Ehrlich währt am längsten – Anka in Agnatien – Tag 2

Zum Frühstück fanden wir uns alle am Tisch ein. Herr Ekarius hatte den Vorsitz und wir reihten uns auf den Bänken ein. Mein Feenrich war immernoch zurückgekommen und ich wurde traurig, doch blieb mir nicht viel Zeit für solche Gedanken. Die Männer hatten sich wohl überlegt, dass sie stärker sind als eine einzelne Frau und piesackten mich, was das Zeug hält. Als es mir schließlich zu bunt wurde, schlug ich einmal kräftig auf den Tisch. „Jetzt ist Schluß. Frühstück ist aus.“ Ich fing an, ihnen die Sachen vor den Nasen wegzuräumen. „Und zack, zack! Jetzt wird aufgeräumt!“ Ich schlug in die Hände und teilte die Aufgaben ein. Sie waren so erschrocken, dass sie keine Gegenwehr leisteten, sondern sofort machten, was ich verlangte.

Innerlich musste ich so sehr lachen und tatsächlich schlug Herr Ekarius schließlich vor, dass ich die Lagerleitung übernehmen sollte, während er die Expeditionsleitung weiterhin innebehielt. Es war niemand dagegen und so wurde ich kurzerhand zur Lagermutti gewählt. Tjaha, da wundern sich die Lieben wohl. Doch dass ich längst keine schlichte Schankmaid mehr bin, sondern eine erfolgreiche Taverne als Wirtin betreibe, das haben sie wohl alle vergessen – bis zu diesem Morgen. In den nächsten Tagen sorgte ich jedenfalls dafür, dass immer etwas zu essen auf dem Tisch stand. Ich reichte frische Bowle, schnitt Obst mit vielen Vitaminen und achtete auf einen aufgeräumten Tisch mit Blümchen in der Vase. So konnten sich alle bei uns im Lager wohlfühlen, die eigenen Männer und Gäste eingeschlossen.

Noch während wir uns langsam für den Tag zurecht machten, ertönten Trommeln und laute Warnrufe. Erneuter Angriff der Blutsbarbaren! Ekarius griff seine Waffe und stürmte los. Henna und Alistair, unseren anderen Kämpfer kamen gar nicht hinterher. Ich sorgte mich, wie konnten sie ihn alleine ins Getümmel laufen lassen? Ich trat vor unser Lager und sah jetzt erst, wie viele Zelten hier auf dem Feld angesammelt waren. Nordleute neben Spießgesellen, Abenteurer neben Adel. Wir hatten das Glück, dass die Knochenwalder Expedition direkt neben uns lagerte und ich sah, wie Herr Ivan und die zwei Rekruten ebenfalls zur Schlachtreihe stürmten und atmete auf.

Ich lief zurück ins Lager und griff nach Elders Heilerkoffer, den sie mir wohlweislich geliehen hatte. Sie hatte sich wohl den Magen verstimmt und die Reise vorzeitig abgebrochen, weil sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Doch wollte sie, dass unsere Männer zumindest ein wenig Heilung von mir bekommen konnten und gab mir auch das Rezept für einen Blutstillenden Trank mit. Diesen mischte ich mithilfe von Bruder Decius neu an, allerdings war das Rezept auf dem Weg zum Lager aufgeweicht und unlesbar geworden, doch ich bin sicher, wir haben das richtig gemacht. Zur Sicherheit gab ich noch etwas Feenstaub hinein, denn Bruder Decius meinte, dass eine falsche Dosierung giftig sein und zum Tod führen könnte. Aber ich habe ja auf Escadon gelernt, dass  ein wenig Feenstaub in einem Gift sich auch positiv für den Trinkenden auswirkt.

Auf diese Weise konnte ich unseren Männern gut helfen, als diese den Tag immer wieder verwundet ins Lager getorkelt kamen. Tatsächlich wurde auch in der Front des Lagers ein Lazarett eröffnet, bei dem ich mich als heiler melden musste. Damit fühlte ich mich nicht so recht wohl. Ich war schließlich Wirtin und keine Heilerin. Ich konnte zwar etwas nähen und hatte von Elder ein bisschen Ausstattung mitbekommen, aber ob ich richtig damit umgehen könnte, wusste ich nicht. Erste Hilfe im Feld würde ich hinbekommen. Ich hatte im letzten Jahr ja eine Schulung von Elder mitgemacht.

Im Lager rief mich Herr Alistair einmal aufgeregt in sein Zelt. Er hatte meinen Feenrich gefunden! Er hatte sich wohl zu Bob, der Feuerameise hineingeschlichen und was die beiden da in Bobs kleinem Korb taten, sah nicht ganz jugendfrei aus. Vielleicht übten sie auch einfach Ringen miteinander, ich weiß es nicht. Aber mein Feenrich ist für sich selbst verantwortlich und ich bin sicher, dass er keinem Lebewesen etwas tut, was es nicht will. Das sagte ich auch zu Herrn Alistair, der verlangte, dass ich ihn dort hinausholte. Ich greife ganz sicher nicht in die Nähe dieser gefährlichen Ameise und erinnerte ihn an den Biss, als Bob in meiner Taverne ausgebüchst war. Also ließen wir die beiden erst einmal wieder allein, bis ich den Feenrich schließlich mit Kuchen wieder herauslocken konnte.

Ich wurde an diesem Tag sehr oft auf meinen winzigen Begleiter angesprochen. Die Nordmänner, die neben uns lagerten hatten großes Interesse an ihm und mein Feenrich ließ sich sogar tatsächlich von ihnen ansprechen. Sie erzählten, dass sie einen kleinen Nissenschrein aufgebaut hätten. Nissen sind feenartige Wesen, denen man immer wieder etwas schenken sollte. So bekam man ihre Gunst und würde Glück bekommen. Ich war begeistert! Sie schenkten meinem Feenrich Kleinigkeiten und er beachtete sie dafür mit etwas Feenstaub und seiner Gunst.

Mit einem der Nordmänner verstand ich mich besonders gut. Er war groß und schlank und hatte einen wachen, neugierigen Blick. Und ständig hatte er Hunger. Wenn da mal nicht das Herz der Wirtin in mir höher schlägt. Er hieß Torfynn und war ein sehr angenehmer und sympathischer Geselle. Ich bin mir sicher, er könnte mir noch jede Menge Geschichten erzählen und ich hoffe, dass ich ihn mal wiedersehe. Ich hätte den ganzen Tag neben ihm sitzen und mit ihm reden können.

Auch der Jarl der Nordmänner, die sich Dureonen nennen fand meine Beachtung. Von Gestalt kleiner als all die anderen hatte er jedoch eine große Präsenz.  Er schritt den Weg entlang und durchs Lager, als könne er jeder Gefahr trotzen. Und dem war auch so. Die Dureonen waren ausgezeichnete Kämpfer und ich bewunderte ihre Ausrüstung sehr. Einmal ging der Jarl an mir vorbei und warf mir ein kleines Säckchen zu. Es war eine Rune darauf gemalt. In dem Säckchen fanden sich allerlei wundersame Dinge. Eine große Silbermünze mit einem Pferd, ein kleiner Knochen, ein Geweihstück, bunte Perlen, und zwei Runensteine. Ich habe Freya bereits nach der Bedeutung der Runen gefragt und sie meinte, es hieße Pferd, Treue, Erfolg, so etwas in der Richtung. Warum hat der Jarl mir das geschenkt? Er wollte es nicht zurückhaben und ein Nordmann meinte, ich wäre ihm nun für irgendwann einen Gefallen schuldig.

Auf der anderen Seite unseres Lagers wohnten die Knochenwalder. Ich bereite eine wohlschmeckende Bowle zu, die sowohl bei den Dureonen, als auch bei den Knochenwaldern Anklang fand. Auch an andere konnte ich sie gegen manch Kupferstück verkaufen. Doch wie ich von meinem damaligen Ausflug auf die Insel der Erschaffer wusste, handelten die Knochenwalder selten mit Kupfer. Stattdessen schmiedeten mir Herr Ivan und Herr Bernhard ein Messer zu meinem Esspiekser und verliehen dem Besteck einen Katzengold-Schimmer. Katzengold, haben sie mir erzählt, kommt von Goldkatzen, die dieses Gold ausscheißen. Diese Katzen findet man auf ihrer Insel. Mir ist egal, wo es herkommt, aber mein Besteck sieht jetzt wunderbar aus!

Auch Herr Siegbrecht bekam von meiner Bowle und ich war stolz, als er mich mit einem wohlmeinenden Blick beachtete. Doch plötzlich sah ich, dass noch ein Knochenwalder zu der Gemeinschaft hinzugestoßen war: Herr Heinrich! Ich hatte ihn mit Herrn Benedikt auf meiner Taverneneröffnung getroffen und dort hatten die beiden meine Siebenhöfener Freunde blass aussehen lassen, als es zu einem Konflikt mit der Sense von Champa hätte kommen können. Ja verbündeten sie sich augenscheinlich mit Champa und verrieten so meine Freunde, die fest auf sie gebaut hatten, da sie sich schon jahrelang kannten und im Kampf nebeneinander gestanden hatten. Ich war wütend. Ich mochte diesen Heinrich nicht. Wie konnte man so niederträchtig sein?

Auf dem Weg zum Bach, um zu spülen sah ich, dass Herr Heinrich mit Herrn Siegbrecht durch das Lager flanierte und sie leise Worte austauschten. Ich ging langsamer und versuchte zu verstehen, was sie sprachen. Ich hörte aber nur die Worte „Champa“ und „Siebenhöfen“. Natürlich fühlte ich mich sofort bestätigt und lief zu Herrn Ekarius, um ihm davon zu erzählen. Später am Tag ging er auch rüber, um mit ihnen etwas zu klären. Aufgeregt saß ich im Lager und sah zu, wie er neben Herrn Heinrich saß und lachte. Da lief doch etwas verkehrt! Zwischendurch gingen sie in das große Zelt… mir wurde ganz anders, doch kam er heile wieder hinaus. Als Henna mich wiedermal piesacken wollte und schließlich sogar mit einem Knüppel verfolgte, weil ich meinerseits frech geworden war, lief ich rüber zu Herrn Ekarius, weil ich wusste, dass mir dann nichts geschah. Ich versteckte mich bei den Knochenwaldern vor Henna und unterhielt mich schließlich leise mit Herrn Ivan. Da sprangen die Worte aus meinem Mund, dass ich das nicht rechtens finde, wie sie mit meinen freunden umgehen und dass sie uns verraten hätten. Er wurde böse und griff nach mir und sagte, dass das gar nicht stimme. Ich solle nicht so vorlaut sein, das wäre sicher schon geklärt. Niemals würden sich die Knochenwalder gegen Siebenhöfen stellen. Ich sah in seinen Augen die Bestürzung und die Wahrheit und wartete geknickt auf Ekarius und seinen Bericht.

Zurück im Lager berichtete er mir, dass Ivan Recht hatte. Und dass die Knochenwalder immer noch auf dieser Seite stehen würden. Ich fühlte mich so unwohl, dass ich Herrn Heinrich und Herrn Benedikt Unrecht getan hatte…. Ich griff nach dem Feenrich und erntete die tägliche Prise Feenstaub in zwei kleine Gläschen ab.

Schließlich ging ich wieder hinüber und bat Herrn Heinrich um ein Gespräch. Dieser Mann… So groß und so… distanziert. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Jedenfalls entschuldigte ich mich kurzerhand bei ihm. Ich erzählte ihm davon, wie es auf mich gewirkt hatte und meinte, dass es mir Leid täte, ein falsches Bild gezeichnet zu haben. Er schaute mich nur stumm von oben herab an. Als ich ihn fragte, ob er mir verzeihe, zuckte er nur mit den Schultern und nickte kurz. Was für ein merkwürdiger Geselle. Ich gab ihm für sich und Herrn Benedikt ein kleines Fläschchen Feenstaub und erklärte ihm, was das sei. Nur einmal leuchteten seine Augen, als ich mich verplapperte und vorschlug, dass man es auch einsetzen könnte um jemandem zu schaden. Er nahm es und ich war froh, als ich wieder zurück in unser Lager gehen konnte. So richtig erleichtert war ich allerdings immer noch nicht.

Als ich schließlich zurück ins Lager kam, fand ich Herrn Alistair und Bruder Decius mit zwei jungen Mädchen vor. Sie redeten viel mit ihnen, gaben ihnen jede Menge zu trinken und zu essen und beobachteten sie interessiert. Die Mädchen waren wohl Bewohnerinnen dieses Landes und sollten sich uns, die in ihr Land gekommen waren anschauen. Das eine Mädchen schien recht pfiffig, das andere dafür umso wenig. Die beiden Männer befürchteten, dass es sich bei der Dummen um eine Hexe handelte und holten sämtliche Hexentests heraus, die sie finden konnten. An Fidolin war morgens schon ein Test ausprobiert worden und ich fürchtete, dass die Mädchen nicht heile aus unserem Lager wieder rauskamen. Doch es wurde viel gelacht und geredet und getestet und ich habe keine Ahnung, was letzten Endes dabei herausgekommen ist. Als Herr Ekarius noch ins Lager kam, waren die Mädchen umso erfreuter zwei stattliche junge Männer bezirzen zu können. Dass sie sich nicht auf ihre Schöße setzten und eine gemeinsame Orgie feierten war auch wirklich alles. Ich war irgendwann so genervt von dem lauten Gezwitscher, dass ich mich grübelnd ins Bett verabschiedete. Herr Ekarius fing meinen Blick auf und schickte die Mädchen schnell nach Hause. Wenigstens einer, der hier noch vernünftig war.

by Anka

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