Der Haufen und die Distel (beendet)

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Die Sonne würde gleich untergehen und Tauron saß auf seinem Bett im Zimmer des Tintenfasses und las den Antwortbrief erneut.

An die Unbekannten Diesteln
Wohl bin ich und der Haufen, dem ich vorstehe, für das Lösen von verschiedensten Problemen gut geeignet. Ich will mich daher mit euch Treffen und euer Angebot hören. Am morgigen Abend werde ich auf der Silberstrombrücke stehen und auf eure Kutsche warten. Aber seid gewarnt. Es bestehen hier in den Kaufmannslanden für meinen Haufen und mich Absprachen mit Leuten vom Roten Drachen und dem Grauen Star. Ich nehme an die Namen sagen euch etwas.

Tauron war sich seiner Sache sicher. Immerhin brachten die Aufträge vom Roten Drachen bereits beträchtliche Summen in die Soldkasse des Haufens. Diese Leute hatten bereits für seine persönliche Sicherheit gebürgt indem Sie Ihm Ihr Wappen gaben. Was sollten diese Diestelvögel schon wollen?
Er stand auf, verließ sein Zimmer und die Herberge Tintenfass, ging auf der Straße geradezu auf die Silberstrombrücke. Die Straße war voller Menschen, Pferde und Kutschen so das es nicht weiter auffiel das Tauron am Brückenbeginn über das Geländer sprang und die Böschung zum Wasser hierunterlief. Die Brücke war aus dicken Baumstämmen gebaut und er legte den Brief auf einen davon. Hier unten war es still und einige Bettler und Landstreicher blickten verstohlen zu Tauron herüber. Sie schauten aber auch ängstlich auf die andere Uferseite wo an dem Brückenwiederlager eine Gestalt in langem Umhang mit Kapuze stand. Tauron verstand, drehte sich um und ging. Keiner würde den Brief stehlen.
Am nächsten Abend ging er zum Sonnenuntergang erneut durch Rosto Nevila auf die Silberstrombrücke, schaut flußabwärts und wartete.

Tauron hatte Recht, niemand würde den Brief stehlen, ein armseliges Leben war dennoch ein Leben und nur wer seines Lebens überdrüssig war, würde es wagen, sich mit der Distel anzulegen. Wer auch immer sich hinter dem Zeichen der Distelv verbarg, sie griffen mit aller Härte durch. Niemand kannte die Kanäle der Distel, niemand wusste, wer sich wo verbarg, doch dass sie es ernst meinten, hatten die Leichen bewiesen, die immer wieder auftauchten. Die ersten waren noch als die üblichen Unfälle und Selbstmorde abgetan worden. 
Wer mit einem prall gefüllten Kupferbeutel durch die Sümpfe der Stadt wandert, erleidet nun einmal Unfälle oder begeht Selbstmord. Die Distel ging aber noch einen Schritt weiter…

Wie auch immer, Taurons Gesicht war bekannter, als ihm vielleicht bewusst war, und vielleicht auch bekannter, als gut für ihn war. Als er des Abends auf der Brücke wartete, erschien zum letzten Sonnenstrahl ein recht armselig wirkender Karren mit einem müde wirkenden Pferd davor. Der Fahrer saß tief gebeugt, als ob er schliefe, die Kapuze der Gugel verbarg sein Gesicht. Auf Taurons Höhe kam ein aufforderndes Grunzen von der Gestalt, als Zeichen für den Haudegen aufzuspringen.

Tauron besah sich den Karren und die Figur die ihn lenkte, nahm auf der Ladefläche platz und sagte: Kann losgehen.

Von dem Fahrer war nicht viel zu erkennen, einzig seine Hände schauten aus dem Umhang heraus. Sie wirkten mager und sehnig, ein wenig zu groß vielleicht. Sobald Tauron aufgesprungen war, zog der Karren wieder an und wurde über die Silberbrücke hinaus gelenkt, vorbei an schmutzigen Häusern in noch schmutzigeren Gassen. Der Karren fiel ebenso wenig auf, wie sein Fahrer oder die Ladung, auf der Tauron Platz genommen hatte. In der schnell hereinbrechenden Dunkelheit verschwanden die letzten Häuser. Der Karren bliebt auf dem Weg, bis er an einer Ruine hielt, die einst eine Taverne gewesen war, bis sie einmal zu viel den Falschen geschröpft hatten. Ein Feuersturm hatte das Gebäude und die Wirtsleute darin versengt. Ein weiteres Grunzen bedeutete dem Fahrgast abzusteigen. Würde Tauron es wagen, das Gebäude zu betreten, dessen leere Fenster wie die Augenhöhlen eines Schädels wirkten?

Tauron stieg vom Karren und ging auf die Ruine zu. Mit wenigen Schritten stand er vor der gähnenden dunklen Öffnung die einst die Tür zur Taverne gewesen sein musste. Er wollte die Augen an die Dunkelheit gewöhnen und blieb stehen. Die rechte Hand löste unmerklich den Lederriemen der seinen alten Panzerstecher, einen schweren Dolch, in der Scheide sicherte. Mit leiser Stimme sprach er: Keinen Schritt werde ich weiter gehen in dieses Loch. Wenn Ihr was wollt dann kommt heraus. Tauron vermutete bereits hinter der ersten verkohlten Wand eine Gestalt die in der Dunkelheit wartete.

Ein leises, amüsiert klingendes Lachen ertönte hinter Tauron. Aus der Dunkelheit wuchsen mehrere Schatten. Hier und da blitzte Stahl.
“Die Distel hat dich eingeladen, sonst wärst du schon tot, geh weiter oder bist du zu feige? Hast du Angst vor Schatten in der Nacht?”
Würde Tauron sich die Zeit nehmen hinzuhören, würde er feststellen, das die Stimme einer Frau gehörte, einer jungen Frau wie es schien. Niemand sonst sprach, das Schweigen war auf seine Art und Weise gleichermaßen bedrohlich wie unheimlich. 

Und obwohl es offensichtlich zu viele waren für Tauron, machte niemand Anstalten den Mann anzugreifen, oder ihn mit vorgehaltener Waffe zu “ermutigen”.

Die Schatten die ich schon sah, würden dich nach deiner Mama schreien lassen. Ohne einen Blick zurück zu werfen oder auch nur nach der Waffe zu greifen, machten Tauron einige Schritte und ging in die finstere Ruine.

Tauron hatte recht mit seinen Gedanken, dass sich in der Ruine noch mehr Menschen befanden, wie viele es jedoch waren, ließ sich unmöglich sagen, denn nur ein winziges Öllämpchen wurde weit entfernt entzündet.
Eigentlich reichte das Licht nur aus, um die Schatten zu vertiefen und alles noch unheimlicher wirken zu lassen. Zunächst sprach niemand, als doch eine Stimmer erklang, war es nicht leicht zu erkennen, woher sie stammte. Ebenso unheimlich war die Tatsache, das es schwer war herauszufinden, ob es eine männliche oder weibliche Stimme war, denn sie war offensichtlich verstellt. Wer auch immer dieser Haufen Disteln waren, sie legten großen Wert darauf im verborgenen zu bleiben.
“Du hast Recht Tauron, du hast einiges gesehen was diese Armen Seelen nicht kennen. Wir danken dir das du unserer Einladung gefolgt bist. Wir wollen dir ein Geschäft vorschlagen. Bitte sei nicht so töricht, ein Gesicht sehen zu wollen, dafür kennen wir dich zu wenig. Deine Taten sind aber wohl bekannt und auch, dass du für Geld alles machst. Dies bedeutet das du uns auch verraten könntest. Deshalb musst du dir unser Vertrauen erst verdienen. Bist du bereit das zu akzeptieren?”
Die Stimme klang seltsam kultiviert, es schien niemand aus der Gosse zu sein, die Wortwahl und die korrekte Aussprache schienen eher zu jemandem von Stand oder zumindest guter Bildung zu gehören.

Ja, das bin ich. Endlich würde das hier interessant werden.
In Gedanken zählte Tauron bereits das Kupfer das sich hier verdienen ließ.

Du rühmst dich, besser gesagt du bist berüchtigt für so einige Taten. Doch wer mit oder für uns arbeiten will muss eine Prüfung ablegen, die seinen Fähigkeiten entspricht. In deinem Fall geht es um die ceridische Kirche. Du wirst einen Würdenträger der Kirche brandmarken. Gelingt es dir, wirst du entlohnt, wenn nicht, bist du nicht mehr von Interesse, denn dann verlierst du zwangsläufig deine Hände…oder mehr
Die Stille die diesen Worten folgte, senkte sich herab wie ein Leichentuch und schien der Bedeutung angemessen schwer und nahezu schneidbar zu sein.

Die fassungslose Leere in Taurons Kopf über diese Forderung weicht zuerst einer Wut über solch einen sinnfreien Auftrag die dann wiederum überschwemmt wird von Heiterkeit die sich in einem lauten Gelächter äußert. Hahaha! Einen hohen Würdendträger? Brandmarken? Wie soll das aussehen? …und überhaupt. Wenn ich schon jemand überfallen und auch noch am Leben lassen soll, muss er in jedem Fall seine Zunge verlieren um nicht sprechen zu können. Ich brauche außerdem einen Namen oder soll ich einen raussuchen? Und was daran wäre der Vertrauensbeweis? Das kann doch jeder Söldner erledigen. Gebt uns lieber etwas Wertvolles von euch das überbracht werden soll. Damit können wir vertrauenswürdigkeit beweisen.
Tauron macht ein Pause und denkt scharf nach.
An dieser Stelle will ich euch sagen, das ich immer wissen will warum ich etwas tue und was es euch an Nutzen bringt. Außerdem wird der Haufen immer sofort bezahlt. Ihr kennt uns ja scheinbar schon so gut, das ein unbezahlter Vertrauensdienst eigentlich völlig unnötig ist. Wenn der Ceride also der erste Auftrag sein soll so nennt gefälligst Namen, Tat und Preis sonst ist unsere Unterhaltung beendet.
Tauron läßt seine Worte wirken und kniet sich in der Dunkelheit auf den Boden. Eine Waffe die in dieser Position gegen Ihn geschwungen werden könnte, würde er frühzeitig hören.

Ein abfälliges schnauben war zu hören. “Wir brauchen keinen Boten, wir brauchen Leute die alles erledigen, ein Kind auf der Straße ist oft ein weit besserer Bote als jeder andere. Und glaubst du wirklich, du sollst einen x-beliebigen Brandmarken? Niemand der von der Distel bestraft wird, hat es nicht verdient. Du enttäuschst uns. Wahrlich, vielleicht haben wir uns doch in dir getäuscht”
Die Stimme schien noch etwas hinzufügen zu wollen, wurde jedoch unterbrochen. Taurons feine Ohren würden eine geflüsterte Diskussion hören, ohne jedoch bestimmte Worte ausmachen zu können.

Nur einen kurzen Moment lauscht Tauron dem Getuschel. Sind die sich uneinig? Was ist hier los?
Wenn ich euch jetzt schon enttäuscht habe, dann ist es so. Schickt eure Kinder mit euren Sachen los und bezahlt die Söldner denen Ihr vertraut. Ich und die unter meinem Vertrag werden niemals jemanden der Ceridischen Kirche anfassen. Und jetzt Schluß damit. Sucht weiteren Kontakt im Drecksloch in Theotmalli wenn eure Kinderchen versagt haben. Tauron steht auf dreht sich um die Achse und geht schnellen Schrittes auf die Tür zu, die sich als heller Fleck in der Mauer abzeichnet. Draußen ist herrlich klare Luft und die umhangtragenden  Distelleute halten einige Meter Abstand. Mit schnellen Schritten entfernt sich Tauron in Richtung der Stadt und verlässt die Straße sobald keiner mehr in Sichtweite ist. Für diese Nacht wird er in einem der nahen Ställe der Bauern übernachten und morgen bei Tag das Pferd und Gepäck aus der Taverne Tintenfass holen um sich auf den Weg nach Theotmalli zu machen. Jokel würde zuerst erklären und dann bezahlen müssen. Anschließend muß noch ein Bericht geschrieben werden an die Mauerwache

Lasst ihn gehen, er wird noch merken was er davon hat. Offensichtlich ist er ein Feigling” erklang eine neue Stimme aus den Schatten, genauso gesichtslos wie alle anderen. Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Einige Minuten nachdem Tauron außer Sicht und Hörweite war, verließen einige Gestalten die Ruine und gingen in verschiedene Richtungen davon. Noch einige Minuten Später brannte die Taverne ein zweites mal und vernichtete alle Spuren des Treffens. 

ENDE