinzu. Anka schien anfangs noch ein wenig schüchtern, doch die kleinen Schilde, die der Helwart Orden nutzt, sagen ihr wohl mehr zu, als große Schwerter und andere Waffen.
Amateras holte die Gruppe schließlich hinein, indem er drohte, er würde einen Pfeil zwischen sie schießen, worauf alle fluchtartig den Klosterhof verließen. Niemals hätte Amateras das getan, was auch alle wissen.
Als alle wieder in dem Hauptraum versammelt waren, war es Zeit für mich, meinen allerersten Vortrag zu halten. Wenn ich das Maß der sich verziehenden Gesichter sah, wenn ich von Operationen an Mägen sprach, hab ich wohl alles richtig gemacht. Auch das durchtreiben des Pfeils verlangte nach mehr Erklärungen als es Arans Magen gut tat.
Wie gut das es das Abendessen erst nach dem Heilervortrag gab.
Nach der Abendandacht gab es eine Pause, die ich nutzen wollte, um mir von Amateras die Stärkung des Geistes erklären zu lassen. Alle hörten gebannt zu, denn niemand will irgendein ferngesteuerter was auch immer sein. Es war sehr interessant und lehrreich.
Zur Nachtmesse, die wieder von Aran und Bramos gehalten wurde, versammelten wir uns erneut in der Kapelle. Und wie am Morgen wollten einige Worte nicht über meine Lippen kommen. Ebenfalls wie am Morgen durchfuhr ein stechender Schmerz meinen Kopf und ich biss die Zähne zusammen, als Aran diese komische Klangschale benutzte.
Doch sowie die Messe vorbei war, war alles wie zuvor, entspannt fröhlich und schon fast ausgelassen. Amateras erbot sich, uns am nächsten Tag noch über den Markt zu führen, damit wir einige wertvolle Kräuter, Kristallbeeren und ähnliches zu fairen Preisen bekommen würde.
Als ein Spiel um wahrhaftige Antworten begann, wurde es interessant.